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Investigativ-Journalist mit Waldecker Wurzeln recherchiert zum Cum-Ex-Steuerskandal

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Von: Elmar Schulten

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Ein junger Mann steht im grauen Anzug an einem Geländer an der Hambuger Elbe.
Oliver Hollenstein ist Mitautor des Spiegel-Bestsellers „Die Akte Scholz“ über die Cum-Ex-Geschäfte der Warburg Bank, die den Steuerzahler viele Millionen Euro kosteten. Politisch brisant ist das Verhalten des früheren Regierenden Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz, mit dieser Steueraffäre. © Julia Franklin Briggs/CH-Links Verlag

Ein Kanzler mit Gedächtnislücken und ein Untersuchungsausschuss, der einem großzügigen Verzicht auf Steuermillionen nachspürt, sind das Ergebnis einer dreijährigen Recherche, an der ein aus Diemelstadt stammender Journalist maßgeblich beteiligt war.

Diemelstadt/Hamburg - Als leitender Redakteur der Hamburg-Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“ hat Oliver Hollenstein Olaf Scholz als Regierenden Bürgermeister kennengelernt und sich sehr früh darüber gewundert, warum die dubiosen Cum-Ex-Geschäfte der in Hamburg ansässigen Warburg-Bank von der dortigen Finanzverwaltung nicht mit dem notwendigen Biss verfolgt wurden.

Im Raum steht der Verdacht, dass der Kanzler in seiner Funktion als Regierungschef im Stadtstaat Hamburg eine schützende Hand über die renommierte Bank gehalten und so einen Steuerbetrug in Höhe von rund 90 Millionen Euro gedeckt haben könnte.

Warum auf Steuerforderungen verzichtet?

Der Kanzler bestreitet eine Verwicklung in die Warburg-Affäre. Doch Investigativ-Journalist Oliver Hollenstein, hat gemeinsam mit seinem Kollegen Oliver Schröm akribisch Fakten zusammengetragen, die in ihrem Buch „Die Akte Scholz“ nachzulesen.

Seit anderthalb Jahren versucht ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft, die Sonderbehandlung der Warburg-Bank aufzuklären. Konkret geht es um die Frage, warum sich die Hamburger Finanzbehörde entschieden hat, die zu Unrecht von der Warburg-Bank kassierten Cum-Ex-Steuererstattungen nicht zurückzufordern.

Kanzler erinnert sich nicht mehr

Dazu wurde auch Kanzler Scholz als Zeuge befragt: Hatte er etwas mit dieser Entscheidung zu tun? - Er habe auf das Steuerverfahren Warburg keinen Einfluss genommen, gab Scholz im Ausschuss zu Protokoll.

Dazu schreiben Oliver Schröm und Oliver Hollenstein im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“: „Scholz sieht sich in der Affäre als Opfer, hat aber nichts zur Aufklärung beigetragen. Der Grund: Er erinnert sich angeblich an nichts mehr.“

Was hat Scholz mit Bankvorstand besprochen?

Weiter fragen die beiden Autoren: „Kann man es als Bürgermeister vergessen, wenn man Vertreter einer der wichtigsten Banken der Stadt mehrmals Mal ins Rathaus einlädt, um über ein Steuerproblem in Millionenhöhe zu reden, das die Gesprächspartner als existenziell für die Bank einstufen? Wenn es dabei um eine Entscheidung geht, bei der es um den Verzicht auf einen insgesamt wohl dreistelligen Millionenbetrag für die Stadt geht – und um eine potenzielle Gefährdung von 1200 Arbeitsplätzen?“

Im Nachwort zu dem Buch „Die Akte Scholz“, das schon Monaten auf der Spiegel-Bestseller-Liste rangiert, geben die Autoren Einblick in ihre Recherchearbeit: „Es kostete Monate, bis wir einen ersten Beleg in den Händen hielten: Auszüge der Tagebücher von Christian Olearius, Mitinhaber von M.M. Warburg. Sie zeigen, dass sich Scholz während des Steuerverfahrens der Bank mit Olearius getroffen hatte. Fortan ließ uns die Geschichte nicht mehr los. Es folgten Dutzende Berichte, meist im „manager magazin“, aber auch im ARD-Magazin „Panorama“, in der „Zeit“ in „Cicero“ oder im „Stern“.

Diffamierungskampagne gegen Journalisten

Es folgten ebenso juristische Attacken und Diffamierungskampagnen gegen uns. Der Bundestag beschäftigte sich mit unseren Rechercheergebnissen, in Hamburg führten sie zur Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ’Cum-Ex-Steuergeldaffäre’.“

Investigativer Journalismus sei keine exakte Wissenschaft, sondern der Versuch, sich der Wahrheit so weit als möglich anzunähern. Für ihr Buch haben die Autoren Dutzende Interviews und Hunderte vertrauliche Gespräche geführt und Zehntausende Dokumente ausgewertet.

Zur Person: Oliver Hollenstein

Oliver Hollenstein ist Leitender Redakteur und Nachrichtenchef beim „Manager Magazin“. Er wurde 1985 geboren und wuchs in Helmighausen auf.

Nach ersten journalistischen Schritten und einem Praktikum im Sommer 2005 bei der „Waldeckischen Landeszeitung“ ging er zum Studium der Wirtschaftssoziologie, Wirtschaft und Psychologie nach Jena.

Neben dem Studium arbeitete er als Politikreporter für die Nachrichtenagentur dpa in Erfurt und London, anschließend volontierte er bei der „Süddeutschen Zeitung“ und wurde dort Wirtschaftsreporter.

Dubiose Machenschaften aufgedeckt

2014 wechselte Hollenstein zur Wochenzeitung „Die Zeit“ ins Gründungsteam der Hamburg-Ausgabe, wo er regional und überregional Geschichten auf dem Grenzgebiet zwischen Wirtschaft, Finanzen und Politik recherchierte.

Größere Beachtung fanden etwa seine Recherchen zur HSH Nordbank und zu den verborgenen Risiken im undurchsichtigen Firmengeflecht der Stadt Hamburg. Bei der „Zeit“ deckte er dubiose Machenschaften rund um den Flughafen Lübeck auf und enthüllte gemeinsam mit Oliver Schröm die zweifelhaften Geschäfte eines Hamburger Medikamentenherstellers.

Als Redakteur im Hamburg-Teil der „Zeit“ hat er zudem viele Jahre Olaf Scholz’ Karriere, sein Wirken und seine Netzwerke beobachtet. Für seine Recherchen wurde er unter anderem mit dem Axel-Springer-Preis und dem Deutschen Journalistenpreis ausgezeichnet.

Nächster Karrieresprung

Im Januar 2021 wechselte er zum „Manager Magazin“ und übernahm dort die Verantwortung für den Newsdesk, die aktuelle Berichterstattung und die digitalen Kanäle. Im kommenden Frühjahr wird Oliver Hollenstein in Essen Mitglied der Chefredaktion der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ).

Die Akte Scholz - Der Kanzler, das Geld und die Macht ist im Oktober 2022 im Ch. Links Verlag erschienen, 390 Seiten, inzwischen in einer zweiten Auflage zum Preis von 18 Euro im Buchhandel - ISBN 978-3-96289-177-0 (Elmar Schulten)

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