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Globuli: Was hinter homöopathischen Arzneien steckt

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Tausende Deutsche vertrauen auf Kügelchen, wenn sie krank werden. Doch dass homöopathische Arzneien besser wirken als Placebos ist bisher nie bewiesen worden.

In den meisten homöopathischen Globuli ist kein Wirkstoff mehr nachweisbar. Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn
1 / 6In den meisten homöopathischen Globuli ist kein Wirkstoff mehr nachweisbar. © Franziska Gabbert
Für den Hausgebrauch kann man verschiedene Globuli in fertigen Sets kaufen. Die Apotheken verkaufen jährlich homöopathische Mittel im Wert von mehr als 500 Millionen Euro. Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn
2 / 6Für den Hausgebrauch kann man verschiedene Globuli in fertigen Sets kaufen. Die Apotheken verkaufen jährlich homöopathische Mittel im Wert von mehr als 500 Millionen Euro. © Franziska Gabbert
Mehr als jeder zweite Deutsche hat schon mal homöopathische Arzneien wie diese Kügelchen genommen. Viele berichten, dass sie ihnen zumindest manchmal helfen. Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn
3 / 6Mehr als jeder zweite Deutsche hat schon mal homöopathische Arzneien wie diese Kügelchen genommen. Viele berichten, dass sie ihnen zumindest manchmal helfen. © Franziska Gabbert
Sich selbst bei leichten Beschwerden mit Globuli wie diesen zu behandeln, halten Experten in Deutschland für unbedenklich. Die Arzneien werden strengen Kontrollen unterzogen. Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn
4 / 6Sich selbst bei leichten Beschwerden mit Globuli wie diesen zu behandeln, halten Experten in Deutschland für unbedenklich. Die Arzneien werden strengen Kontrollen unterzogen © Franziska Gabbert
Natalie Grams hat selbst jahrelang Menschen homöopathisch behandelt. Heute kritisiert sie ihre ehemaligen Kollegen. Etwas Gutes hat die Homöopathie für sie aber nach wie vor. Foto: Gudrun-Holde Ortner/dpa-tmn
5 / 6Natalie Grams hat selbst jahrelang Menschen homöopathisch behandelt. Heute kritisiert sie ihre ehemaligen Kollegen. Etwas Gutes hat die Homöopathie für sie aber nach wie vor. © Gudrun-Holde Ortner
Manfred Schedlowski ist Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie am Universitätsklinikum Essen. Er beschäftigt sich unter anderem mit dem Placeboeffekt. Foto: Manfred Schedlowski/dpa-tmn
6 / 6Manfred Schedlowski ist Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie am Universitätsklinikum Essen. Er beschäftigt sich unter anderem mit dem Placeboeffekt. © Manfred Schedlowski

Eine starke Wirkung ohne unerwünschte Nebenwirkungen - davon träumen viele Patienten. Es gibt Arzneien, die das tatsächlich versprechen: winzige Kügelchen, sogenannte Globuli. Streng genommen enthalten sie meist gar keinen Wirkstoff.

Jeder Zweite hat schon mal homöopathische Mittel geschluckt 

Trotzdem hat weit mehr als jeder zweite Deutsche einer repräsentativen Allensbach-Umfrage zufolge schon mal homöopathische Arzneien - in Form von Kügelchen, Tropfen oder Tees - geschluckt. Neun von zehn Anwendern berichten, dass sie zumindest manchmal geholfen haben - gegen Erkältung, Schmerzen, sogar schwere chronische Krankheiten. Wie lässt sich das erklären? Und warum vertrauen so viele Menschen auf Homöopathie?

Homöopathie: Wer steckt eigentlich dahinter?

Die Idee hinter homöopathischen Arzneien stammt von Samuel Hahnemann, der im 19. Jahrhundert als Arzt arbeitete. Er war der Ansicht, man sollte Krankheiten nicht heilen, indem man dem Symptom - zum Beispiel Fieber - etwas entgegensetzt. Statt kalter Wadenwickel behandelte er den überhitzten Körper mit einem Extrakt aus der Tollkirsche. Er wusste, dass ihr Gift selbst fieberähnliche Symptome auslösen kann. «Ähnliches mit Ähnlichem behandeln - so funktioniert Homöopathie kurz gesagt», erklärt Roger Rissel aus dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie.

Um dem Patienten nicht zu schaden, wird der Wirkstoff allerdings stark verdünnt. Dafür nimmt man zum Beispiel eine Tinktur aus der Tollkirsche und gibt neunmal so viel Ethanolwasser dazu. Anschließend wird das Fläschchen mit der Substanz zehnmal zum Beispiel auf einen Moosgummiblock geklopft. Dieser Vorgang nennt sich «Verschütteln». Die nun entstandene sogenannte Potenz heißt D1. Kommen weitere neun Teile Wasser hinzu, ergibt sich die Potenz D2 - und so weiter. Pflanzen wie Tollkirsche, Stechapfel oder Schlafmohn sind für ihre berauschende Wirkung bekannt. Warum sie mit Vorsicht zu genießen sind, berichtet 24garten.de*.

Homöopathen gehen davon aus, dass durch das «Verschütteln» die Energie des Wirkstoffs auf das Wasser übergeht. Beweisen konnte das bisher niemand. Trotzdem verkaufen Apotheken jedes Jahr homöopathische Arzneien im Wert von mehr als 500 Millionen Euro.

Natalie Grams war eine von diesen Ärztinnen. Sie hat Medizin studiert und jahrelang als Homöopathin gearbeitet. Dann wollte sie ein Buch darüber schreiben, wie homöopathische Mittel wirken, und befragte dafür einige Wissenschaftler. Das Ergebnis war ernüchternd: «Jeder dieser Wissenschaftler hat mir versichert, dass beim Verdünnen etwas verloren geht, auch dann, wenn wir dabei schütteln», sagt sie. Trotzdem hat sie die Erfahrung gemacht, dass Globuli manchmal tatsächlich wirken.

Merkur.de hat Dr. Natalie Grams vier Fragen gestellt. Lesen Sie hier das Interview

Behandlungserfolg durch Placebo-Effekt

Eine mögliche Erklärung dafür liefert Prof. Manfred Schedlowski von der Universität Duisburg-Essen. Er ist einer der bekannten deutschen Placeboforscher und sagt: «Homöopathie wirkt über einen Placeboeffekt.»

Wenn jemand homöopathische Arzneien einnimmt, erwartet er, dass sie wirken - zumindest ist er gespannt, ob sie es tun. Diese Erwartungshaltung allein ist schon in der Lage, Beschwerden zu lindern, erklärt Schedlowski. Wenn er von einer Placeboantwort spricht, dann meint er also nicht, dass Globuli nicht wirken. Sondern nur, dass der Effekt nicht auf dem angeblich enthaltenen Wirkstoff beruht.

Homöopath Rissel bestätigt zwar, dass der Placeboeffekt eine gewisse Rolle spielt. Allein damit lasse sich die Wirkung aber nicht erklären: «Ich bin sicher, dass es auch eine pharmakologische Wirkung gibt», sagt er. Trotzdem sollten Patienten seiner Ansicht nach die Grenzen dessen, was Homöopathie leisten könne, anerkennen.

«Wenn es um schwere Erkrankungen wie Krebs geht, ist die alleinige Behandlung mit Homöopathie reine Scharlatanerie», sagt Prof. Josef Beuth, Direktor des Instituts zur wissenschaftlichen Evaluation naturheilkundlicher Verfahren in Köln. Beschwerden wie leichtes Kopfweh mit Globuli zu behandeln, hält er aber für unbedenklich.

Natalie Grams gibt heute niemandem mehr Kügelchen. Gestorben ist die Homöopathie für sie allerdings nicht. «Ich glaube, dass im therapeutischen Setting der Homöopathie viel Potenzial steckt.» Sie ist überzeugt, dass die magische Aura, die diese Form der Heilkunde umgibt, bei vielen Menschen einen Nerv trifft.

Mit nur einem Tweet hat der Weilheimer HNO-Arzt Dr. Christian Lübbers eine der größten Krankenkassen in Deutschland in die Bredouille gebracht - und eine Diskussion über Homöopathie entfacht. (dpa/tmn) *merkur.de und 24garten.de sind Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.

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