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500 Zuhörer beim Klima-Vortrag des Astrophysikers Lesch in Frankenberg

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Von: Klaus Jungheim

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Gestik, Mimik, Körpersprache: Prof. Dr. Lesch zog in seinem rund 30-minütigen Auftritt im Frankenberger Philipp-Soldan-Forum alle Register für einen kurzweiligen und verständlichen Fach-Vortrag.
Gestik, Mimik, Körpersprache: Prof. Dr. Lesch zog in seinem rund 30-minütigen Auftritt im Frankenberger Philipp-Soldan-Forum alle Register für einen kurzweiligen und verständlichen Fach-Vortrag. © Klaus Jungheim

Der bundesweit bekannte und populäre Astrophysiker Prof. Dr. Harald Lesch nutzte im Frankenberger Philipp-Soldan-Forum die komplette Bühne, um den rund 500 Zuhörern bei seinem Impulsvortrag zum Thema „Die Erde 2023 – Kippt nun alles?“ einen komplexen Sachverhalt anschaulich zu vermitteln.

Frankenberg – Das Rednerpult diente höchstens mal kurz zum Anlehnen. Dann aber wanderte Harald Lesch wieder auf der Bühne des Philipp-Soldan-Forums umher. Dies tat er fast die gesamten 30 Minuten seines Impulsvortrags am Montag. Der 63-jährige Astrophysiker, Naturphilosoph, Wissenschaftsjournalist, Fernsehmoderator und Hörbuchsprecher referierte vor rund 500 Zuhörern zum Thema „Die Erde 2023 – Kippt nun alles?“. Eingeladen hatte der Verein Klimaneutrales Waldeck-Frankenberg.

Den komplexen Sachverhalt ansteigender Erd-Erwärmung vermittelte der Professor von der Ludwig-Maximilians-Universität München dem Frankenberger Publikum in seiner ihm eigenen Art und Weise – locker, anschaulich, leicht verständlich.

Vielen der Besucher am Montagnachmittag war dieses Konzept bereits aus Leschs Auftritten in der ZDF-Sendung Terra X bekannt. Auf der Bühne des Philipp-Soldan-Forums stand er kaum einen Moment ruhig, schritt ständig hin und her, flankiert von großen Bildern, Zeichnungen, Wetter-Modellen und -Diagrammen auf einer Leinwand im Hintergrund. Der 63-Jährige gestikulierte – ab und an auch mit erhobenem Zeigefinger, aber ohne oberlehrerhaft zu wirken –, sprach akzentuiert und humorvoll, machte Rede-Pausen, um seine Worte bei den Zuhörern tief wirken zu lassen, blieb plötzlich abrupt stehen, als wolle er dem Gesagten so Nachdruck verleihen. Der bundesweit bekannte und populäre Professor wippte dann mit den Füßen, schaute schon mal energisch in die Runde – manchmal wirkten seine Blicke ins Publikum auch fragend.

Leschs Auftritte sind ein schmaler Grat zwischen populär aufbereiteter Wissenschaftsvermittlung und Clownerie. So auch in Frankenberg. Aber er rutschte nicht ab. Der Professor vermittelte sein Thema locker aufbereitet, aber dennoch seriös. Die Besucher hingen an seinen Lippen. Seine Wortwahl war am Thema fachlich orientiert, aber leicht zu verstehen. Mitunter wurde er auch drastisch: „Sollte die Klimasituation kippen, wie die Überschwemmungen im Ahrtal oder jetzt in Italien befürchten lassen, kriegen wir allergrößte Probleme. Davor haben alle Schiss.“ Dazu kommt: „Ich befürchte mehrere Kipp-Punkte, die wie ein Domino-Effekt auf unser aller Leben wirken können.“

Klar sei, dass die Erwärmung einzig auf den Menschen zurückzuführen sei. „Für die Erde ist dies nicht so sehr das Problem. Die hat in den vergangenen Millionen und Abermillionen Jahren schon ganze andere Belastungen ausgehalten. Aber für uns Menschen kann dies existenzbedrohlich werden.“

Konkrete Prognosen zur weiteren Entwicklung auf der Erde wollte er nicht abgeben: „Ich bin nicht Jesus. Ich kann nicht übers Wasser laufen.“ Immerhin: „Es gibt viele schlechte Nachrichten. Zum Beispiel aus Alaska und Sibirien. Dort taut der Permafrost auf, fossiles Methan kann in die Atmosphäre aufsteigen. Das sind regelrechte Methan-Bomben.“ Dies trage intensiv zur globalen Erwärmung bei. Mit entsprechenden Folgen.

Die Menschheit zahle jetzt die Zeche ihres Raubbaus an der Natur in den vergangenen 200 Jahren. Um das Steuer noch herumzureißen, sei es entscheidend, die Probleme gemeinsam anzupacken. Kleinkrämerei sei nicht gefragt. Dies beginne schon bei der personellen Ausstattung der Rettungskräfte, „was in der Vergangenheit sträflich vernachlässigt wurde“. Den vermehrt extrem auftretenden Feuersbrünsten könne nur durch angemessen aufgestellte und ausgerüstete Feuerwehren begegnet werden.

Lesch ermunterte die Zuhörer, „sich einzumischen, mehr Tempo zu fordern, denn die Politik ist träge. Lassen Sie sich nicht veräppeln“.

Man solle sich nur einmal vorstellen, wenn nach dem Zweiten Weltkrieg der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer sich nicht für Atomkraft, sondern für Windenergie eingesetzt: „Was hätten wir dann heute für tolle Windräder. Noch viel bessere, als wir schon haben.“ Das Umweltbewusstsein mit entsprechenden Aktivitäten in Deutschland sei schon mal besser gewesen, „es geriet aber in einen Trance-Zustand“, bemerkte Lesch. „Wir haben noch eine einzige Chance, indem wir zivilgesellschaftliche Aktionen starten.“ In diesem Zusammenhang würdigte er die Aktivitäten des Vereins Klimaneutrales Waldeck-Frankenberg. Er rief das Publikum auf: „Nehmen Sie an Energiegenossenschaften teil, engagieren Sie sich in großem Stil für den Bau von Windrädern und Photovoltaikanlagen.“ Nicht meckern, sondern anpacken sei das Gebot der Stunde.

Noch sei es möglich, das Ruder herumzureißen. „Wie lange, weiß ich auch nicht.“ Dennoch: „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Denn die pessimistischsten Prognosen namhafter Wissenschaftler waren nicht zu optimistisch.“

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