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Großübung der Luftrettung bei Bad Wildungen mit sechs Helikoptern

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Von: Matthias Schuldt

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Polizeihubschrauber mit Seilwinde zur Luftrettung, Luftretter und Windenoperator
Daumenhoch: Luftretter und sein Winden-Operator © Matthias Schuldt

Am Samstag trainierten bei Bad Wildungen sechs Helikopter mit Spezialkräften von Bergwacht und Berufsfeuerwehr die Luftrettung per Seilwinde.

Bad Wildungen – Es war die erste Katastrophenschutzübung ihrer Art in dieser Größenordnung in Deutschland. Das Szenario orientierte sich an Situationen, mit denen sich der Katastrophenschutz durch die Flut im Ahrtal konfrontiert sah: Menschen in Not harren auf Dächern aus oder sind in schwer zugänglichem Gelände vor dem Wasser auf Hänge und Dämme geflohen. Sie gilt es, aus ihrer schweren Bedrängnis zu befreien.

Eine Retterin oder ein Retter wird am Stahlseil per Seilwinde hinab gelassen zu den Wartenden. Einzeln werden diese zusammen mit der Spezialkraft nach oben in den Hubschrauber gezogen und in Sicherheit geflogen. Koordiniert durch die mobile Einsatzleitung des Landkreises Waldeck-Frankenberg agierten die Hubschrauber von einer großen Freifläche aus, neben der B 253 südlich von Odershausen.

Neuen Einsatzpunkte im Urfftal bei Bad Wildungen angeflogen

Die Maschinen steuerten neun Einsatzpunkte an in Hundsdorf, Bergfreiheit und vor allem Armsfeld an. Die drei Wildunger Stadtteile mit dem Urfftal als Schwerpunkt boten nach den Worten von Rainer Kurth ideale Trainingsbedingungen. Die Landschaft mit Steilhängen und bewaldeten, tiefen wie engen Einschnitten stelle Mensch und Material vor ähnliche Herausforderungen, wie sie im Ahrtal zu bewältigen waren. Kurth ist Landesleiter der Bergwacht Hessen und erlebte die Einsätze während der Flutkatastrophe 2021 mit.

Rainer Kurth
Rainer Kurth von der Bergwacht Hessen präsentiert Rettungswindeln und Bergungssäcke. © Matthias Schuldt

„Es wurde sehr deutlich, wie wichtig es unter so extremen Bedingungen ist, dass die Kommunikation zwischen dem Winden-Operator im Hubschrauber und den Rettungskräften am Seil funktioniert“, erklärt er. Die Hilfskräfte sind über Funk miteinander verbunden, doch Lärm und andere Einflüsse, die den technischen Kontakt stören, müssen bedacht werden. „Darum trainieren wir auch die Verständigung per festgelegter Handzeichen“, erläutert Kurth.Die Bergwacht-Spezialistinen und -Spezialisten üben in einem besonderen Trainingszentrum in Bad Tölz. „Je einmal pro Jahr proben wir das Zusammenspiel mit einem Helikopter der Landespolizei und einem der Bundespolizei“, schildert Bergwachtler Rainer Kurth.

In solchen Einsatzlagen braucht es viel mehr Material als sonst

Von dieser guten Vorbereitung habe man im Ahrtal profitiert. „Die wichtigste Erfahrung, die wir mitnahmen war: Für solche Großlagen müssen wir viel mehr Material mitführen als wir es sonst tun“, sagt der Bergwacht-Landesleiter. Das gelte besonders für Bergungssäcke und so genannte Rettungswindeln. Letztere wird – tatsächlich vergleichbar einer Windel – einem Unverletzten angelegt. Der Luftretter sichert die Person in dem Tragesystem mit Gurten und Karabinerhaken und lässt sich mit ihr in den Helikopter ziehen. Die Bergungssäcke kommen zum Einsatz, wenn für verletzte Menschen in Not die Rettungswindel ungeeignet ist.

Mimen, die am Samstag in die Rolle von in Not Geratenen schlüpften, wurden auf diese Weise von Dächern von Dorfgemeinschafts- und Feuerwehrgerätehäusern geborgen, aus einem steilen Hang oder von einem Damm bei Armsfeld. Zu den spektakulärsten Einssatzorten zählte die Kläranlage von Bergfreiheit, die direkt im engen Urfftal liegt. So tief wie dort zwischen die Bäume schwebten die Helikopter an keiner anderen Stelle hinab, um die Retter am Seil zu den Ausharrenden unten auf den Dächern hinabzulassen.

Sieben Flugminuten bis nach Allendorf zum Auftanken

Die „Geretteten“ wurden rund sieben Flugminuten weit zur Sammelstelle auf dem Viessmann-Flugplatz Allendorf-Eder gebracht. Dort nahmen die Maschinen auch Treibstoff auf, kehrten zum Ausgangspunkt der Übung an der Jägersburg zurück, um erneut zu starten – über rund fünf Stunden hinweg.

Luftrettungsszene auf dem DGH Armsfeld.
Luftrettungsszene auf dem DGH Armsfeld. © Matthias Schuldt

„Not kennt keine Grenzen“, sagte Hessens Innenminister Peter Beuth. Er besuchte die Großübung am Samstag und begrüßte die vielen Partnerorganisationen des Katastrophenschutzes. Hessen habe sofort geholfen, als die Flutkatastrophe 2021 über die Menschen an der Ahr hereinbrach. „Wir wollen gut vorbereitet sein“, begründete der Minister die Premiere für das Training in großer Dimension.

Hessische Luftretter halfen 300 Menschen im Ahrtal

Wie wertvoll eine solche gute Vorbereitung sei, habe der Einsatz im Ahrtal gezeigt, ergänzte der Leiter der Höhenrettung der Wiesbadener Berufsfeuerwehr. „Seit 2002 trainieren wir. Alle kehrten unverletzt zurück und wir konnten damals 300 Menschen helfen“, erinnerte Thomas Dörwald.

Die Großübung sollte dazu dienen, das Zusammenspiel im Katastrophenfall weiter zu verfeinern, speziell mit Blick auf Kommunikation und Abstimmung. Das hessische Innenministerium zieht außerdem Konsequenzen, indem es neues Material anschafft. „Wenn Straßen plötzlich nicht mehr existieren, kommen wir mit unseren Feuerwehrfahrzeugen nicht mehr durch“, sagte Peter Beuth. Darum werde das Ministerium für solche Katastrophenlagen neue, robustere Fahrzeuge beschaffen, beispielsweise mit Fahrketten statt Rädern.

Auch für die Brandbekämpfung aus der Luft gut vorbereitet

„Wir werden bis Jahresende Impulse dafür setzen“, versicherte Harald Ecker, Leitender Branddirektor des hessischen Innenministeriums. Er führte ein weiteres Beispiel an, wie segensreich sich eine rechtzeitige Vorbereitung auswirkt.
„Als wir unsere Hubschrauber für eine Million Euro für Brandbekämpfung aus der Luft ausrüsteten, wurden wir von vielen noch belächelt. Im vorigen Jahr flogen wir 1200 Einsätze“, schilderte er.
Die Lehre aus der Ahr schlägt sich an vielen Stellen nieder, weiß auch die Wildunger Landtagsabgeordnete Claudia Ravensburg. Sie zeigte sich beeindruckt von der Großübung.

Die Abgeordnete berichtete als weiteres Beispiel von den hessischen Maltesern, die ebenfalls Konsequenzen aus der Flutkatastrophe 2021 gezogen hätten. Sie richteten im Rheingau ein Zentrallager für den Fall des Falles ein mit Trocknungsgeräten, Medikamenten und ähnlich wichtigen Gütern.

108 Mimen aus ganz Deutschland dabei

108 Mimen aus ganz Deutschland ließen sich bei der Großübung retten. Im Einsatz waren zwei Helikopter der hessischen Polizeifliegerstaffel unter Leitung von Moritz von Zezschwitz, je ein Polizeihubschrauber aus Rheinland-Pfalz, der Bundespolizei, der Bundeswehr und der DRF-Luftrettung. 85 Kräfte der Bergwacht insgesamt beteiligten sich mit dem Schwerpunkt Hessen, darunter die heimische Wildunger Bergwacht. Weitere Bergwacht-Mitglieder kamen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Thüringen und dem Schwarzwald. Knapp 30 Ehrenamtliche des DRK-Betreuungszuges Waldeck-Frankenberg unterstützten die Übung. Mehr als 50 Feuerwehrleute des Stützpunktes und der Stadtteilwehren an den Einsatzorten kümmerten sich mit um die Mimen und sicherten die Einsatzorte ab. Insgesamt beteiligten sich mehr als 300 Frauen und Männer an der Premiere dieser Großübung.(Matthias Schuldt)

Weitere Bilder von der Großübung.

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