Jemand habe bei ihren Eltern – beide Mitte 70 – angerufen, sich als Polizei ausgegeben und berichtet, dass die Tochter des Paares eine Frau in Frankenberg totgefahren habe. Dazu sei im Hintergrund des Anrufers die vermeintliche Stimme der Tochter zu hören gewesen, die immer wieder verzweifelt gerufen habe „Ich habe sie totgefahren, ich habe sie totgefahren“. „Meine Eltern haben wirklich geglaubt, dass ich das bin, die da ruft“, berichtete die 55-Jährige.
Die Betrüger hätten dann nach weiteren Telefonen und Handys im Haus gefragt und diese angerufen. „Damit alle Telefone belegt sind und niemand mich anrufen kann, um zu fragen, ob ich wirklich den Unfall verursacht habe“, erzählte die Frau weiter.
Die Betrüger hätten den Schock der Eltern dann ausgenutzt und erzählt, dass die Tochter wegen des Unfalls in Untersuchungshaft müsse. Die Eltern sollten 70.000 Euro als Kaution für die Tochter bezahlen. Weil sie so viel Geld nicht haben, wurden sie auf 40.000 Euro runtergehandelt. „Meine Eltern waren nah dran, zu bezahlen. Meine Nichte war schon auf dem Weg nach Frankenberg zur Bank“, erzählte die Frau.
Erst ein Patenkind, das zufällig ins Haus kam, habe den Betrug dann aufklären können. Ein Anruf mit dem Handy bei der Tochter des Paares habe nämlich gezeigt: Sie war an der Arbeit und hatte gar keinen Unfall. „Für meine Eltern war das aber trotzdem ein Trauma“, berichtete die Frau.
Sie habe den Fall der Polizei in Frankenberg gemeldet, die ihr berichtet habe, dass es an dem Vormittag schon mehrere Anzeigen wegen solcher Anrufe gegeben habe. Sie habe sich dann auch an die HNA gewandt, um andere vor dieser Betrugsmasche zu warnen. Wie nötig das ist, zeigte sich schon einen Tag später: Die Polizei in Marburg berichtete, dass am Donnerstag auch in Marburg-Biedenkopf mehr als 25 Menschen Betrugsanrufe nach dieser Masche erhalten haben.
Polizeisprecher Manuel Luxenburger von der Polizeidirektion Waldeck-Frankenberg berichtet, dass es für diese und andere Betrugsmaschen Callcenter im Ausland gebe. Die Mitarbeiter dort würden im Minutentakt bei verschiedenen Nummern anrufen, deshalb würden solche Fälle in der Regel in Wellen in einer Region auftreten, so wie am Mittwoch offenbar auch im Frankenberger Land.
„Diese Masche zielt komplett auf die Emotionen der Opfer ab“, erklärt Manuel Luxenburger. „Am Anfang ist oft eine weinerliche Stimme zu hören, die so etwas sagt wie ’Was habe ich getan’. Danach wird der Hörer an die vermeintliche Polizei weitergegeben.“ Im Laufe des Gesprächs werde Druck auf die Angerufenen aufgebaut. „Das zielt darauf ab, dass die Leute einbrechen und alle Warnhinweise, die sie eigentlich kennen, über Bord werfen“, sagt der Polizeihauptkommissar. „Die Betrüger, die anrufen, sind richtige Profis, unglaublich gut in geschickter Gesprächsführung geschult.“
Um sich vor solchen Anrufen zu schützen, gelten vor allem zwei Tipps, sagt Luxenburger: Sobald es darum geht, Geld zu bezahlen, sollte man sofort misstrauisch werden. Die Polizei fordere nie Geld am Telefon, per SMS oder Whatsapp. „Das gibt es nicht“, sagt Luxenburger. Und: Man sollte die Person, um die es geht, die zum Beispiel einen Unfall verursacht haben soll, selbst anrufen – und zwar auf der bekannten Nummer und sie fragen, ob es ihr gut geht. „Dann klärt sich der Betrug meist schnell auf.