Der Frühling schickt seine Vorboten

Im zumeist noch winterlich kahlen Garten sorgen erste Stauden und Gehölze für Farbe
Winterschlaf im Garten? Von wegen. Die sogenannte Winterruhe in der Pflanzenwelt ist alles andere als eine schöpferische Pause. Denn unter der Erde arbeiten jetzt viele Pflanzen längst auf Hochtouren: Hier wachsen Feinwurzeln von den im Spätherbst eingepflanzten Neuzugängen und die schon länger ansässigen Gehölze und Stauden bereiten sich in ihrem – immer noch witterungsbedingt verlangsamten – Stoffwechsel auf die kommende Vegetationsperiode vor. Doch selbst einem ungewöhnlich milden Winter wie diesem ist nicht zu trauen – auch wenn sich hier und da in geschützten Lagen bereits die ersten Frühblüher aus der Erde gewagt hatten – ehe doch noch der Schnee kam.

Die meisten Wachstumsprozesse der Pflanzen sind temperaturabhängig. Deshalb genügen schon einige warme Tage im kalendarisch beginnenden Spätwinter, um die ersten Pflanzen geradezu in Frühlingslaune zu versetzen. „Diese Tatsache birgt die Gefahr von Frostschäden“, betont Thomas Büchner vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL). „Denn zu früh austreibende Knospen sind den im Frühjahr gelegentlich noch auftretenden Spätfrösten schutzlos ausgeliefert.“ Umso erstaunlicher, dass es aber viele Pflanzen gibt, die schon im Januar und Februar blühen, ohne Schaden zu nehmen.
Ein Beispiel ist das Schneeglöckchen (Galanthus), dessen Name nicht von ungefähr kommt: Die Zwiebelblume streckt ihre zumeist schneeweißen Glockenblüten auf frischgrünem Laub bereits im tiefsten Winter munter aus einer Schneedecke.

Die Winterblüte hat viele Vorteile
Die Blüten von Pflanzen sind Vermehrungsorgane. Die Biologie unterscheidet zwischen Windbestäubern und Insektenbestäubern. „Die Winterblüte bietet hier für beide Typen durchaus auch Vorteile“, erläutert Büchner. „Im Unterschied zum späten Frühjahr oder Sommer gibt es im Winter ja kein Laub, das den Wind aufhält, und kaum Konkurrenzblüten für die wenigen Insekten. Deshalb ist die Chance auf eine erfolgreiche Bestäubung im Winter sehr groß.“ Darüber hinaus können die „Frühaufsteher“ im Garten einen zeitlichen Vorteil für sich nutzen: Sie bilden schon zeitig im Jahr ihre Samen aus und entlassen sie schon während der ersten warmen Tage in den noch unbedeckten Boden.
Damit der Frost die Blüten nicht schädigt, haben einige Pflanzen die Fähigkeit entwickelt, statt Glukose (Zucker) Glycerin zu produzieren. Dieses wirkt im Zellwasser gelöst wie ein natürliches Frostschutzmittel. Zudem sind die Winterblüten meist eher klein, bieten also wenig Angriffsfläche für Kälte. Wieder andere können ihre Blüten über Nacht schließen und erst bei steigenden Temperaturen am Tage wieder öffnen, sodass die empfindlichen inneren Blütenorgane dem zumeist nächtlichen Frost nicht direkt ausgesetzt sind.

Auch Gehölze legen jetzt los
Es sind bei Weitem nicht nur Zwiebelblumen wie Schneeglöckchen, Krokusse, Schneestolz (Chionodoxa) oder Traubenhyazinthen (Muscari), die im ausklingenden Winter für Farbe sorgen. Auch eine Reihe von Gehölzen schmückt sich schon früh im Jahr mit Blüten. In Gärten und Parks sind sie in dieser Zeit sprichwörtlich die fröhlichen Farbtupfer im Einheitsgrau der Jahreszeit. „Winterblüher empfehlen wir daher vor allem für den Vorgarten, denn dort werden sie von den Hausbewohnerinnen und -bewohnern, aber auch von Nachbarn und Passanten, am besten wahrgenommen,“ erklärt Thomas Büchner.
Die Auswahl ist größer als viele denken und schon die Namen der Gehölze lassen erahnen, was sie zu bieten haben: Zaubernuss (Hamamelis), Duft-Schneeball (Viburnum farreri), Winter-Jasmin (Jasminum nudiflorum), Winter-Heckenkirsche (Lonicera), Glockenhasel (Corylopsis pauciflora), Chinesische Winterblüte (Chimonanthus praecox) und Schneekirsche (Prunus subhirtella) wecken die Vorfreude auf den Frühling. Aber auch unter den Stauden gibt es eindrucksvolle Winterblüher. Die bekannteste ist sicher die Christrose (Helleborus) in ihren bekanntesten Arten mit Farbvariationen von Weiß und Zartgrün über Rosa und weinroten bis hin zu gesprenkelten oder fast schwarzen Blüten. Aber auch die Frühlings-Anemone (Anemone blanda) oder das Duftveilchen (Viola odorata) blühen oft schon Anfang März.

Schmucke Rindenfarbe
Natürlich sind es bei weitem nicht nur die Blüten, die den Garten im Winter attraktiv machen. Viele Gehölze trumpfen mit einer ganz besonderen Rindenfärbung oder -form auf, die überhaupt erst im laublosen Zustand dieser Jahreszeit ihre schmückende Wirkung entfalten kann. Auch glitzernder Reif auf Gräsern ist ein besonderer Schmuck, der nach Ansicht von Büchner gestalterisch im Gesamtkonzept eines Gartens berücksichtigt werden sollte.
Ab Ende März ist dann in der Regel mit jeder Woche mehr im Garten zu entdecken: Je nach Winterverlauf treiben schon die ersten Stauden und Gräser aus, auch manche Gehölze zeigen im frühen Frühling bereits zart-grüne Spitzen.
Mehr Extremwetter
„Der Klimawandel führt zwar zu erhöhten Durchschnittstemperaturen, aber zugleich und vor allem zu stärkeren Extremwettern“, gibt Büchner zu bedenken. Doch der Kälteeinbruch im vergangenen Dezember habe auch gezeigt, dass man immer noch mit frostigen Perioden rechnen müsse.
(Von Gisela Busch)