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ESC 2018: Gacker-Kandidatin Netta aus Israel zählt zu Favoriten - ein Vergleich liegt bei ihr nahe

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Von: Elena Siegl

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ESC 2018 Lissabon
Netta Barzilai gilt als Favoritin beim ESC in Lissabon - dabei muss sie zunächst noch das Halbfinale bestehen. © AFP / JACK GUEZ

Glaubt man den Buchmachern, so gehört Netta Barzilei aus Israel heute mit ihrem markanten Stil beim Eurovision Song Contest 2018 in Lissabon zu den Top-Favoriten. Wir sagen Ihnen, warum.

Update: Als eine der Top-Favoritinnen war sie in den ESC 2018 gegangen und konnte schließlich auch die hohen Erwartungen erfüllen. Mit ihrem schrillen Auftritt sorgte sie in Lissabon für gute Laune und holt mit ihrem Sieg erstmals seit 1999 den ESC wieder zurück nach Israel. 

Lissabon - Wie ein Huhn gackernd tobt sie in knallbunten, schrillen Outfits über die Bühne. Die israelische Teilnehmerin beim diesjährigen Eurovision Song Contest in Lissabon hat ihren ganz eigenen Stil. Weder modisch noch musikalisch lässt sich Netta Barzilai in eine Schublade stecken - und sticht so schon jetzt aus der Masse der Kandidaten hervor. Seit ihr Lied „Toy“ veröffentlicht wurde, stand es lange unangefochten auf dem ersten Platz der Wettbüros - inzwischen kam aber Konkurrenz dazu

Netta Barzilai mit „Toy“ beim ESC 2018 in Lissabon: Plädoyer gegen Abgrenzung

Dass sie auffällt, ist der 25-jährigen Netta Barzilai durchaus bewusst. Das Thema Ausgrenzung liegt ihr deshalb sehr am Herzen. Die Israelin hat selbst einschneidende Erfahrungen damit gemacht, nicht dazuzugehören. Zwar wurde sie in Hod HaSharon bei Tel Aviv geboren, sie hat aber georgische Wurzeln und wuchs zeitweise in Nigeria auf. Außerdem wisse Barzilai, wie viele Frauen sich unter Druck gesetzt fühlen, so zu sein, wie die Gesellschaft es vorschreibt. Umso stolzer sei sie deshalb, mit ihrem Song „Toy“ (Spielzeug) eine wichtige Botschaft zur Selbstbestimmung und gegen Ausgrenzung zu vermitteln. 

Netta Barzilai: Vergleich zu Beth Ditto liegt nahe

Netta Barzilai selbst entspricht nicht dem klassischen Schönheitsideal. Sie bringt ein paar mehr Pfunde auf die Waage. Weil sie außerdem auf auffallende Kleider und viel Schminke steht, wird die Israelin häufig mit der US-Sängerin Beth Ditto verglichen. Auch die Wucht, mit der Netta Barzilai singt und auf der Bühne präsent ist, erinnert an die Amerikanerin.

Ihre musikalische Karriere startete Barzilai zunächst als DJ auf Hochzeiten. Vor zwei Jahren gründete sie dann das Gesangsensemble „The Experiment“, mit dem sie durch Israel tourte.

Netta Barzilai mit „Toy“ beim ESC 2018 in Lissabon: Die Verbindung zur MeToo-Debatte

Eine Hymne auf die selbstbestimmte Frau, so lässt sich der Inhalt von Barzilais Lied „Toy“ zusammenfassen. „Im Text geht es um das Erwachen weiblicher Power und soziale Gerechtigkeit, mit einer einfachen und direkten Botschaft“, erklärt die Teilnehmerin aus Israel. Nämlich: „Ich bin nicht dein Spielzeug, du dummer Junge“, wie Barzilai im Refrain betont. Dies gehe aber nicht nur junge Frauen an, sondern eigentlich jeden: „Seid stolz und nehmt euch selbst so an, wie ihr ausseht und denkt.“

Der Künstlerische Direktor der Popakademie in Mannheim, Udo Dahmen, rechnet Netta Barzilai gute Chancen auf die vorderen Plätze aus. Das besondere an der Künstlerin und ihrem Song: „Zum einen die Art und Weise, wie sie rangeht: Sie sieht das Genderthema 'Macht Frauen stark' komplett als ihr eigenes Thema, gleichzeitig betrachtet sie es auch mit Hühnergegacker von der humorvollen Seite.“

Weil sie sich gegen respektlose Männer richtet und sich dafür einsetzt, eigene Positionen zu vertreten, ist es nicht verwunderlich, dass einige bei dem Song einen Bezug zur ‚MeToo‘-Debatte sehen. Barzilai selbst sagt zur Thematik, es sei „großartig, dass Frauen ihre Stimmen finden“.

Netta Barzilai mit „Toy“ beim ESC 2018 in Lissabon: Bunter Stilmix mit Gegacker

Nicht nur der Songtext begeistert die Kritiker, vor allem ihr bunter Stilmix kommt bei Musikkennern an und sichert Barzilai die Favoritenrolle. Gekonnt mischt sie schnelle Beats mit orientalischen Klängen, Pop mit K-Pop, also buntem, koreanischen Pop. 

Mit im Einsatz ist auch immer ein Looper, also ein Aufnahmegerät, das Barzilais kraftvolle Stimme verzerrt. Offenbar darf die Musikerin die Loop Box aber nicht beim ESC verwenden. Das sei laut Reglement verboten. Die Musikerin sieht das aber locker: „Meine Backgroundsängerinnen ersetzen dieses technische Looping durch ihre Stimmen, was wie ein Looping klingt. Das ist sehr beruhigend“, erklärt Netta Barzilai auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des ESCs. 

Kurios ist hingegen ein anderes Element des Liedes. Die Sängerin gurrt, gackert und tschirpt. „Pam pam pa hoo, Turram pam pa hoo“, heißt es da zum Beispiel. Auch wenn diese Klänge den ein oder anderen Zuhörer stören, so bleiben sie auf jeden Fall im Gedächtnis. Das kann bei insgesamt 43 Teilnehmerländern durchaus hilfreich sein. 

Markant ist auch der Tanz, den Barzilai im Video und während ihres Auftritts auf die Bühne legt. Wenn sie mit den Ellenbogen wie mit Flügeln schlägt, in die Knie geht und mit dem Hintern wackelt, erinnert das an den Ententanz.

Die Kommentare unter dem Musikvideo sind überwiegend positiv. „Ich hab jetzt gute Laune, sie hat mir positive Energie gegeben“, heißt es da zum Beispiel. Andere vergeben schon einmal 12 Punkte - bekanntlich die Höchstpunktzahl, die ein Beitrag beim ESC von den abstimmenden Ländern jeweils bekommen kann. 

Netta Barzilai mit „Toy“ beim ESC 2018 in Lissabon: Keine Favoritin des Vorentscheids

Auch wenn Barzilai jetzt als Favoritin gilt -  dass sie Israel beim ESC vertreten wird, war eher überraschend. In der über 20 Runden gestreckten Vorentscheids-Show „HaKokhav HaBa L‘Eurovizion“ kam Netta oft nur sehr knapp weiter und war immer wieder auf die Unterstützung der Jury angewiesen. 

ESC 2018 in Lissabon: Israel konnte bereits dreimal gewinnen

Sein Debüt beim ESC gab Israel im Jahr 1973. Seitdem entschied das Land den Wettbewerb schon dreimal für sich. Allerdings liegen die Siege schon einige Jahre zurück. Beim ESC 1978 in Paris setzten sich Izhar Cohen & The Alpha-Beta mit dem Song „A-Ba-Ni-Bi“ durch. Ein Jahr später, beim ESC in Jerusalem 1979, verteidigte Israel seinen Titel: Gali Atari und Milk & Honey siegten mit „Hallelujah“.

Vor genau 20 Jahren gewann dann Dana International als erste Transsexuelle beim Eurovision Song Contest. Dadurch wurde sie nicht nur zur Galionsfigur der israelischen Schwulen- und Lesbenszene, sondern ebnete mit ihrem Sieg auch den Weg für andere außergewöhnliche Kandidaten, die seitdem nicht mehr aus dem Wettbewerb wegzudenken sind. Ein bekanntes Beispiel ist hier auch Conchita Wurst, die den Contest im Jahr 2014 für Österreich gewann. Mit Abendkleid und Vollbart stach sie klar aus der Masse der Kandidaten hervor.

Dass auch Israels diesjährige Kandidatin Netta Barzilai einen auffälligen Stil hat, könnte ihr beim Wettbewerb also ebenfalls zu Gute kommen. Obwohl den ein oder anderen das schrille Gegacker sicher auch nerven wird.

Sollte Barzilai in der portugiesischen Hauptstadt tatsächlich gewinnen, möchte sie den Sieg Israel schenken. „Mein Land wird in diesen Tagen 70 Jahre. Ihm schenke ich diesen Sieg. Alle würden sich mit mir freuen“, meint Netta Barzilai auf der Pressekonferenz.

Netta Barzilai mit „Toy“ beim ESC 2018 in Lissabon: Erste Entscheidung im Halbfinale

Ob die Wettbüros richtig liegen und das europäische Publikum Netta Barzilai in ihrer Favoritenrolle bestätigt, wird sich heute zeigen. Im Halbfinale vom vergangenen Dienstag konnte Barzilai schon mal überzeugen - auch im Finale? Zumindest Deutschlands Kandidat Michael Schulte sieht nicht Netta Barzilai sondern einen anderen Konkurrenten auf dem ersten Platz.

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