Gerne denkt Brauer an die Zeit zurück, als er auch Sonntagsbrunch angeboten hat: „Damals habe ich sieben Tage die Woche gearbeitet. Das war schön, wurde aber irgendwann zu viel.“ Er habe lernen müssen, dass er nicht alles selber machen konnte. Küche und Theke gleichzeitig. Das war irgendwann zu viel.
Deshalb erinnert sich Brauer dankbar an die vielen guten Mitarbeiterinnen zurück. Oft waren es angehende oder frisch gebackene Abiturientinnen, die im Berlinchen das Kopfrechnen noch einmal ganz neu lernen mussten. Das Abrechnungssystem mit den individuellen Abrechnungszetteln funktioniert nämlich nur, wenn man gut im Kopfrechnen und bei der schriftlichen Addition ist. „Mit Taschenrechner läuft da gar nichts“, weiß Brauer.
Legendär sind die Live-Konzerte, die es über viele Jahre regelmäßig in der Musikkneipe Berlinchen gab. Hier bekamen Nachwuchskünstler eine Chance, aber auch alte Hasen haben schon im Berlinchen auf der Bühne gestanden. Die gleiche Bühne war das Podium für mehrere Diskussionen im Vorfeld von Bürgermeisterwahlen.
Beim heißen Stuhl mit WLZ-Redakteur Elmar Schulten wurde so manches aktuelle Thema bewegt. Aber ausgerechnet, als es um die Windkraftanlagen im Stadtwald ging, musste Brauer in die Küche. „Mein Koch war kurzfristig ausgefallen. Da musste ich selber ran, dabei wollte ich doch zum Thema Windkraft mitdiskutieren“, erinnert sich Brauer.
Stolz ist der erfahrene Wirt darauf, über all die Jahre ohne Brauerei-Bindung ausgekommen zu sein. So wird das Berlinchen auch jetzt ohne vertragliche Verpflichtung Brauerei-frei zum Jahresende an den neuen Eigentümer übergeben. Der Neue hat angekündigt, das Berlinchen wie bisher fortzuführen.
Damit wird er Teil der langen Geschichte der Szenekneipe. Ursprünglich hieß die Gaststätte an der Ecke Bahnhofstraße/ Hünighäuser Weg „Beck’s Ecke“ nach dem Wirt Willi Beck. Der verkaufte an den legendären Karl Knüppel, der wiederum an Peter Betz verkaufte. Betz taufte der Gaststätte in Anspielung auf seine Berliner Heimat Berlinchen und inspirierte vermutlich auch zur Symbolfigur, dem Bären. Es folgte Thomas Schacht, der das Geschäft 13 Jahre lang führte, bevor Dieter Lauhof für drei Jahre einstieg.
Für Stefan Brauer wird der 23. Dezember definitiv der letzte Tag hinter dem Tresen sein. Bis dahin sollten alle Gutscheine eingelöst werden, erinnert der Wirt.
In der Silvesternacht werde er bestimmt ein paar Tränen vergießen: „Ich bin da sehr emotional und werde noch lange meinem Baby, dem Berlinchen, nachjammern.“ (Elmar Schulten)
Zur WM ist im „Berlinchen“ in Bad Arolsen nicht gerade viel los.