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Diese Blüten sterben in Schönheit

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Von: Gisela Busch

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Vergängliche Schönheit: Die zuvor rosafarbenen Blütenblätter dieser Hortensie sind inzwischen vergrünt, aber nicht verblüht. Im Hintergrund der pinkfarbene Blütenball einer späteren Hortensiensorte.
Vergängliche Schönheit: Die zuvor rosafarbenen Blütenblätter dieser Hortensie sind inzwischen vergrünt, aber nicht verblüht. Im Hintergrund der pinkfarbene Blütenball einer späteren Hortensiensorte. © Gisela Busch

Während manche Pflanzen nach der Blüte nur noch eine traurige Figur abgeben, sind andere auch als vertrocknete Schatten ihrer einstigen Pracht weiterhin sehr dekorativ. Entweder durch farbenfrohe Fruchtstände oder durch filigrane Samenstände. Neben Hortensien gehören etwa Allium und Akanthus noch lange nach ihrer Blüte zu den Gartenschönheiten.

Streichelzart und standfest: die fedrigen Fruchtstände der Küchenschelle (Pulsatilla).
Streichelzart und standfest: die fedrigen Fruchtstände der Küchenschelle (Pulsatilla). © Bettina Banse/GMH

Lange Zeit hatte in der Gartengestaltung alles, was nach der eigentlichen Blüte kam, einen schweren Stand – oder besser gesagt: gar keinen. Noch ehe jemand den Zauber vergrünter Blütenbälle, getrockneter Samenstände oder filigraner Fruchtkörper überhaupt würdigen und deren Schönheit erkennen konnte, wurde alles im Verblühen Begriffene schleunigst und rigoros abgeschnitten. Im ganzen Garten wurde spätestens ab dem Herbst fleißig aufgeräumt, die Beete hatten den Winter über „sauber und ordentlich“ zu sein. Leider auch recht kahl. Dabei wurde ganz vergessen, dass viele Gartenpflanzen gerade zum Ende der Vegetationsphase hin, wenn die Zeichen der Vergänglichkeit unübersehbar werden, besonderen Charme entwickeln.

Poetischer Farbwechsel

An erster Stelle stehen hier wohl hier die Hortensien (Hydrangea), deren morbiden Zauber schon der berühmte Potsdamer Staudenzüchter und Gartenphilosoph Karl Foerster in poetische Worte gefasst hat: „Keine Blume stirbt schöner“ beschrieb er das Werden und Vergehen der kugelförmigen Blüten des Halbstrauches, deren oft knallige Farben nach und nach zunächst vergrünen und dann schließlich verblassen. Bald zeigen sich die stabilen Blütendolden in gedeckten Farben von Karamell bis Beige. In der Struktur erinnern sie nun verblüffend an zarte, asiatische Papierkunstwerke. Kein Wunder, dass die Blütenkugeln in getrocknetem Zustand zu Herstellung von herbstlichen Türkränzen und für andere Deko-Basteleien wie geschaffen sind.

Zunächst kann man während des Sommers aber durch regelmäßiges Herausbrechen der verblühten Dolden die Bildung von weiteren Knospen fördern. Viele Hydrangea-Sorten blühen so bis in Herbst hinein. Mit Beginn der kalten Jahreszeit sollten die vergrünten Dolden dann aber an der Pflanze verbleiben – nicht zuletzt, um den Blütenansatz des nächsten Jahres vor Frost zu schützen.

Knallrot: Die Fruchtstände des Aronstabs sind nicht zu übersehen.
Knallrot: Die Fruchtstände des Aronstabs sind nicht zu übersehen. © Busch, Gisela

Dekorative Früchte

Neben den Hortensien zeigen auch viele andere Pflanzen im Garten, dass sie noch allerhand zu bieten haben, wenn das Farbspektakel der Blüten vorüber ist – sofern man sie ungestört altern lässt und nicht zur Schere greift: Bis weit in den Herbst hinein, manchmal sogar den ganzen Winter über, entfalten in Schönheit erstarrte Samenstände und bizarr geformte Fruchtkörper ihre dekorative Gartenwirkung und halten in den ansonsten weitgehend leer geräumten Staudenbeeten unermüdlich die Stellung – viele davon im wahrsten Sinne des Wortes „bis zum Umfallen“.

Früchte kosten Kraft

Die Fruchtbildung kostet Pflanzen Kraft, weshalb man bisher frühzeitiges Abschneiden empfahl. Staudengärtner Dreisvogt kann hier in den allermeisten Fällen Entwarnung geben. Bei vielen Zwiebelblumen (Tulpen, Narzissen) wird Verblühtes zeitnah abgeschnitten, da die Samenstände auch nicht übermäßig ansehnlich sind. Bei Pflanzen mit attraktiven Fruchtständen könne man diesen Energieverlust aber getrost hinnehmen, zumal die meisten Pflanzen auf unseren Gartenböden ohnehin eher überversorgt sind.

Fedrige Silberköpfchen und imposante Paukenschlägel, glänzende Beeren, zarte Ähren und manch bizarr geformten Sonderling – auch in Sachen Fruchtstände bietet das Staudenreich allerlei Staunenswertes. Der Staudenzüchter Karl Foerster sei einer der ersten gewesen, der mehr wahrgenommen habe als nur Blüten, Blüten, Blüten. „Er machte die Menschen etwa auf die Schönheit zahlreicher Gräser aufmerksam, die ja maßgeblich mit ihren reizvollen Fruchtständen punkten – man denke nur an Lampenputzergras, Rutenhirse oder Chinaschilf“, erklärt Landschaftsgärtner Michael Dreisvogt, Leiter der Stiftung Arboretum Park Härle in Bonn.

Filigranes Naturkunstwerk: Der Samenstand des Riesenzierlauchs beweist auch in getrocknetem Zustand erstaunliche Standfestigkeit.
Filigranes Naturkunstwerk: Der Samenstand des Riesenzierlauchs beweist auch in getrocknetem Zustand erstaunliche Standfestigkeit. © Busch, Gisela

Stauden mit Winterwirkung

Andere berühmte Gartengestalter wie der Niederländer Piet Oudolf knüpften um die Jahrtausendwende an diesen erweiterten Blickwinkel an und warben dafür, sich auch dem Herbst- und Winteraspekt der Gärten zu widmen. „Damit bereiteten sie den Boden für viele Stauden, die auch nach dem Samenansatz noch ausgesprochen attraktiv aussehen: Sonnenhut, Schafgarben, Silberkerzen, Brandkraut, Fetthennen und wie sie alle heißen“, sagt Dreisvogt. Die Abkehr vom herbstlichen Großreinemachen und Aufräumen im Garten bedeutete aber nicht nur den Beginn einer völlig neuen, naturnahen Ästhetik. Es war zugleich auch eine prickelnde Herausforderung, denn „wer Ja zu attraktiven Fruchtständen sagt, sagt auch Ja zu Sämlingen und damit zu einer spannenden Dynamik“, bringt es Michael Dreisvogt auf den Punkt. „Die roten Beerenzepter des Aronstabs beispielsweise begeistern bei uns im Park jedes Jahr die Besucher, aber man muss sie im Auge behalten – die Fruchtstände, in diesem Fall. Wir erfreuen uns also daran, bis die ersten Beeren abfallen, dann schneiden wir auf einen Schlag alle Fruchtstände ab und verhindern damit ein übermäßiges Versamen.“

Der Akanthus sorgt auch nach der Blüte mit aparten Fruchtständen für Aufsehen, aus denen die Samen explosionsartig herausgeschleudert werden.
Der Akanthus sorgt auch nach der Blüte mit aparten Fruchtständen für Aufsehen, aus denen die Samen explosionsartig herausgeschleudert werden. © Busch, Gisela

Zu den Stauden, bei denen man ein bisschen Fingerspitzengefühl entwickeln muss, damit sie nicht überhandnehmen, wenn man sie gewähren lässt, gehört auch der Akanthus (Acanthus hungaricus). Sind dessen recht große Samenkörner in den eindrucksvollen Fruchtständen bei Sommerhitze fertig ausgereift, werden sie mit einem explosionsartigen Knall herausgeschleudert.

Trotz Samenfülle nie lästig

Andere Pflanzen wie die Purpur-Königskerze (Verbascum phoeniceum) oder die Gelbe Kaukasus-Pfingstrose (Paeonia mlokosewitschii) werden trotz üppiger Samenbildung nie lästig. Nicht genug bekommen können viele Gartenfans auch vom Zierlauch (Allium). Die cremefarbenen Samenstände mit ihren winzigen Kapselfrüchten sind im Sommerbeet ein schöner Anblick – und ein Versprechen, dass der Vergänglichkeit des Herbstes im nächsten Jahr neue Blüten folgen werden. (Von Gisela Busch)

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