1. Startseite
  2. Lokales
  3. Frankenberg / Waldeck
  4. Bad Arolsen

Prozessbeginn nach der Amokfahrt von Berlin: Frage nach dem Warum ist zentral

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Elmar Schulten

Kommentare

Eine psychische Erkrankung des Autofahrers hat nach Überzeugung der Ermittler dazu geführt, dass ein 29-Jähriger über Gehwege des Ku‘damms und der Tauentzienstraße in Menschengruppen gerast ist.
Nach dem tödlichen Unfall in Berlin wurden dort Blumen und Kerzen niedergelegt. © Annette Riedl/dpa

Ziemlich genau acht Monate nach der Todesfahrt eines 29-Jährigen nahe der Berliner Gedächtniskirche beginnt am Dienstag, 7. Februar, der Prozess, der vor allem in Bad Arolsen und Wolfhagen schlimme Erinnerungen wachrufen wird.

Bad Arolsen/Berlin – Schließlich wurden von dem Amokfahrer am 8. Juni Abschlussschüler der Bad Arolser Kaulbachschule jäh aus ihrem Alltag gerissen und ihre 51-jährige Lehrerin aus Wolfhagen tödlich verletzt. Ein weiterer Lehrer aus Korbach erlitt schwerste Verletzungen und musste über Monate immer wieder neu operiert werden.

Wie ein zweiter Schock wurde dann im November die Nachricht aus Berlin aufgenommen, wonach die Staatsanwaltschaft bei dem 29-jährigen Amokfahrer von einer Schuldunfähigkeit ausgeht und die dauerhafte Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung beantragt habe.

Böse Erinnerungen sitzen noch tief

Im Korbacher Kreishaus beantworteten Bürgermeister Marko Lambion, Landrat Jürgen van der Horst und Dr. Axel Wölker als Leiter der Kaulbachschule am Montag Fragen von Journalisten. Bei den Betroffenen der Amokfahrt handele es sich um eine Abschlussklasse. Mittlerweile hätten die Schülerinnen und Schüler ihren Abschluss gemacht und die Schule verlassen.

Pressekonferenz im Korbacher Kreishaus vor Beginn des Prozesses gegen den Amokfahrer von Berlin. Von links Bürgermeister Marko Lambion, Landrat Jürgen van der Horst und Schulleiter Dr. Axel Wölker.
Pressekonferenz im Korbacher Kreishaus vor Beginn des Prozesses gegen den Amokfahrer von Berlin. Von links Bürgermeister Marko Lambion, Landrat Jürgen van der Horst und und Schulleiter Dr. Axel Wölker. © Elmar Schulten

Sie, ihre Eltern und die Schule seien aber durch eine Chatgruppe miteinander vernetzt. Nach den entsetzlichen Geschehnissen im Juni letzten Jahres hätten in der Schulgemeinde viele Gespräche, Austausche, psychologische Betreuung und gemeinsame Gedenk-Möglichkeiten stattgefunden, um die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten.

Diese säßen verständlicherweise tief, der Schulalltag konnte aber nach und nach wieder einkehren. Es bestehe weiterhin die Möglichkeit der psychologischen Unterstützung durch geschulte Fachkräfte.

Dank an professionelle Rettungskräfte

„Allein das Erinnern wühlt die Menschen auf“, stellte Landrat van der Horst gestern fest. Es sehe so aus, als wenn der Täter keine Verurteilung erfahren werde. „Das führt leider auch nicht zur Beantwortung der Frage nach dem Warum“, so van der Horst weiter. Dabei sei es für die Betroffenen so wichtig, dass es da Klarheit gebe.

Ausdrücklich lobte der Landrat die vielfältigen Betreuungsangebote für die Opfer. An erster Stelle seien hier die Rettungskräfte in Berlin zu nennen, die vorbildlich geholfen hätten. Das hätten ihm die Schüler berichtet.

Bedürfnisse der Opfer sollten im Mittelpunkt stehen

Bürgermeister Marko Lambion sprach von einer grausamen Tat, die den Menschen in Bad Arolsen in die gemeinsame Erinnerung übergegangen sei. Die damals eingerichtete Betreuungsstelle im Arolser Rathaus bestehe noch immer und vermittle Kontakte zur Opferschutzbeauftragten nach Wiesbaden, wann immer dies nötig sei.

Der Bürgermeister verband mit dem heutigen Prozessbeginn die Hoffnung, dass die Tat endlich sensibel für die Opfer aufgearbeitet werde. Bei dem Prozess sollten nach Möglichkeit auch die Bedürfnisse der unmittelbar Betroffenen und ihrer Angehörigen im Mittelpunkt stehen.

Verteidiger: Vor allem rechtliche Fragen zu klären

Für Verteidiger Mark Höfler steht außer Frage, dass sein Mandant am Tattag schuldunfähig war. Er sei schon als junger Mann erkrankt und finde keinen Zugang zu dem tragischen Geschehen an jenem Juni-Tag. „Ihm und seiner Familie ist es aber ein Anliegen, zu verdeutlichen, wie leid ihnen dieses schreckliche Ereignis tut“, betonte Höfler im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Im Prozess gehe es auch darum, die Opfer möglichst zu schonen. „Es soll ihnen, soweit das geht, eine Aussage vor Gericht erspart werden“, sagte der Verteidiger. „Das wird voraussichtlich kein streitiges Verfahren“, betonte Höfler. Zu klären seien eher rechtliche Fragen – etwa, ob die Taten überhaupt als Mord zu bewerten seien, wie es die Staatsanwaltschaft getan habe. 

Verhandelt werden all diese Fragen ab heute vor der 22. Strafkammer des Landgerichts Berlin. Am ersten Verhandlungstag wird voraussichtlich nur die Anklageschrift verlesen. Zeugen sind für heute nicht geladen. Elf der Opfer treten als Nebenkläger in dem Prozess auf. (Elmar Schulten)

Auch interessant

Kommentare