XCOM 2 im Test: Wenn Aliens den Nachtschlaf rauben

München - Die Strategie-Überraschungshit "XCOM - Enemy Unknown" bekommt einen Nachfolger. Und was für einen. Hier geht's zum Test von "XCOM 2".
Als Außeriridischer ist man, scheint es, recht hartnäckig und verfolgt einen wohl durchdachten Plan. Nicht anders ist zu erklären, dass eine wahre Alien-Flut in diesem Jahr die Erde erneut unsicher macht. Die Rüpel-Aliens aus "Independence Day" schauen im Sommer erneut im Kino vorbei, Scully und Mulder haben die "X-Akten" wieder geöffnet - und nun auch noch das: Die fiesen Außerirdischen aus "XCOM Enemy Unknown" schicken sich in XCOM 2 erneut an, die heimischen Rechner zu erobern und alle, derer sie habhaft werden können, um den Nachtschlaf zu bringen.
2012 war es, da belebten 2K und Fireaxis Games ein Spiel wieder, an das sich nur noch wirklich altgediente Zocker erinnern konnten: XCOM. Sie entschlackten das weit über zehn Jahre alte Spielkonzept und schufen eines der besten Strategiespiele aller Zeiten. Der Erfolg an der Ladenkasse stellte sich ein, und so kam es, wie es kommen musste: Die Fortsetzung XCOM 2 ist gerade erschienen. Und wirft vor Spielstart einige Fragen auf: Erstens die Frage, wie man an einem nahezu perfekten Strategiespiel, das mustergültig die Balance zwischen Anspruch und Zugänglichkeit meisterte, noch irgendetwas verbessern könnte. Und zweitens, wie die Geschichte eigentlich weitererzählt werden soll. Denn wer den ersten Teil durchgespielt hatte, der erinnert sich noch daran, dass die miesepetrigen Aliens am Ende ganz schön alt aussahen.
XCOM 2: Aussichtsloser Guerilla-Kampf
Um es vorweg zu nehmen: Den Entwicklern von Fireaxis Games ist beides gelungen. Bei der Fortführung der Story schummeln sie in XCOM 2 allerdings ein bisschen, in dem sie dem Spieler einfach eine alternative Realität unserer Geschichte aus dem ersten Teil präsentieren. Wir als "Commander" werden im Rahmen der ersten Mission aus unserem Stasis-Schlaf geholt, in den uns die Außerirdischen versetzt haben. Und wir erwachen in einer ziemlich gruseligen Welt. Die Regierenden von "Advent" machen mit den extraterrestrischen Rüpeln gemeinsame Sache, die Regierung wird mit Propaganda ruhig gestellt und die paar aus dem ersten Teil verbliebenen Aufrechten führen einen ziemlich aussichtslosen Guerilla-Kampf gegen die Weltverschwörung.
Zugegeben, einen Originalitätspreis gewinnt die Story von XCOM 2 nun wirklich nicht, aber auch beim letzten XCOM stand die Spielmechanik eindeutig im Mittelpunkt. Und die ist nach wie vor superb, wurde an genau den richtigen Stellen verbessert. Weiterhin lässt sich das Spiel grob in zwei Teile strukturieren. Da ist der Betrieb unserer mobilen Einsatzbasis, der "Avenger". Ein riesiges, von den Aliens erbeutetes Raumschiff, das rund um die Erde gleichzeitig Transportmittel und Zuhause für uns und unsere Truppen ist. Die "Avenger" muss immer weiter ausgebaut werden, um den zunehmend fieseren Attacken der Aliens genügend entgegenstellen zu können. Dazu gehört ein umfangreiches Ressourcen- und Personalmanagement, bei dem es - gerade am Anfang - immer darum geht, möglichst effektiv den Mangel zu verwalten, der allgegenwärtig ist.
Kampfeinsätze bei XCOM 2: Schleichen auf leisen Sohlen
Zweites zentrales Spielelement bei XCOM 2 sind die Kampfeinsätze, zu denen unsere Soldaten immer wieder ausrücken, nachdem wir sie an Bord der "Avenger" ausgesucht, ausgerüstet, geskillt und geheilt haben. In Vierer-, später dann in Sechsertrupps werden sie losgeschickt, um Geiseln oder Wissenschaftler zu befreien, Ressourcen zu erbeuten oder einfach den Miesepetern aus dem All gehörig die Laune zu verderben. Gleich zu Beginn wird der große Unterschied zum Vorgänger klar. Waren wir dort Kommandant einer Spezialeinheit der Vereinten Nationen, sind wir heute Chef einer Guerillatruppe. Was drastische Auswirkungen auf den Ablauf der Missionen hat. Haben wir dereinst mit dem Kampfstiefel die Tür aufgetreten, hinter der schwachbrüstige Außerirdische standen, schleichen wir heute auf leisen Sohlen so lange um die (deutlich stärkeren) Fieslinge herum. So lange, bis wir unsere Truppen optimal und ungesehen positioniert haben und wie aus heiterem Himmel zuschlagen können.
Das macht die ohnehin anspruchsvollen Gefechte noch ein ganzes Stück kniffliger. Nur wer seinen Trupp bedacht zusammenstellt und die Spezialfähigkeiten der einzelnen Kämpfer einsetzt, hat bei XCOM 2 eine Chance, zumindest einen Teil seiner Leute wieder mit zur Avenger zu bringen. Die einzelnen Soldaten - sei es nun die Scharfschützin, der Ranger mit dem Samuraischwert oder der Drohnenpilot - haben alle ihre Stärken und Schwächen, sind aber alle im Gefecht sinnvoll einsetzbar. Da die Kämpfer mit der Zeit immer erfahrener werden und neue Fähigkeiten lernen, werden sie auch immer wertvoller für den Spieler. Umso schmerzhafter ist es, einen von seinen liebevoll hochgelevelten Kämpfern zu verlieren. Da bleibt oft nur der Griff zur Schnellladetaste - zumindest auf den niedrigeren Schwierigkeitsgraden.
XCOM 2: Immenser Hardware-Hunger, nicht für Konsolen
Also alles perfekt bei XCOM2? Nicht ganz. Es ist ein herausragendes Spiel, stellt selbst seinen fulminanten Vorgänger in den Schatten. Aber ganz ohne Macken ist es nicht. Gerade am Anfang der Kampagne ist es oftmals wirklich bockschwer, wenn alle halbwegs erfahrenen Kämpfer verletzt sind und man mit einem Haufen Anhänger in einen aussichtslosen Kampf ziehen muss. Die Grafik ist deutlich hübscher als noch im Jahr 2012, allerdings ist es nicht nachvollziehbar, dass ein Strategiespiel einen derartigen Hardwarehunger aufweist wie XCOM2. Ohnehin ist das Spiel ausschließlich für Windows und Mac erhältlich, während man den Vorgänger auch für Konsolen und sogar das iPad umgesetzt hatte. Auf Laptops muss man schon viel Glück haben, um das Spiel halbwegs ruckelfrei bei reduzierten Auflösungen zum Laufen zu bringen, selbst ausgewachsene Spiele-PCs kommen bei bestimmten Hardwarekonfigurationen gehörig ins Schwitzen. Das wird sich hoffentlich im Rahmen der nächsten Patches ändern.
Wer also einen schnellen Rechner hat, der sollte sich diesen Strategie-Leckerbissen nicht entgehen lassen. Auch weil der Entwickler den Fans des Spiels die Möglichkeit eingeräumt hat, so genannte "Mods", also selbst entwickelte Erweiterungen, zu installieren. Die gibt es mittlerweile im "Steam-Workshop" in Hülle und Fülle. Sie reichen von kosmetischen Veränderungen für die einzelnen Kämpfer bis hin zu Erweiterungen, die tief in die Spielmechanik eingreifen, XCOM2 entweder deutlich leichter oder kniffliger machen.
Eines sollte aber jedem klar sein. Wer XCOM2 installiert hat, braucht Zeit, viel Zeit. Erstens weil das Spiel sehr umfangreich ist. Und zweitens, weil man, wenn man es einmal gestartet hat, kaum wieder aufhören kann. Nur noch schnell diesen einen Raum in der "Avenger" ausbauen, nur noch eine Mission - und schon ist es drei Uhr nachts. Schließlich soll auch im Jahr 2016 der perfide Plan der Außerirdischen, die Weltherrschaft zu übernehmen, zum Scheitern verurteilt sein.
Freigegeben für Spieler ab 16 Jahren, PC und Mac, 49,99 Euro