Diemelsee habe viel zu bieten, betont er – er ist ja auch Chef einer Tourismusgemeinde. Da er sie gut kennt, stellt er sich seine Touren selbst zusammen. Er sei aber auch gern in der Region unterwegs: bei den Nachbarn in Brilon oder Willingen, am Edersee, in Lichtenfels. Im Urlaub zieht es ihn nach Tirol oder ins italienische Südtirol.
Doch immer wieder steht er auf dem „Sankt Muffert“. Mal Nebel im Tal, mal Sonnenschein, das Spiel der Farben im Jahresverlauf: das zarte Grün im Frühjahr, die satten Sommertöne, die bunten Wälder im Herbst. 2020 war der See zugefroren. „Das war ein imposanter Anblick.“ Schnee lag auf der Eisschicht, Besucher mit Schlitten hatten Spuren hinterlassen. „Das hatte etwas besonderes.“
Zu seinem 50. Geburtstag hatte ihm sein Team in Verwaltung, Bauhof und Tourist-Information 2018 einen Gutschein für die Wanderung „Extrem Extrem“ geschenkt: In 48 Stunden geht es über 150 Kilometer und 3500 Höhenmeter vom Diemelsee nach Korbach und wieder zurück. Seitdem nimmt er jedes Jahr teil. Um sich vorzubereiten, bricht er jede Woche zu einer kleineren oder größeren Wandertour auf – je nach Zeit. Mal begleiten ihn Freunde und Bekannte, mal ist er allein unterwegs – und trifft unterwegs andere Wanderer. Auswärtige Gäste befragt er gleich, was sie von den Angeboten in Diemelsee halten.
„Ich versuche, regelmäßig in die Natur zu gehen“, sagt er. Es sei sein Ausgleich zum stressigen Berufsalltag. Daneben singt der Wahl-Benkhäuser im Wirminghäuser Männergesangverein mit, oder er unternimmt Radtouren. Dass er einmal Bürgermeister werden würde, hätte er sich als Kind auch nicht erträumt.
Er begann mit derm Abschluss Mittlere Reife eine Ausbildung beim Finanzamt und wechselte später in die Stadtverwaltung nach Rhoden, wo er sich bis zum Büroleiter hocharbeitete. Nebenbei studierte er an der Kasseler Verwaltungshochschule.
Als der Diemelseer Bürgermeister Hans-Jürgen Fischer nach 24 Jahren in den Ruhestand gehen wollte, fragten Willi Arnold und Gerhard Behle bei Becker nach, ob er nicht Interesse an dem Amt habe. Nach Rücksprache mit seiner Familie trat er 2005 gegen zwei Gegenkandidaten an – und gewann. Zweimal haben ihn die Diemelseer bislang im Amt bestätigt.
„Ich habe meine Entscheidung nie bereut“, sagt er. „Man erlebt viel, und der Spaß an der Arbeit überwiegt“: Viele seien dankbar für das, „was man leistet und umsetzt“, auch wenn es nur Kleinigkeiten seien. „Das gibt einem Mut und Motivation.“
Becker liebt die Möglichkeit, im Amt zu gestalten. „Ein Bürgermeister kann viel auf den Weg bringen, wenn er Visionen hat“, sagt er. „Aber es geht nicht alleine.“
Ideen müssten in Dörfern oder in Vereinen besprochen werden. Und dann müssten Gemeindevorstand und Gemeindevertreter noch zustimmen. Im Parlament sei die Zusammenarbeit trotz gelegentlicher persönlicher Streitigkeiten sachlich und harmonisch: Viele Entscheidungen fielen einstimmig oder mit großer Mehrheit.
Becker kümmert sich schwerpunktmäßig um die Wirtschaftsförderung und um Förderprogramme wie die Dorf- und Regionalentwicklung. Er habe in der Verwaltung mehr als 30 Jahre Erfahrung gesammelt, sagt der Diplom-Verwaltungswirt. Außerdem habe er Netzwerke in die Kreisverwaltung, zu seinen Kollegen, in Wiesbadener Ministerien oder zur landeseigenen WI-Bank. Er ist Vorsitzender des Vereins für die Leader-Region Diemelsee/Nordwaldeck und arbeitet in landesweiten Arbeitsgruppen zur Regionalförderung mit.
Dank seiner Kontakte habe er so manche Förderung anstoßen können – auch für Firmen. Auch an Projekten wie dem Gesundheitsnetzwerk PORT mit Willingen wirkte er mit. Ziel sei, dass sich Familien in der Gemeinde wohl fühlten – das trage auch zur Sicherung des Facharbeiter-Bedarfs bei. Ein Erfolg sei, dass es fast keine Leerstände gebe, aber Nachfrage nach Bauplätzen. 2022 habe es 41 Geburten gegeben – in Vorjahren seien es 25 bis 30 gewesen. Diemelsee stehe gut da.
Die Zusammenarbeit in seinem Team laufe „sehr gut“ – 29 Mitarbeiter und zwei Auszubildende beschäftigt die Gemeinde derzeit. Ihr Chef beschreibt sich als „Teamarbeiter“, von „klassischen Hierarchien“ hält Becker wenig: „Wir können unsere kurzen Wege nutzen.“ Und das Arbeitsklima stimme. „Wir trinken auch mal ein Bier der einen Schnaps zusammen.“
Aber es sei ein stressiger Beruf: „Ich habe eine Sieben-Tage-Woche“, berichtet Becker. „Ich bin morgens vor 7 Uhr im Büro“, bis zum Abend gibt es Termine. Die Wochenenden sind auch selten frei: Geburtstage oder Goldene Hochzeiten stehen an, Versammlungen und Feste. Seine Lebensgefährtin Sonja Witsch begleitet ihn zu Teil.
„Es macht viel Spaß zu sehen, was in den Orten passiert“, sagt er, viel Nachbarschaftshilfe laufe im Verborgenen. „Ich lebe in Diemelsee sehr gerne, die Leute geben einem viel zurück.“ Und um den Stress abzuschütteln, schnürt er einfach wieder seine Wanderschuhe. -sg-