Darum lieben die Deutschen das Dschungelcamp

Köln - Auch wenn es für viele zum guten Ton gehört, über den angeblichen Trash zu schimpfen: Im Jahr 2011 gucken die RTL-Dschungelshow mehr Menschen als vor zwei oder drei Jahren. Doch wie erklärt sich das?
Die laufende Staffel der Dschungelshow “Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ läuft bestens für RTL. Gute Quoten, sensationelle
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Marktanteile. Auch andere Fernsehformate, bei denen Promis oder Normalbürger, sagen wir mal: vorgeführt werden, laufen gut. Manchen überkommt das Unbehagen. Doch genaues Hinsehen hilft. Erste Erklärung: nachwachsende Zuschauer. Vor allem junge Leute gucken die Geschehnisse im australischen Camp, wie die Einschaltquoten-Vermarkter von Media Control nach den ersten Sendungen mitteilten. Bei 14- bis 19-Jährigen hat die Show hohe Marktanteile von rund 40 Prozent - vielleicht einfach, weil sie damit schon aufwuchsen oder weil die Dschungel-Promis Ähnliches bieten wie die unzähligen Schadenfreude-Schnipsel bei “YouTube“? Roger Willemsen meinte bereits vor Jahren, bei vielen Sendungen blieben die Zuschauer heute “durch eine Art Konträr-Faszination“ hängen.
Dschungelcamp: Das sind die 11 Kandidaten
Der Autor und Moderator geht von Zuschauern aus, die vor der Glotze denken: “Gott sei Dank, bin ich nicht so wie die da...“ Das sieht Joan Kristin Bleicher, Medienwissenschaftlerin von der Universität Hamburg, ähnlich. Sie nimmt das Dschungelcamp genauer unter die Lupe: “Das Format kombiniert erfolgsbewährte Unterhaltungs- und Boulevard-Elemente mit dem Appell an die niederen Instinkte und die Ekelgefühle der Fernsehzuschauer.“ Das Erfolgsrezept der Show sei einfach: “Die Zuschauer weiden sich an den Qualen der Kandidaten und haben außerdem die Möglichkeit, sich für die Nerv-Attacken durch Z-Prominente interaktiv zu rächen.“ Gleichzeitig erlebe man “Stars“ scheinbar privat und ungeschminkt.
Bleicher analysiert die Faktoren, die optimal zusammenwirken: “exotisches Setting diverser Dschungel-, Indiana-Jones- und Tarzan- Filme“, “Dauerbeobachtungsprinzip wie in der Reality-Show “Big Brother““, “Gameshow-Elemente“, “wechselseitige kritische Beobachtung der Mitwirkenden“, “skurrile Promis in problematischen Situationen“ sowie “medienkritische Comedy in den Kommentaren von Dirk Bach und Sonja Zietlow“. Bleicher sagt, schon immer seien im Fernsehen sogenannte Confrontainment-Strategien erfolgreich gewesen: “Wenn andere leiden oder sich streiten, sehen wir hin und sind erleichtert, dass es uns nicht passiert.“ Die Dschungelshow trage dazu bei, dass die Grenzen zwischen geschütztem privatem Lebensraum und Öffentlichkeit schwinden.
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sagt. Die Semi-Prominenz der Kandidaten erleichtere zudem die Tabuverletzung. “Die Fernsehzuschauer gehen davon aus: Wer unbedingt vor die Kamera will, soll auch die Folgen selbst tragen.“ Nach Meinung der Medienwissenschaftlerin sollten öffentlich- rechtliche Sendeanstalten bei Kritik an Privatsendern nicht vergessen, dass sie einst selber “Kandidaten-Quälshows“ im Programm hatten - in den 80er Jahren beispielsweise “Vier gegen Willi“ mit Mike Krüger. Damals wurde zum Beispiel vor den Augen der Kandidaten die Wohnungseinrichtung oder das Auto zerstört.
dpa