1. Startseite
  2. Ratgeber
  3. Wohnen

Vom richtigen Zeitpunkt beim Gärtnern: Was Forsythien und Rosen verbindet

Erstellt:

Von: Gisela Busch

Kommentare

Vorfrühling: Die weiblichen rosa Blüten der einhäusigen Haselnuss (Corylus avellana) erscheinen nach den männlichen – den gelbgrünen Kätzchen.
Vorfrühling: Die weiblichen rosa Blüten der einhäusigen Haselnuss (Corylus avellana) erscheinen nach den männlichen – den gelbgrünen Kätzchen. © Busch, Gisela

Der phänologische Kalender verrät den optimalen Zeitpunkt für viele Gartentätigkeiten. Er umfasst zehn Abschnitte, wobei jeder davon eine phänologische Jahreszeit markiert. Deren jeweiliger Beginn beruht vor allem auf der Beobachtung von jährlich wiederkehrenden Naturereignissen - und gibt Hinweise auf den optimalen Zeitpunkt für viele Gartentätigkeiten.

Wenn die Forsythie blüht, ist es Zeit für den Rosenschnitt“, besagt eine alte Gartenregel, die vollkommen unabhängig von Klimakapriolen und Wetterveränderungen funktioniert. Aber warum ist das so? Der Zusammenhang zwischen dem Blütenbeginn des einen Gehölzes und dem idealen Rückschnitt-Zeitpunkt für das andere ist nicht gerade auf den ersten Blick offensichtlich. Er basiert – wie so vieles andere traditionelle Gartenwissen – auf Erkenntnissen aus der Beobachtung von den im Jahresablauf periodisch wiederkehrenden Entwicklungserscheinungen in der Natur – kurz, aus der Phänologie (altgriechisch für phaino = ich erscheine).

Erstfrühling: Mit der Forsythie (Forsythia) beginnt der Erstfrühling. Wenn ihre gelben erscheinen, ist es Zeit für den Rosenschnitt.
Erstfrühling: Mit der Forsythie (Forsythia) beginnt der Erstfrühling. Wenn ihre gelben erscheinen, ist es Zeit für den Rosenschnitt. © Kay Nietfeld/dpa

Vor allem für Bauern früherer Generationen war das Wissen um natürliche Zusammenhänge unverzichtbar: Wer die Saat zum richtigen Zeitpunkt in die Erde bringen wollte, musste die Natur genau beobachten und nach witterungsabhängingen Anzeichen, etwa für den besten Saatbeginn oder den Erntezeitpunkt, suchen.

Der Beginn der Phänologie

Der hessische Botaniker Hermann Hoffmann wurde 1819 in Rödelheim geboren und führte 1882 einheitliche Richtlinien für die phänologische Erfassung von Beobachtungen der Erscheinungsformen in der Natur ein. Hoffmann korrespondierte mit Charles Darwin, führte langjährige Studien über den Einfluss von Klima- und Bodenverhältnissen auf die Pflanzenverbreitung durch und gilt als Begründer der Blühphänologie. Auf ihn gehen die über 70 heute noch existierenden phänologischen Gärten und Beobachtungsstellen in Europa zurück. 

Heutzutage sind detaillierte Aussaat- und Ernte-, Pflanz- und Schnitt-Empfehlungen für jeden Gartenzweck überall verfügbar. Für Verwirrung bei Hobbygärtnern und ihren Pflanzen gleichermaßen sorgen aber immer öfter „verschobene“ Jahreszeiten und extreme Wetterkapriolen. Stimmt was nicht mit unseren Pflanzen oder ist der Vier-Jahreszeiten-Kalender etwa nicht mehr zeitgemäß?

Dr. Folko Kullmann Gartenbauwissenschaftler und GdS-Präsident
Dr. Folko Kullmann Gartenbauwissenschaftler und GdS-Präsident © Privat

Gartenexperten wie Folko Kullmann können da beruhigen: „Mit den Pflanzen ist alles in Ordnung. Sie reagieren so, wie sie es durch die Evolution ´gelernt´ haben. Es ist der Mensch, der das durcheinanderbringt.“ In früheren Kälte- oder Wärmeperioden hätten Pflanzen und Tiere Tausende oder Zehntausende Jahre Zeit gehabt, sich anzupassen. Der menschengemachte Klimawandel passierte aber in weniger als 100 Jahren. „Man ist einfach auf der sicheren Seite, wenn man sich mehr am phänologischen Kalender orientiert und nach den Ereignissen im Garten und in der Natur richtet“, empfiehlt der promovierte Gartenbauwissenschaftler und Präsident der Gesellschaft der Staudenfreunde.

Gärtner könnten das Wetter ohnehin nicht änder, sich aber anpassen und vorsichtiger werden. Das gelte vor allem beim Gemüseanbau: „Also nicht gleich an den ersten warmen Tagen im Januar die Tomaten aussäen oder gar im Februar Salat ins Freie pflanzen“ – auch wenn der Handel immer früher im Jahr vorgetriebene Pflanzen anbiete, die im Freiland zu diesem Zeitpunkt aber oft noch keine Überlebenschance hätten.

Dazu kommt laut Kullmann noch eine wachsende Unsicherheit beim Gärtnern und viel Unkenntnis darüber, wie man „die Natur liest“. Wer im Internet Antworten sucht, sei ob der Vielzahl an widersprüchlichen Angaben oft noch ratloser als zuvor.

Frühsommer: Die Blüten des Holunders, hier die aparte dunkellaubige und rosafarben blühende Sorte Sambucus nigra ´Black Beauty´, erscheinen zum Beginn des Sommers.
Frühsommer: Die Blüten des Holunders, hier die aparte dunkellaubige und rosafarben blühende Sorte Sambucus nigra ´Black Beauty´, erscheinen zum Beginn des Sommers. © Gisela Busch

Das Schöne beim Gärtnern sei aber doch, dass man eigentlich kaum etwas „falsch“ machen kann. Ein gewisses Maß an Fehlerkultur gehört dazu: „Schneide ich die Hortensien zum falschen Zeitpunkt, blühen sie eben nicht. Aber sie gehen auch nicht ein. Wenn ich die Tomaten drinnen auf der Fensterbank säe und zu früh raus pflanze, werden sie von einem Spätfrost dahingerafft. Dann pflanze ich eben gekaufte Setzlinge vom Gärtner. Fehler gehören zum Leben dazu, nur so lernt man und bekommt Erfahrung.“ Wer sich außerdem am Erscheinen der heimischen Zeigerpflanzen orientiert statt an einem fixen Kalenderdatum, der erfährt zuverlässig, welche Bedingungen im eigenen Garten aktuell gerade herrschen.

Der Experte macht es so: „Ich habe immer die Blüte der Haselnuss im Auge. Sie markiert im Spätwinter den Auftakt der Gartensaison. Jetzt können noch Stauden und Gehölze ausgesät werden, die eine Kälteperiode zur Keimung brauchen. Mit den Schneeglöckchen und Krokussen können Feldsalat und Spinat im Frühbeet gesät, Tomaten und Paprika im Haus vorgezogen werden. Die ersten Kirschblüten sind der Startschuss für die Vorkultur von Auberginen, Kürbis und Buschbohnen und wenn im Vollfrühling Apfelbäume und Flieder blühen, können Tomate und Paprika ins Freie.“

Die Früchte der Stieleiche
Vollherbst: Er beginnt, wenn die Früchte der Stieleiche reif sind. © PantherMedia / Montypeter

Gesunder Menschenverstand sei beim Gärtnern immer gefragt: „Stauden und Gehölze gedeihen besser, wenn man sie nach einem ausgiebigen Regenguss in die Erde pflanzt – und nicht, wie es auf dem Etikett heißt, „das ganze Jahr“ über. Eine Hortensie oder ein Rhododendron im Container haben kaum eine Chance, anzuwachsen, wenn man sie im Mai in voller Blüte gekauft hat und dann später bei 35 Grad auspflanzen möchte.“

Die berühmte Forsythien-Regel gilt laut Kullmann allerdings hauptsächlich nur noch für spätfrostempfindliche Rosensorten: „Weil meine Rosen daheim schon viel früher austreiben, schneide ich sie mittlerweile schon im Spätwinter, also Ende Februar/Anfang März zurück. Ich kenne aber viele Gärtner, die schon im Januar loslegen. Allerdings stehen in meinem Garten auch nur robuste, gesunde, moderne Rosen sowie Wildrosen.“ Foto: privat/nh

Info: Gesellschaft der Staudenfreunde (gds-staudenfreunde.de) mit der Regionalgruppe Kassel/Göttingen (Kontakt per E-Mai an cynthia.nagel@web.de). Über die Zeigerpflanzen und -Tiere nach dem phänologischen Kalender informiert der Nabu.

Die Haselnussblüte erscheint immer früher: Deutscher Wetterdienst stellt deutliche Zeitverschiebungen bei Pflanzenentwicklung fest

Statt „Frühling, Sommer Herbst und Winter“ kennt der phänologische Kalender zehn Abschnitte, wobei jeder davon eine phänologische Jahreszeit umfasst. Deren jeweiliger Beginn beruht vor allem auf der Beobachtung von jährlich wiederkehrenden Naturereignissen.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) sammelt zur Phänologie seit Jahrzehnten genaue Datenreihen. Anhand dieser Beobachtungen lassen sich auch längerfristige Klimaveränderungen erkennen. Für jeden einzelnen der phänologischen Abschnitte, deren Beginn und Dauer je nach Region und Witterung unterschiedlich ausfallen können, gibt es eine oder mehrere sogenannte Zeigerpflanzen: Diese heimischen Arten definieren zuverlässig den Beginn einer jeden phänologischen Jahreszeit. Beobachtet und ausgewertet werden von den Forschern des DWD jährlich wiederkehrende Naturereignisse wie der Beginn der Blütezeit, das Ausreifen der Früchte, die Entwicklung und die Färbung des Laubs sowie der Laubfall.

Grafik phänologische Jahreszeiten
Phänologische Jahreszeiten © HNA

Die DWD-Datensammlung zeigt, dass sich die Blütezeit vieler Pflanzen – wie etwa der Haselnuss als erster Zeigerpflanze des Jahres – in den vergangenen Jahrzehnten deutlich nach vorne verschoben hat: Im zurückliegenden Winter gab es laut DWD zum Beispiel die erste Meldung des Hasel-Blühbeginns schon am 4. Dezember 2022.

Insgesamt beginnen die Jahreszeiten Frühjahr, Sommer und Herbst nach den Beobachtungen des DWD in jüngster Zeit zunehmend früher, die Vegetationsperiode wird länger und die winterliche Vegetationspause fällt dagegen zunehmend kürzer aus, bestätigt DWD-Pressesprecherin Gertrud Nöth.

Naturgemäß ist die Entwicklung auch der Zeigerpflanzen den wetterbedingten Schwankungen unterworfen. Beim Gärtnern hat die Ausrichtung bestimmter Tätigkeiten nach dem phänologischen Kalender aber den großen Vorteil, dass dieser ortsunabhängig, also in rauen Lagen ebenso wie in geschützten, immer und überall Gültigkeit besitzt.

(Von Gisela Busch)

Auch interessant

Kommentare