Aber auch mit Blick auf den gesamten Jahreszeitraum reiht sich 2022 nahtlos in die Folge der bereits sehr trockenen Jahre 2018, 2019 und 2020 ein. „Das bisher trockenste Jahr in Hessen in diesem Jahrhundert war das Jahr 2018“, sagt Jürgen Schmidt, Geschäftsführer der Online-Plattform Wetterkontor. Mit seinen Niederschlagswerten liegt das Jahr 2022 nur knapp darüber – auch in der Region Waldeck-Frankenberg.
Tatsächlich ist vor allem der ausgetrocknete Boden ein Riesenproblem. „Die von Mai bis August andauernde Trockenheit hat überall in Hessen zu deutlich sinkenden Grundwasserständen geführt“, erläutert Kämmerer. Vor allem in Nordhessen bewegten sich die Grundwasserstände überwiegend auf sehr niedrigen und unterdurchschnittlichen Höhen. Zwar hatten vor allem die ergiebigen Niederschläge im September für eine erste Entspannung gesorgt. „Dennoch können wir für das Grundwasser noch längst nicht von einer nachhaltigen Erholung sprechen.“
Wie in ganz Hessen war der Sommer 2022 auch in Waldeck-Frankenberg sehr trocken – was zum Beispiel am Edersee für niedrige Wasserstände sorgte. Wie auf Wetterkontor.de zu lesen ist, waren an der Wetterstation im Edertal in den Monaten Juni, Juli und August nur 65 Liter pro Quadratmeter gefallen. Im Vorjahr waren es in diesem Zeitraum 262. Die Station in Berghofen maß in den drei Monaten 92 Liter pro Quadratmeter und somit 147 Liter weniger als 2021. In Frankenau fiel die Zahl von 251 Liter innerhalb eines Jahres auf 120.
Um das Defizit auch der letzten Jahre im Grundwasser vollständig auszugleichen, reichten die Niederschläge einiger Wochen oder Monate nicht aus. „Es sind vermutlich zwei oder mehrere neubildungsreiche Nassjahre in Folge erforderlich“, sagt Dieter Kämmerer, Dezernatsleiter beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie. Wenigstens könnte jetzt ein sehr nasser Winter das bestehende Defizit verringern.
Hoffnung darauf macht aktuell die langsame Durchfeuchtung des Bodens auch in Tiefen jenseits der 40-Zentimeter-Marke. Denn erst wenn auch diese Schichten hinreichend vorgesättigt sind, wird Niederschlagswasser weiter nach unten durchsickern können, was wiederum elementar für die Neubildung von Grund- und damit auch für Trinkwasser ist. „Der Winter ist dafür ideal, weil die Pflanzen dann nicht schon vorher alles aus dem Boden ziehen.“ Man müsse sich den Boden wie einen Schwamm vorstellen, der zunächst sehr viel Wasser aufnehmen muss, ehe es dann nach unten hin heraustropft, schildert Kämmerer.
Letztlich sorgen erst diese nach unten hin austretenden Tropfen dafür, den für Grund- und Trinkwasser so wichtigen Bodenwasserspeicher wieder aufzufüllen.
Genau das sei in den vergangenen Jahren nur noch defizitär passiert. Werden unter normalen Niederschlagsverhältnissen pro Jahr in Hessen 2,13 Milliarden Kubikmeter Grundwasser neu gebildet, waren es im Jahr 2018 nur noch rund 49 Prozent dieser Menge gewesen – also weniger als 1,04 Milliarden Kubikmeter.
Gleichzeitig werden aber in Hessen jedes Jahr rund 0,41 Milliarden Kubikmeter Grundwasser – zum Beispiel für Trinkwasser – entnommen. Mit anderen Worten: Zwar verbrauchen die Menschen in Hessen immer noch weniger Wasser, als von oben nachkommt. Doch hat sich das Verhältnis von neu gewonnener zu verbrauchter Wassermenge deutlich in Richtung Nullsummenspiel verschoben. Denn inzwischen vermag das Wetter nur noch etwas mehr als die doppelte Menge an Wasser neu zur Verfügung zu stellen, die jedes Jahr verbraucht wird.
Noch vor wenigen Jahren war dies die fünffache Menge gewesen. Dazu sagt Kämmerer: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass solche trockenen Phasen im Zuge des Klimawandels häufiger werden. Mitte des Jahrhunderts wird 2022 ein normaler Sommer sein – wenn wir nicht konsequent Klimaschutz betreiben.“
Von Boris Naumann