Ein Thema war der für Diemelsee wirtschaftlich immer wichtiger werdende Tourismus. Und Wilke legte mit seiner Kritik gleich los. Becker erinnerte ihn daran, dass auch SPD-Gemeindevertreter dem Bau des Feriendorfes zugestimmt hätten. Ortsbeirat und Bürger seien eingebunden gewesen. Weitere gastronomische Angebote am See sind in Planung. Wilke forderte, „anderes zu denken“ und die Bürger besser einzubinden, um die Infrastruktur zu verbessern.
Ihm hätten zudem Gäste gesagt, sie seien in der Tourist-Info unfreundlich oder gar nicht bedient worden. Becker stellte sich vor seine Mitarbeiter: „Das weise ich zurück. Wir haben gutes Personal.“ In Gästebefragungen komme Diemelsee auf eine Zufriedenheit von 92 Prozent, das sei der Spitzenwert in ganz Nordhessen. Auch Wilkes Vorhaltungen wegen Müllproblemen im neuen Feriendorf „sind für mich so nicht nachvollziehbar“.
Auch bei anderen Themen warf Wilke Becker immer wieder Versäumnisse vor – Becker hielt Wilke vor, er habe ja als Gemeindevertreter Anträge einbringen können.
Beispiel: Denis Merhof wollte wissen, ob die Aartalhalle und das Dorfgemeinschaftshaus in Flechtdorf nicht wie in Ottlar oder Wirmighausen über einen Förderverein zu betreiben sei, um der Gemeinde Geld zu sparen. „Die Frage richtet sich an Sie als Bürgermeister“, befand Wilke. Becker antwortete, das sei auch Sache der Gemeindevertretung – „da sitzen Sie drinne.“
Wilke brachte neue Ideen in die Debatte. So wolle er, dass die Gemeinde Handwerkern den Meisterbrief finanziere. Damit ließen sich Facharbeiter gewinnen, die auch Betriebe in Diemelsee gründen oder übernehmen könnten. „Das würde viel Geld kosten“, gab Becker zurück.
Um Personal für die Gastronomie heranzubilden, schlug Wilke vor, an der Adorfer Mittelpunktschule eine Fachhochschule für Tourismus einzurichten. „Das wird so nicht funktionieren“, sagte Becker voraus: Es fehle an Schülern, und der Kreis werde wohl kaum den erforderlichen Anbau finanzieren.
Becker wies seinerseits auf Erfolge hin. So seien in den vorigen Jahren 109 kleine und mittelständische Betriebe angesiedelt worden, auch mit Leader-Förderung seien neue Arbeitsplätze entstanden. Es gebe eine Nachfrage von Familien nach Bauplätzen – im vorigen Jahr seien 42 Geburten verzeichnet worden, fast doppelt so viele wie in den Vorjahren. „Wir haben viel richtig gemacht.“
Wilke reichte es nicht, der Bürgermeister müsse Sachen vorantreiben, „das geht über die Kommunikation.“ Dem Bevölkerungswandel entgegenzuwirken und die Wirtschaft zu fördern, sei eine „große Querschnittsaufgabe“.
Weitere Themen waren die Mobiliät auf dem Land, die Digitalisierung oder Lösungen für den „Sonnenhof“. Zur Auflockerung gab es persönliche Fragen über Süßigkeiten, Haustiere oder die Musik. In einem Quiz galt es, Fragen zur Heimat zu beantworten, etwa: Stimmt es, dass es in Diemelsee mehr Kühe als Einwohner gibt? Nein: Laut Kreis gibt es bei 4700 Einwohnern 4056 Kühe – aber es sind insgesamt 8151 Rinder.
In manchen Fragen waren sich beide Kandidaten einig. Das Ehrenamt? Ist unbedingt zu fördern, um die Vielfalt der für die Gemeinschaft unverzichtbaren Vereine zu erhalten. Und bei der Unterbringung von Flüchtlingen stoße die Gemeinde an ihre Grenzen, das sei eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Land und Kommunen.
Ausgiebig nutzten die Besucher des WLZ-Wahlforum am Donnerstag die Möglichkeit, die beiden Kandidaten ebenfalls zu befragen.
Claudia Bumke vom VfL Adorf fragte, wie die Gemeinde Vereine konkret unterstützen könne. Sie stelle ihnen Infrastruktur wie Hallen oder Gemeinschaftshäuser zur Verfügung, sie unterstütze sie finanziell, und sie gebe Hinweise auf Fördermöglichkeiten für Investitionen, antwortete Volker Becker. Cord Wilke forderte, mehr Geld für Vereine im Haushalt bereit zu stellen – wollte aber keine Summe nennen.
Adriane Plewka war bei Beckers erster Wahl 2005 selbst Bürgermeister-Kandidatin – sie erklärte, viele junge Erwachsene suchten in Diemelsee eher eine Wohnung als einen Bauplatz, da müsse mehr getan werden, etwa durch die Umnutzung von Gebäuden.
Becker plädierte dafür, mit dem Bauprojekt der Waldecker Bank zu beginnen: Sie will in der Adorfer Mitte rund 30 Wohnungen schaffen. Wilke forderte, Gebäude umzunutzen, es gebe genug Leerstände. Becker widersprach: „Wir haben wenig Leerstände“. Die Gemeinde schreibe regelmäßig Eigentümer an, wenn sie Wiesen oder Gebäude nicht verkaufen wollten, könne die Gemeinde nichts tun. Es gebe den Wohnungsmangel, auch bei der Unterbringung von Flüchtlingen.
Der Adorfer Ortsvorsteher Alex Kraus verwies auf viele ältere Geschäftsinhaber und fragte, wie die Gemeinde bei Betriebsübergaben helfen könne. Wilke nannte seine Idee des kostenlosen Meisterbriefes. Becker setzt auf den Pool an Übernahmekandidaten, den die Kreishandwerkerschaft und die Industrie- und Handelskammer pflegt. Bei der Apotheke in Adorf sei nach langer Suche eine Nachfolgerin gefunden worden – auch mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde. Inhaber müssten sich aber frühzeitig melden.
Katharina Schultze regte an, für den Alltagsradverkehr neue und sichere Wege parallel zu Straßen zu bauen. Da könne auch die Gemeinde mehr tun, sagte Wilke. „Dann beschließen Sie es“, sagte Becker. Er verwies auf das Konzept des Kreises zum Alltagsradverkehr. Leider erfordere die Planung viel Zeit, und ohne Förderung ließen sich Projekte nicht umsetzen.
Beide begrüßten die Anregung eines in Schweinsbühl lebenden Niederländers, auf Straßen ein Tempolimit einzuführen, damit Radfahrer ungefährdeter unterwegs sein könnten. „Das kostet nix!“
Nach Spannungen zwischen Landwirten und Radfahrern auf Feldwegen fragte Christian Backhaus von den Freien Wählern. Becker und Wilke waren sich einig: Es gelte das Prinzip der „gegenseitgen Rücksichtnahme“.
Markus Bornemann aus Adorf vermisste den Themenblock „Zukunft der Landwirtschaft“. Wilke versprach mehr Unterstützung der Gemeinde. Auch die Barrierfreiheit und die Zukunft des defizitären Heringhäuser Hallenbades waren Themen. Angeregt wurde zudem, in Adorf eine Ausgabestelle der Korbacher Tafel einzurichten. Zu wenige Diemelseer bekämen derzeit Lebensmittel.
Mitglieder des Adorfer Feuerwehr-Vereins und der Alters- und Ehrenabteilung sorgten beim Wahlforum für die Bewirtung. Der Erlös kommt der Jugendfeuerwehr zu Gute. Das Team des Diemelseer Bauhofes hatte sie Stühle in der Halle gestellt und sorgte auch für den Abbau. -sg-