Blühende Pflanzenteppiche haben viele Vorteile: So kommt das Grün aufs Dach

Durch die Versiegelung von Flächen im städtischen Raum durch Gebäude und Asphaltflächen sowie Schottergärten geht für Pflanzen und Tiere immer mehr Lebensraum verloren: Abhilfe schaffen blühende Pflanzenteppiche auf Dächern und Garagen.
Eine weitere Folge von Flächenversiegelung ist die Verstärkung der Auswirkungen von Klimaereignissen wie steigende Durchschnittstemperaturen, häufigere Wetterextreme, längere Trockenzeiten und Starkregen. Da erscheint es ebenso sinnvoll wie naheliegend, der Natur zumindest einen Teil der verlorenen Vegetationsflächen zurückzugeben – und zwar, indem man möglichst viele Dachflächen bepflanzt. Ein historisches Vorbild für Dachbegrünungen liefern traditionelle Grassodendächer vieler skandinavischer Länder.

„Eine lebendige Vegetationsschicht auf dem Dach bietet eine ganze Reihe von Vorteilen“, erklärt Verena Jedamczik, Referentin für Umfeldberatung und Garten beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). „Dachbegrünung hat eine isolierende Wirkung für das Gebäude, was einerseits die Gebäudehülle schützt und andererseits Energie für Heizung oder Klimaanlage sparen kann – zudem verbessert sich das Raumklima im Gebäude-inneren. Begrünte Dächer schützen vor Hitze, isolieren gegen Kälte und gleichen Temperaturschwankungen aus.“ Sogar die Kombination mit einer Fotovoltaikanlage sei problemlos möglich. Eine Dachbegrünung habe durch die Regenwasserverdunstung einen positiven Effekt auf die Anlage, da sie die Sonneneinstrahlung nicht reflektiert.
Dachgrün gibt Flächenverbrauch zurück
„Mit einer Dach- und Fassadenbegrünung kann sogar mehr Grünfläche entstehen, als durch den Bau des Gebäudes verbraucht wurde“, erklärt dazu Dr. Gunter Mann, Präsident des Bundesverbandes Dach- und Gebäudegrün (BuGG). Gerade bei den Dachflächen gebe es immer noch riesige Flächenreserven in den Städten, sagt Mann und verweist auf das 2016 gestartete, erste intelligente Gründachkataster Hessens in Marburg. Seitdem folgen immer mehr Städte – wie auch Kassel – diesem Beispiel.
Gründächer sind Luftreiniger und Regenwasserspeicher
Vorteilhaft wirkt sich ein Gründach laut Nabu-Expertin Jedamczik auch aufs Mikroklima in Wohngebieten aus, nämlich als Regenwasserspeicher und Luftreiniger: Die Pflanzen nehmen Kohlendioxid auf, produzieren Sauerstoff, filtern Feinstaub und Schadstoffe aus der Luft und verdunsten Wasser, was die nähere Umgebung abkühlt. Das Substrat verhindert schnellen Verlust von Regenwasser und entlastet die Kanalisation. Zudem seien Gründächer Lebensraum und Nahrungsquelle für Insekten, Vögel und andere Kleintiere.

Bei der Vegetationsschicht wird laut der Nabu-Expertin je nach Dicke und Aufbau unterschieden zwischen intensiver und extensiver Begrünung. Auf intensiv begrünten Dächern ist die Bodenschicht 25 bis 35 Zentimeter dick, sodass dort anspruchsvollere, höher wachsende Pflanzen und Gräser gedeihen. Solche Gründächer seien schwerer und pflegeaufwendiger, isolierten aber besser. Für Garagen, Carports und Dachflächen empfiehlt die Expertin eine extensive Begrünung mit deutlich leichterer, 5 bis 15 Zentimeter dicker Vegetationsschicht. Die könne man nach Statik-Beratung durch Fachleute durchaus auch in Eigenregie umsetzen.
Gründächer: Diese Sorten eignen sich
Für naturnahe Begrünung eignen sich Pflanzen die typischerweise an sonnigen, trockenen und nährstoffarmen Standorten mit dünner Bodenauflage vorkommen – in Gärtnereien als „Steingartenpflanzen“ zu finden. „Wir empfehlen statt Züchter-Sorten vor allem regionale Arten, deren Nutzen für die heimische Fauna am größten ist“, sagt Jedamczik.
Bei extensiver Begrünung muss laut BuGG-Chef Mann mit Kosten ab 30 bis 50 Euro je Quadratmeter Gründachfläche gerechnet werden. Intensive Dachbegrünungen, die vom Fachbetrieb realisiert werden, kosten ab 80 Euro je Quadratmeter.

Gründach anlegen: Technische Prüfung nötig
Neben der rein ästhetischen Wirkung haben begrünte Dächer laut Bundesverband Gebäudegrün (BuGG) eine ganze Reihe positiver Auswirkungen wie zum Beispiel Temperaturausgleich, Lärmreduktion sowie Verbesserung von Luftqualität und Mikroklima. So speichern grüne Dächer in ihrer Drainageschicht bis zu 80 Prozent des Regenwassers und verdunsten es nur langsam wieder, was bei Starkregen die Kanalisation entlastet. Positiv wirkt sich auch die wärmedämmende beziehungsweise kühlende Wirkung aufs Gebäudeklima aus.
Der Verband gibt auf seiner Internetseite zahlreiche Hinweise, welche Voraussetzungen für eine Dachbegrünung auf Flach- oder leicht geneigten Dächern von Neu- oder Altbauten und auf Garagen/Carports erfüllt sein müssen. Technische Fragen zu Statik und Belastbarkeit, Entwässerung und Brandschutz müssen ebenso geklärt werden.
Wichtige Bestandteile der Konstruktion sind laut BuGG unter anderem Dampfsperre, Wärmedämmung und eine wurzelfeste Dachabdichtung sowie Drainage, Filtervlies und schließlich eine Substratschicht für die Bepflanzung.
Ähnlich aufgebaut ist die Konstruktion bei Garage oder Carport, allerdings braucht man hier keine Dampfsperre. Im Fachhandel werden zur Begrünung auch bereits bepflanzte Vegetationsmatten angeboten.
Pflanzen fürs Dachgrün: Zähe Hungerkünstler mit sonnigem Gemüt
Die Vegetationsschicht auf dem Dach von Haus, Garage oder Carport ist für Pflanzen ein karger Lebensraum in zumeist vollsonniger Lage. In dem durchlässigen, mineralischen Substrat fühlen sich vor allem trockenheitsresistente und winterharte Überlebenskünstler wie die Dickblattgewächse wohl. Schon nach kurzer Zeit können sich aus sukkulenten Polsterstauden, Kräutern und Gräsern pflegearme Pflanzengesellschaften entwickeln, die sich ohne Pflege weitgehend selbst erhalten. Artenvielfalt steigert hier nicht nur den ökologischen Nutzen für Insekten und Kleintiere, sondern sorgt für Struktur. Für sonnige Gründächer eignen sich diese Arten:
Scharfer Mauerpfeffer (Sedum acre), bildet dichte gelbe Blütenpolster im Juni/Juli, sehr gute Bienenweide.
Weißer Mauerpfeffer (Sedum album): bildet ab Juni weiße Blütenteppiche, mit Abstand wichtigste Futterpflanze für die Raupen des bedrohten Apollofalters.
Dach-Hauswurz (Sempervivum tectorum), Rosetten bildendes, robustes Dickblattgewächs mit „ewigem Leben“.
Heidenelke (Dianthus deltoides), bildet Polster und trägt purpurfarbene Blüten.
Strand-Grasnelke (Armeria maritima), trägt purpurrosa Blüten, toleriert sogar Salz und bindet Schwermetalle im Boden.
Steinbrech (Saxifraga paniculata), robuste Steingartenpflanze in unzähligen Arten, viele davon polsterbildende Blattsukkulenten.
Blauer Lein (Linum perenne) ist sehr trockenheitsresistent; die Staude wächst sogar in reinem Sand. Von Juni bis August bildet er ständig neue himmelblaue Blüten, die nur vormittags geöffnet sind.
Schnittlauch (Allium schoenoprasum) ist nicht nur essbar, sondern bildet auch zwischen Mai und August dichte, vielblütige violettfarbene Blütenstände, die Bienen anlocken. Gute Vermehrung durch Tochterzwiebelchen.
Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella): Bildet schnell leuchtend gelbe Blütenteppiche von Mai bis September und liebt trockene, steinige Böden. Tolle Farbvariante: das Orangerote Habichtskraut (Hieracium aurantiacum).
Für halbschattige Lagen geeignet sind niedrige Gräser wie etwa die Erd-Segge (Carex humilis) und sogar Farne wie der Gewöhnliche Tüpfelfarn (Polypodium vulgare).
Info: Eine Pflanzenliste der Initiative „Hamburger Naturdach“ mit noch mehr Pflanzenideen für grüne Dächer gibt es hier.
(Von Gisela Busch)