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Bekannter Autor Stephan Thome eröffnet Literaturfestival in Waldeck-Frankenberg

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Von: Martina Biedenbach

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Stephan Thome: Mit seinem Roman „Grenzgang“ von 2009 wurden er und seine Heimatstadt Biedenkopf bekannt. Foto. Privat
Stephan Thome: Der Autor aus Biedenkopf, der jetzt in Taiwan lebt, ist neuer Schirmherr des Festivals Literarischer Frühling in Waldeck-Frankenberg. © Privat

Der bekannte Schriftsteller Stephan Thome eröffnet als neuer Schirmherr am Samstag, 25. März, das Festival Literarischer Frühling in Waldeck-Frankenberg. Im Interview schildert er unter anderem seinen Weg von seiner Heimatstadt Biedenkopf nach Taiwan.

Frankenberg/Taipeh – Sein Debütroman „Grenzgang“ von 2009 spielt in seiner Heimatstadt Biedenkopf, sein aktueller Roman „Pflaumenregen“ auf dem Inselstaat Taiwan, wo der 50-Jährige seit zwölf Jahren lebt: Stephan Thome gehört zu den renommiertesten deutschen Schriftstellern. Und er ist seit Kurzem Schirmherr des Festivals Literarischer Frühling in Waldeck-Frankenberg, das in diesem Jahr vom 24. März bis 2. April stattfindet.

Im Interview schildert der Sinologe und Philosoph seinen Weg vom Hinterland nach Südostasien, was Taiwanesen von Nordhessen unterscheidet und warum er gerne Pate des Literaturfestivals ist. Und er gibt eine Einschätzung zu Chinas Absichten bezüglich Taiwan.

Herr Thome, planen Sie, als neuer Schirmherr jährlich vom fernen Taiwan aus zum Literarischen Frühling nach Deutschland zu kommen?

Jedenfalls habe ich das vor. Ich habe den Veranstaltern, als sie mich gefragt haben, ob ich diese Schirmherrschaft übernehmen will, gesagt, dass ich das sehr gerne mache, dass ich aber nicht immer garantieren kann, jedes Mal vor Ort zu sein. Ich werde es auf jeden Fall versuchen, aber ich muss in meinen Reiseplänen auch eigene Veranstaltungen, Lesereisen und so weiter berücksichtigen.

Was hat Sie veranlasst, die Schirmherrschaft für das Festival anzunehmen?

Ich wurde gefragt und ich habe mich darüber gefreut. Ich empfinde das Amt als Ehre. Ich kenne den Literarischen Frühling, weil ich 2013 daran teilgenommen haben. Es ist ein kleines, aber charmantes Festival. Die Veranstaltungen sind so getaktet, dass man sie tatsächlich alle mitnehmen kann. Die Zusammenarbeit mit den veranstaltenden drei Hotels spielte eine wichtige Rolle. Also, ich musste nicht lange überlegen.

Nutzen Sie den Aufenthalt in Deutschland auch, um Ihre Heimatstadt Biedenkopf zu besuchen?

Ja, meine Eltern wohnen in Biedenkopf – in dem Ort, in dem ich geboren wurde, aufgewachsen bin und die ersten 20 Jahre meines Lebens bis zum Abitur verbracht habe. Klar, dass jedes Mal, wenn ich nach Deutschland fliege, das Wichtigste ist, meine Familie zu sehen. Ich komme nicht nur für die eine Woche des Festivals, sondern ich werde fast zwei Monate bleiben, Zeit mit meinen Eltern verbringen und alte Freunde sehen.

Ihr erster Roman „Grenzgang“ spielt in Biedenkopf. Es kommen sogar Szenen in Biedenkopfer Platt vor. Sie sprechen Chinesisch, sprechen Sie auch Biedenkopfer Platt?

Leider nicht. Ich bin ein Kind dieser besonderen Erziehung, der der Bildungsaufsteiger in den 70er-Jahren, die sehr viel Wert darauf gelegt haben, dass die Kinder eine ordentliche Erziehung bekommen, in der Schule und auch zuhause. Und meine Eltern haben es für wichtiger befunden, mein Hochdeutsch zu fördern. Das ist ihnen, glaube ich, auch ganz gut gelungen. Für die Roman-Dialoge in Platt habe ich mir den Rat meiner Eltern geholt.

Ihr bürgerlicher Name ist Stephan Schmidt. Warum haben Sie sich umbenannt?

Stephan Schmidt ist ein sehr gewöhnlicher Name. Ich kenne alleine drei Stefan Schmidt. Als mein erstes Buch erschien, regte der Verlag eine Umbenennung an. Es war ratsam, einen Namen mit größerem Wiedererkennungswert zu wählen. Ich entschied mich für Thome, den Geburtsnamen meiner Mutter. Damit kann ich mich gut identifizieren.

Was hat Sie aus dem Hinterland ins ferne China gezogen?

So direkt war der Weg nicht. Ich habe erst in Marburg Zivildienst geleistet und dann in Berlin studiert. Ich habe begonnen, mich für Philosophie, chinesische Geschichte und Kultur zu interessieren und mich für ein Stipendium in China beworben, weil ich dachte ich, ich sollte mal eine ganz andere Welt kennenlernen. Ich hatte damals schon den Traum, Schriftsteller zu werden. Aber ich konnte nichts schreiben, was mir selbst hinterher noch gefiel. Ich dachte, wahrscheinlich habe ich noch nicht genug erlebt. Wider Erwarten bekam ich das Stipendium und bin aus reiner Abenteuerlust nach China gereist. Ich wusste nichts über das Land, bin für ein Jahr dahin gegangen und so hat das begonnen. Wenn man einmal anfängt, dann merkt man, wie viel es da zu entdecken gibt und wie viel man da lernen kann.

Ist Taipeh, die Hauptstadt von Taiwan, jetzt Ihr Hauptwohnsitz?

Ja, die Entscheidung für Taiwan hat verschiedene Gründe, unter anderem den, dass ich hier meine heutige Frau kennengelernt habe und wir vor der Entscheidung standen: Wo verbringen wir denn unser Leben? Sie spricht kein Deutsch, aber ich spreche Chinesisch. Und so fiel die Wahl eben auf Taipeh.

Ihr Roman „Pflaumenregen“ schildert anhand einer Familiengeschichte die Geschichte Taiwans und des schrecklichen Einflusses japanischer und chinesischer Mächte. Er liefert „die Vorgeschichte zu den gegenwärtigen Provokationen Chinas gegenüber Taiwan“, wie es die Neue Zürcher Zeitung formulierte. Welche Intention verbinden Sie mit diesem Stoff?

Als Romanschriftsteller hat man zunächst einmal eigentlich kein Anliegen, sondern man hat Geschichten, die man erzählen will. Die Geschichten haben viel mit dem zu tun, wo man selbst lebt. „Pflaumenregen“ ist aus Deutschland gesehen ein exotisches Setting, aber es ist halt das Land, in dem ich lebe. Ich habe in dem Roman über Dinge geschrieben, die mir tagtäglich vor Augen stehen. Mir ist bewusst, dass ich das über einen großen kulturellen Abstand hinweg transportiere, und da muss ich aufpassen, dass es verständlich und spannend und interessant ist für ein deutsches Publikum. Sicherlich kann man in meinen Romanen auch viel lernen, aber ich habe nicht diesen pädagogisch-didaktischen Ansatz, dass ich denke, ich möchte jetzt die Deutschen über ostasiatische Geschichte, Kultur oder so etwas aufklären, sondern ich interessiere mich selbst für diese Dinge. Das ist Anlass für mich, mich tiefer mit einer Materie zu beschäftigen, genauer nachzufragen, sie besser zu verstehen. Daraus kann dann eine Geschichte entstehen.

Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass China tatsächlich Taiwan annektieren wird? Und dass zu einem Weltkrieg kommen könnte?

Also, die Kriegsgefahr in der Taiwanstraße? Die steigt allmählich, weil China ungeduldiger und aggressiver wird, aber die Kriegsgefahr ist nicht akut. In den nächsten Jahren wird da kein Krieg ausbrechen. Es sei denn, es passiert ein Unfall und es kommt zu einem Krieg, den eigentlich keiner will. Manchmal wird ja so getan, als ginge es überhaupt nur noch um die Frage, wann China angreift. Das ist aber gar nicht sicher. Es gibt auch sehr viel, was dagegen spricht.

Kommen wir noch einmal zurück vom fernen Taipeh ins nahe Biedenkopf. Ob im „Grenzgang“ oder im „Pflaumenregen“ – es gelingt Ihnen treffend, das Verhalten der Menschen zu beschreiben. Wo liegen denn die größten Unterschiede zwischen Taiwanesen und uns Nord- und Mittelhessen?

Na ja, erstmal sind wir in Nord- und Mittelhessen ja kein Volk. Ich weiß nicht, ob es etwas gibt, dass Nord- und Mittelhessen insbesondere auszeichnet und sie von Südhessen oder Ostwestfalen unterscheidet. Die Menschen in Taiwan sind auf eine bestimmte, sehr zurückhaltende Weise höflich. Wenn man sich nicht so gut kennt, sagt man bestimmte Dinge nicht, sondern hält sie ein bisschen zurück und macht eine lächelnde Fassade. Das ist mir in Nordhessen oder Oberhessen noch nicht so häufig begegnet. Da sind die Leute vielleicht manchmal ein bisschen stoffeliger drauf, aber sie können dafür auch sehr herzlich sein. Es sind aber beides Regionen, in denen man mit den Menschen, glaube ich, gut auskommen kann.

Gibt es in Taiwan ein Fest, das in irgendeiner Weise dem Grenzgang in Biedenkopf ähnelt?

Die hiesigen Tempel veranstalten Prozessionen. An bestimmten Tagen werden die Figuren bestimmter Gottheiten durch die Straßen getragen – manchmal nur in der Nachbarschaft eines Tempels, manche Umzüge und Prozession ziehen sich aber auch über eine Woche hin zu verschiedenen Punkten auf der Insel mit sehr großen Distanzen. Dabei muss man manchmal 30, 40 Kilometer am Tag marschieren, das ist deutlich anspruchsvoller als der Grenzgang, dafür wird weniger Bier getrunken. Ich habe, als „Grenzgang“ in chinesischer Übersetzung herauskam, festgestellt, dass solche Feste, die eigentlich etwas sehr Spezielles sind, zugleich etwas Universales haben, was man in anderen Kulturen sehr gut versteht, weil es eben auch dort ähnliche Feste gibt. (Martina Biedenbach)

Zur Person
Stephan Thome wurde am 23. Juli 1972 in Biedenkopf geboren. Nach Zivildienst in Marburg studierte er Philosophie, Religionswissenschaft und Sinologie in Berlin, Nanking, Taipeh und Tokio. 2005 erschien unter dem Titel „Die Herausforderung des Fremden: Interkulturelle Hermeneutik und konfuzianisches Denken“ seine Dissertationsschrift. Von 2005 bis Mitte 2011 lebte Thome erstmals in Taipeh, wo er als DFG-Stipendiat am Institut für Chinesische Literatur und Philosophie der Academia Sinica tätig war. Er forschte über konfuzianische Philosophie des 20. Jahrhundert und übersetzte philosophische Werke. Sein Roman Grenzgang gewann 2009 den aspekte-Literaturpreis für das beste Debüt des Jahres und stand – wie auch sein zweiter Roman Fliehkräfte – auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis. 2014 wurde Thome von der Akademie der Künste Berlin mit dem Kunstpreis Literatur ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erhielt die Verfilmung des Romans Grenzgang den Grimme-Preis. Seit 2011 lebt und arbeitet Thome als freier Schriftsteller; derzeit lebt er mit seiner taiwanesichen Ehefrau in Taipeh.

Literarischer Frühling

Das Festival Literarischer Frühling in der Heimat der Brüder Grimm findet unter der Schirmherrschaft von Iris Berben und Stephan Thoome vom 24. März bis 2. April in Waldeck-Frankenberg statt. Das komplette Programm und Karten auf literarischer-fruehling.de/

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