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Laisa hat eine der letzten Ortsrufanlagen in Deutschland

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„Bekanntmachung“ heißt es etwa zwei Mal pro Woche, wenn Laisas Ortsvorsteher Jörg Paulus zuhause in seinem Arbeitszimmer zum Mikrofon der Ortsrufanlage greift.
„Bekanntmachung“ heißt es etwa zwei Mal pro Woche, wenn Laisas Ortsvorsteher Jörg Paulus zuhause in seinem Arbeitszimmer zum Mikrofon der Ortsrufanlage greift. © Swen Pförtner/dpa

Der Battenberger Stadtteil Laisa (Waldeck-Frankenberg) hat eine der letzten Ortsrufanlagen in Deutschland. Seit 70 Jahren gibt es die Lautsprecherdurchsagen im Dorf nun schon.

Laisa – Die Laisaer Ortsrufanlage für Bekanntmachungen der Vereine und des Ortsbeirates und für Glückwünsche an ältere Einwohner ist in Waldeck-Frankenberg einzigartig und auch in Deutschland kaum noch zu finden. Auch deshalb erfährt sie derzeit neue Aufmerksamkeit: ZDF und RTL haben in Laisa Fernsehbeiträge über die Ortsrufanlage gedreht.

Wenn aus den 30 Lautsprechern in Laisa die „Fanfare des Egerer Stadttürmers“ erklingt, dann wissen die 560 Einwohner des Dorfes, was gleich kommt: eine „Bekanntmachung“ von Ortsvorsteher Jörg Paulus. Etwa zwei Mal in der Woche greift der 43-Jährige zuhause zum Mikrofon und sagt die aktuellen Vereinstermine durch, ob der nächste Gottesdienst in Laisa oder Berghofen stattfindet oder dass jemand im Dorf etwas verloren oder gefunden hat. Und Laisaer, die 80 oder älter sind, bekommen zum Geburtstag von ihm über die Rufanlage „im Namen des Dorfes“ gratuliert.

Einen festen Wochentag gibt es nicht für die Durchsagen. Jörg Paulus greift zum Mikro, wenn es nötig ist. Oft auch tagesaktuell, wenn etwa das Fußballspiel am Sonntagnachmittag ausfällt, weil der Platz unter Wasser steht, oder die Chorprobe am Donnerstagabend nicht stattfinden kann, weil der Chorleiter krank ist. „Meistens mache ich die Durchsagen zwischen 18 und 19 Uhr. Da sind die meisten zuhause und die Kinder noch nicht im Bett“, erklärt der Ortsvorsteher, der als Redaktionsleiter der HNA in Frankenberg arbeitet.

Ortsrufanlage in Laisa stammt aus dem Jahr 1953

Die Laisaer Ortsrufanlage stammt aus dem Jahr 1953. Sie ist quasi der Nachfolger des Ortsdieners, der die Bekanntmachungen der damals noch eigenständigen Gemeinde regelmäßig mit einer großen Glocke an mehreren Stellen im Ort verkündet hatte. Als er Anfang der 1950er in Ruhestand ging, sollte eine Alternative her.

„Man darf nicht vergessen, dass die meisten damals noch kein Telefon hatten“, sagt Günther Belz, der von 1981 bis 2011 Ortsvorsteher in Laisa war, in den 30 Jahren also auch die Rufanlage bedient hat. An Handy oder Internet war in den 50ern noch nicht zu denken, und bis eine Nachricht in die Zeitung kam, dauerte es länger als heute.

1952 hatte sich die Laisaer Gemeindevertretung um Bürgermeister Paul Bornmann zunächst gegen eine Lautsprecheranlage ausgesprochen. Ein knappes Jahr später war das Gremium doch einstimmig dafür, nachdem sie sich solche Anlagen im Kreis Biedenkopf angeschaut hatten.

„Früher gab es solche Anlagen in beinahe jedem Dorf. Sie waren das lokale Mittel, um darüber zu informieren, was im Ort anliegt“, erklärt der Geschäftsführer des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, Johannes Heger. Mit der besseren Verfügbarkeit von Rundfunk, Fernsehen und Tageszeitungen in vielen Haushalten nahm die Bedeutung in den 60ern und 70ern soweit ab, dass in den meisten Gemeinden der Betrieb der Ortsrufanlagen wieder eingestellt wurde.

4800 Mark hatte 1953 die Laisaer Anlage mit den ersten 16 Lautsprechern gekostet. Sie ist seitdem immer wieder erweitert worden, um auch Neubaugebiete am Ortsrand zu erreichen.

Dorfnachrichten mittlerweile auch aufs Handy

Laisa ist mit seiner Rufanlage aber nicht in der Vergangenheit stecken geblieben. „Natürlich sind der Ortsbeirat und die Vereine im Internet und in sozialen Medien präsent. Die Vereine organisieren sich auch in Whatsapp-Gruppen“, sagt Ortsvorsteher Jörg Paulus. Auch seine Bekanntmachungen verschickt er heute zusätzlich per Handy an Einwohner, die auch auf diesem Weg informiert werden wollen.

„Mit den Lautsprecherdurchsagen erreichen wir aber jeden im Dorf – auch die, die keine Zeitung lesen oder von denen ich keine Handynummer habe. So sind alle informiert, niemand wird ausgeschlossen. Deshalb wollen wir nicht darauf verzichten.“

„Natürlich ist die Ortsrufanlage auch Nostalgie“, sagt Paulus. Aber das sei ja nichts Schlechtes. Die Anlage mache als Teil der Dorfgeschichte auch die Identität Laisas aus. „Ich glaube, die meisten Einwohner sind stolz, dass wir die Rufanlage haben“, sagt Paulus. Und Auswärtige, die im Dorf sind, während er eine Bekanntmachung ausruft, seien meist sehr erstaunt, weil es das sonst fast nirgendwo gebe. In ganz Deutschland gibt es nur noch etwa 30 Ortsrufanlagen, heißt es auf Wikipedia.

Etwa 30 Lautsprecher hängen in Laisa an Straßenlaternen, um die Bekanntmachungen der Ortsrufanlage im ganzen Dorf zu verbreiten.
Etwa 30 Lautsprecher hängen in Laisa an Straßenlaternen, um die Bekanntmachungen der Ortsrufanlage im ganzen Dorf zu verbreiten. © Swen Pförtner

Deshalb sind jetzt auch einige Fernsehsender auf Laisa aufmerksam geworden. ZDF und RTL waren vor wenigen Tagen in Laisa und haben mit dem Ortsvorsteher und mit Einwohnern gesprochen, wie die Ortsrufanlage funktioniert und welche Bedeutung sie heute noch für das Dorf hat. „Man weiß immer, was los ist“, hat Benedikt Belz dem RTL-Team gesagt. Der 30-Jährige ist mit der Ortsrufanlage groß geworden. „Schon als Kinder haben wir immer aufgehört zu spielen und zugehört, wenn eine Bekanntmachung kam.“

Pfarrer hielt Heiligabendgottesdienst über die Lautsprecher

Lydia Brühl hat dem ZDF berichtet, dass 2020 sogar der Heiligabend-Gottesdienst in Laisa von Pfarrer Stefan Peter über die Rufanlage gehalten wurde, als wegen der Corona-Pandemie kein Gottesdienst in der Kirche gefeiert werden durfte. „Das war richtig schön, weil jeder zuhause dabei sein konnte“, sagte sie.

Und dann darf natürlich Bonanza nicht fehlen – eine Anekdote, die Günther Belz immer wieder gerne erzählt: Als er in den 80ern Ortsvorsteher war, gab es in Laisa noch viel mehr Landwirte als heute. Und wenn irgendwo rund ums Dorf Kühe von einer Weide ausgebrochen waren, dann spielte Belz über die Rufanlage statt der üblichen Fanfare die Titelmelodie der Western-Serie Bonanza. „Dann wussten die Kuhhalter, dass es sie betrifft“, erklärte Belz dem ZDF-Team.

Heute ist das nicht mehr nötig, weil es kaum noch Kühe im Dorf gibt. Für die Bekanntmachungen wird die Ortsrufanlage aber weiterhin genutzt. „Und das soll auch so bleiben“, sagt Jörg Paulus. red

Sendetermine: Der ZDF-Beitrag über die Laisaer Ortsrufanlage soll im Mittagsmagazin von ARD und ZDF ausgestrahlt werden (13-14 Uhr), der genaue Tag steht noch nicht fest. Der RTL-Beitrag lief bereits im Regionalprogramm „RTL Hessen“, man findet ihn noch online auf rtl.de/rtl-hessen.

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