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"Ludwig II.": Neuer Film um bayerischen Märchenkönig

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Sabin Tambrea als König Ludwig II. von Bayern. © dpa

„Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen“ – das persönliche Leitmotiv von Ludwig II. kann man als Überschrift für die aktuelle Deutung des bayerischen Märchenkönigs von Peter Sehr und Marie Noëlle sehen.

Mehr als 16 Millionen Euro schwer, ist der Versuch von Peter Sehr und Marie Noëlle, den Märchenkönig "Ludwig II." zu erklären. Dem Regie-Duo muss man für seinen Mut Respekt zollen, nach Luchino Viscontis genialem „Ludwig II.“ überhaupt eine weitere Kinobiografie des Monarchen zu wagen. Doch so großartig auch die Umsetzung Viscontis war – heutigen Sehgewohnheiten entspricht das Drama von 1972 mit seinen langatmigen Dialogen nicht mehr. Zeit also, den Legendenumtosten der Generation iPod nahezubringen.

Grobe Ausrutscher unpassender Modernisierung gibt es kaum: Wenn Ludwigs Bruder Otto (Tom Schilling) angesichts des drohenden Krieges im Park von Versailles dem Franzosen wild an den Kragen springt und ihn recht heutig beschimpft, dann hätte man sich das sparen können. Doch gerade mit solchen extrem emotionalisierten Szenen wie jenen, die Ludwig als schüchternen, leicht versponnenen und bildschönen Charmebolzen zeigen, kann man Jüngeren die Seelenzustände des blutjungen Königs begreiflich machen. Wenn er wütend die Mutti anmault, hat er vermutlich die Herzen aller Pubertierenden gewonnen.

Eine der entscheidenden Szenen des Films ist die, in der Ludwig nach dem Tode des Vaters (Axel Milberg als Max II.) seine Thronrede probt und mit Hermelin und Krone posiert. Das illustriert, welch einen Coup die Regisseure mit ihrem Titelhelden landeten: Sabin Tambrea zeigt die Verletzlichkeit und Schwäche des Burschen ebenso wie seine Weltentrücktheit, die latente Hybris und die beginnende Begeisterung für Verkleidung und Theater. Auch Kamera und Schnitt sind subtil und dennoch auf den Punkt genau. Hin- und hergerissen zwischen fiebrigem Mit-sich-ringen, Lust am Posieren und aufkeimender Freude des ewig vom Vater Unterjochten an der Macht: Tambrea spielt alle Facetten aus und lässt seinen Ludwig II. in diesen Minuten zu einer ebenbürtigen Interpretation neben der Helmut Bergers und O. W. Fischers werden.

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Doch es bleibt nicht bei dieser Vielschichtigkeit. Die Inszenierung gerät immer energischer Richtung Telekolleg. Statt dem reiferen Ludwig (Sebastian Schipper) eine ähnlich schlüssige Interpretation angedeihen zu lassen, verlegten sich Sehr und Noëlle auf das Abbilden des Dekors. Ja, ja, wir wissen es, der König zog sich aus der Öffentlichkeit zurück und verfiel in eine Starre. Aber warum musste die Inszenierung genauso statisch werden? Homosexualität, Bismarck, Ottos Wahnsinn, Sonnenkönigskult, der Bau von Linderhof bis Neuschwanstein, die Schulden, die empörten Minister, schließlich Berg, der Spaziergang mit Dr. Gudden und der Freitod im See – das wird nur noch lustlos abgehakt. Dieses Abspulen lässt den Darstellern keinen Raum mehr: Edgar Selge kann Tiefe in seiner Wagner-Interpretation nur andeuten, schon muss er wieder weg. Hannah Herzsprung als Sisi, Samuel Finzi als Diener Mayr, Peter Simonischek, Justus von Dohnanyi, Katharina Thalbach, egal, keine Zeit, weiter, weiter.

So wie „weiland der Heiland“ wird auch Ludwig wieder auferstehen, heißt es am Ende von Hans-Jürgen Syberbergs „Requiem für einen jungfräulichen König“. Der wunderschöne Monarch und sein tragisches Ende erscheinen bis heute wie ein Märchen, das immer wieder neu erzählt werden kann und muss. So hat sich jedes Jahrzehnt seinen eigenen Kini erschaffen: Nach Helmut Käutners Nachkriegs-Version und Viscontis Opulenz wird uns dieser Ludwig anfangs als in die Gegenwart passender, vor Vitalität und Idealismus sprühender Macher präsentiert. Als Vordenker, der seiner Umwelt einfach ein paar Ideen zu schnell war. Am Ende erstarrt alles im Ornament. Was aber genau genommen ebenso ein Zeichen unserer Zeit ist.

von Ulrike Frick

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