Die Vorgängerin der DB, die Reichsbahn, war in der NS-Zeit Teil des Massenmords an den Juden. Sie transportierte sie von deutschen Bahnhöfen aus in die Vernichtungslager vor allem im besetzten Polen. Mit der Stolperschwelle werde Bad Wildungen Teil einer regionalen Gedenkkultur, denn an die Deportationen erinnern auch Gedenkbänder auf den Bahnhöfen in Marburg und Treysa sowie das Denkmal „Gedächtnis der Gleise“ am Hauptbahnhof Kassel.
Am 15. November 1939 wurden die letzten 34 Bad Wildunger Juden abgeschoben und nach Kassel gebracht. „Ganz im Sinne der Nationalsozialisten war der Ort jetzt ‘judenfrei‘“, schildert Grötecke.
Die historischen Quellen seien rar. Das gelte aus unterschiedlichen Gründen für die Akten des Wildunger Stadtarchivs, der regionalen Landratsämter und des Regierungspräsidiums Kassel. Im Hessischen Hauptstaatsarchiv finden sich laut Grötecke nur kleine Hinweise.
Alte Fahrplananweisungen der Reichsbahn aus der fraglichen Zeit existierten nicht mehr. Daher bleibe unklar, wer die Vertreibung der letzten Juden anordnete und wer die Täter in der Badestadt waren.
Dass die Vertreibung Realität war, ist jedoch belegbar. So schrieb Selma Hammerschlag nach dem Krieg, Wildungens Bürgermeister Sempf habe den Juden eine kurze Galgenfrist von wenigen Tagen –- die Angaben schwanken zwischen 48 und 72 Stunden – gegeben, bevor man sie abschieben werde.
Die Namensliste der 34 Deportierten sei durch mehrere, voneinander unabhängige Quellen gesichert. Selma Hammerschlag zählte zu den sieben der 34 Verfolgten, die überlebten. (red)