Tänzer des Staatstheaters zeigen eigene choreografische Arbeiten

Tanz-Reihe „Seasons 2: Let’s Talk About Bodies In Space“ begeistert im Tif
Kassel – Vielleicht ist es ein bisschen wie die Frage nach der Henne und dem Ei: War als erstes die Bewegung, die den Körper formt, oder der Körper, der die Bewegung formt, da? Wie ist das Verhältnis von den durch Choreografie dem Körper eingeschriebenen Bewegungen und den persönlichen biografischen Prägungen?
Mit dem Forschungsprojekt, in dessen Mittelpunkt die choreografische Vermessung von Körper, Raum und Zeit steht, hat die Tanzsparte des Staatstheaters Kassel die Reihe im Theater im Fridericianum (TiF) „Seasons 2: Let’s Talk About Bodies in Space“ fortgesetzt. Am Freitagabend durfte das Publikum gleich sieben Uraufführungen erleben, eine Besonderheit, die möglich wurde, weil Tänzerinnen und Tänzer der Compagnie erstmals als Choreografen in Erscheinung traten. Entstanden sind sieben Stücke von beeindruckender Tiefe und Vielfalt.
War der vorgegebene Arbeitstitel oder Forschungsansatz noch sehr abstrakt, so lieferte jedes einzelne Stück einen weiteren anschaulichen und greifbaren Aspekt dessen, was mit „Vermessung von Körper, Raum und Zeit“ gemeint ist. Sibylle Pfeiffer sorgte mit ihren sehr reduzierten Entwürfen für die Bühne und Maria Walter mit der Gestaltung der Kostüme aus fließenden Stoffen in Pastellfarben für eine Art übergeordnete Klammer.
Klil Ela Rotshtain (Israel) stellte in ihrem Stück „All Most All Ways“ das Individuum mit seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten in den Kreislauf der Unendlichkeit: Auf einer großen liegenden Acht bewegen sich die Tänzer – sind die Begegnungen Schicksal oder Zufall, existenziell notwendig oder eine Bedrohung? Ein Spiel mit der Uneindeutigkeit.
Eine mobile Wand, die eine schwarze Figur zu durchbrechen scheint – ein Arm ragt auf der anderen Seite hervor – nutzt Shafiki Sseggayi (Uganda) als Mittelpunkt für sein sehr dynamisches Stück „On M.U.T.E.“. Dabei umkreist er die Frage nach statischen, künstlich geschaffenen und menschlichen Körpern.
Auf die traditionellen Pfade hinduistischer Mythologie und die Verbindung zur heutigen Zeit begibt sich Girish Kumar Rachappa (Indien) in seinem eindrucksvollen Ein-Personen-Stück „Panchajanya“. Eine Stimme gibt dem Tänzer auf der Bühne Anweisungen, die dieser befolgt und dabei immer weiter in einen Strudel aus dem Wunsch, den Anweisungen zu entsprechen, und den Auswirkungen, die Entscheidungen jeweils auf Handlung, Gefühle und Erinnerungen haben, gerät.
„Bodybound“ ist ein anrührendes Duett von Sophie Borney (Italien) und Kaine Ward (Großbritannien). Die beiden Tänzer nutzen in ihrer Choreografie ihre Körper, um ganzheitliche Zusammenhänge der Natur zu verdichten und zu zeigen: Alles hängt zusammen und kann niemals isoliert betrachtet werden.
Kiley Dolaway (USA) und Anna Gorokhova (Russland) stellen in ihrem klug choreografierten Stück „You Allways You Never“ den Widerhall, den Zweisamkeit in einem Körper erzeugt, der Einsamkeit gegenüber. Ihr großes komödiantisches aber auch tragisches Talent stellt Sophie Ormiston (Großbritannien) in ihrem großartigen Stück „An Ode To Our Contradictions“ unter Beweis. Sie schlüpft dabei in verschiedene Rollen und nutzt die von der Musik vorgegeben Dramatik, um der Rolle jeweils Tiefe zu verleihen. Yannis Brissot nutzt ein bisschen Gruselfaktor und ganz viele Emotionen für sein Stück„ … Whose Bones Have Been Entangled By Time“ und unternimmt eine Zeitreise – in die Vergangenheit, in die Zukunft?
Das Publikum durfte Zeuge von sieben zauberhaften Anfängen werden, die selbst dann, wenn die weitere berufliche Laufbahn nicht in die choreografische Schiene gleiten sollte, von einem tiefen Verständnis des zeitgenössischen Tanzes zeugen.
Es tanzten: Almong Adler, Leo Terris, Kiley Dolaway, Sophie Ormiston, Adriana Sˇtefnˇáková, Yannis Brissot, Sophie Borney, Kaine Ward, Imogen Burell und Anna Gorokhova.
Seasons 2: Let‘s Talk About Bodies in Space
Wieder am 18.3., 30.4, 21. und 28.5. staatstheater-kassel.de

