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Bedrohung, sexuelle Belästigung, Körperverletzung, Kindesmissbrauch

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Von: Matthias Schuldt

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Amtsgericht Fritzlar
Der Prozess gegen einen 25-Jährigen am Amtsgericht Fritzlar wurde vertagt. © Matthias Schuldt

Ein junger Mann, der bis zur Festnahme in Bad Wildungen wohnte, ist mehrerer Gewalttaten angeklagt: So bedrängte er sexuell eine Elfjährige schwer.

Bad Wildungen/Edertal/Fritzlar – Übergriffe und Angriffe, Aggressionen in Worten und in Taten, gegen Mädchen, Frauen und Männer, mit und ohne sexuelles Motiv - all das brachte den 25-Jährigen vors Schöffengericht in Fritzlar. Vorsitzende Richterin Marion Riechers vertagte die Verhandlung jedoch rasch, denn sie war sich mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung einig darin, dass ein psychiatrisches Gutachten zur Schuldfähigkeit des Angeklagten eingeholt werden muss.

„Ich will zurück in meine Heimat“, sagte der Angeklagte mehrmals, der bis zu seiner Verhaftung in Bad Wildungen wohnte. Er meinte sein Geburtsland Äthiopien. Vor acht oder neun Jahren sei er aus dem Sudan nach Deutschland geflohen, berichtete er unzusammenhängend teils mithilfe eines Dolmetschers, teils direkt in Deutsch. Sein Vater, ein Soldat, sei tot, seine Mutter lebe weiter im Sudan.

Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten gleich einige Mühe, die Personalien des Mannes zu klären. Zu verwirrend waren seine Angaben. Unterschiedliche Namen tauchten etwa in der Anklageschrift und in den Papieren auf, die ihm ein befristetes Aufenthaltsrecht in Deutschland zubilligen, über das im Abstand von zwei Jahren neu entschieden wird. Er darf den zugewiesenen Landkreis mit so einem Aufenthaltsstatus nicht verlassen.

„Ich kann mich nicht erinnern“, sagte der Angeklagte häufiger, tippte mit den Fingern dabei gegen Stirn und Schläfe. Er gab auf Frage an, Alkohol zu trinken und zu rauchen, auch Marihuana. Andere Drogen konsumiere er nicht, versicherte er.

Durch Nachhaken erfuhr das Schöffengericht von einem schweren Autounfall, den der heute 25-Jährige nach eigenen Angaben im Sudan erlitt. Er sei danach an seinem Kopf und seinem Hals operiert worden. Ein Deutscher habe ihn damals angefahren, meinte er. Niemand habe sich um seine Belange gekümmert: „Ich bin auch ein Opfer.“ Seine Verteidigerin hielt es nicht für ausgeschlossen, dass der junge Mann auf seiner Flucht Gewalt ausgesetzt war, deren Folgen er nun einem Unfall zuordnet. „Er versteht, glaube ich, nicht wirklich, was die Verhandlung hier bedeutet“, ergänzte sie.

Das Gericht konnte überdies nicht klären, ob der Angeklagte in Deutschland einen Schulabschluss erworben hat. Denn eher unvermittelt redete er von einem Hauptschulabschluss, den er an der Wildunger Berufsschule gemacht haben will. Er sei auch in Fritzlar zur Schule gegangen. Mehr Fragen als Antworten blieben am Eröffnungstag bei Gericht, Anklagevertretung und Verteidigung zurück wegen unzusammenhängender, teils widersprüchlichen Aussagen des Angeklagten. Die Richterin ordnete das Andauern der Untersuchungshaft an, in der sich der Mann seit seiner Festnahme befindet.

Die Staatsanwältin listete auf, was die Anklage dem 25-Jährigen vorwirft. Am 11. Juli 2021 soll er sich zwischen 20.15 und 20.45 Uhr auf dem Spielplatz des Bürgerparks „Alter Friedhof“ in Bad Wildungen neben eine damals Elfjährige auf die Bank gesetzt, sie bedrängt, an Rücken, Brust und Oberschenkel gefasst haben, um anschließend zu versuchen, sie zu küssen. Das Mädchen war zwar starr vor Schrecken, drehte aber den Kopf weg, und dann befreite eine zwei Jahre ältere Freundin das Kind mit den Worten „Komm´, wir müssen jetzt nach Hause“ aus der Situation.

So beschreibt es die Anklageschrift. Das Mädchen war mit seiner Mutter als Zeugin geladen, konnte aber wegen Erkrankung nicht zur Verhandlung erscheinen. Einen Tag nach dem geschilderten Vorfall belästigte der Angeklagte auf dem Friedhof in Hemfurth eine Frau, fasste ihr an die Hüfte und forderte sie auf, mit ihm in den Wald zu gehen. Ihr gelang es, ihren Schwager zu alarmieren. Von diesem forderte der Angeklagte vergeblich eine Zigarette. Als der Ehemann der Edertalerin hinzu kam, suchte der 25-Jährige das Weite mit den Worten „Ich töte dich, meine Familie tötet dich.“

Es waren nicht die ersten Vorfälle. Rund eine Woche zuvor war der Mann ohne Termin im Ausländeramt der Kreisverwaltung in Korbach aufgetaucht. Eine Mitarbeiterin war mit ihm auf dem Weg zum Ausgang, als er versuchte, ihr eine Kopfnuss zu geben. Die Frau wich geistesgegenwärtig aus, der Angeklagte rannte weg und machte die klassische Geste mit dem Daumen dafür, jemandem die Kehle durchzuschneiden.

Einen weiteren Monat früher war er laut Anklage in Wildungen einfach auf die Terrasse eines ihm unbekannten Hauses gegangen. Dem Eigentümer schlug er ohne Anlass mit der Faust ins Gesicht und fügte seinem Opfer eine Prellung des Jochbeins zu.

An all das erinnere er sich nicht. „Ich war kein schlechter Mensch in meiner Heimat“, sagte der 25-Jährige vor Gericht. Der Prozess geht weiter, wenn das psychiatrische Gutachten vorliegt. (Matthias Schuldt)

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