Wie bereiten Sie sich auf die Omikron-Welle vor?
Wir sind optimal vorbereitet nach derzeitigem Wissenstand. Sollte es tatsächlich zu Personalausfällen aufgrund von Infektionen kommen, organisieren wir um. Das machen wir übrigens bisher schon. Wir belegen dann zum Beispiel Stationen nicht maximal, sondern mit weniger Patienten oder wir begrenzen die Zahl der Covid-Patienten, die wir behandeln. Das Land gibt da ja Vorgaben.
Wurde die Behandlung der Patienten im Laufe der Zeit vielleicht etwas leichter, weil die Medizin mehr Kenntnisse dazu gewann?
Ja, es ist einfacher. Es gibt Leitlinien, die setzen wir sofort um. Man muss sich natürlich ständig neu informieren und am Ball bleiben. Man darf nicht nachlassen, um Ausbrüche zu verhindern. Da machen wir viel Gutes durch die Teambildung: Alle ziehen beim Infektionsschutz mit. Dafür bin ich dankbar.
Es gibt ja mittlerweile Medikamente für Covid-Erkrankte. Was erwarten Sie von diesen?
Die beiden neuen Medikamente können eine weitere Hilfe sein, sie sind aber noch nicht in Deutschland zugelassen. Allerdings wird mit ihrem Einsatz nicht einfach alles gut. Auch diese Medikamente haben Nebenwirkungen. Wir alle müssen weiterhin vorsichtig sein. Wir träumen davon, dass sich das Virus mit der Omikron-Variante zu einer Art Schnupfenvirus abschwächt. Aber da sind wir noch nicht. Gerade ist von einer neuen, französischen Variante die Rede, die aus Afrika eingeschleppt wurde. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen weltweit die Möglichkeit erhalten, sich impfen zu lassen.
Befürchten Sie, dass viele Pflegekräfte wegen der Anstrengung dem Beruf den Rücken kehren?
Sollte die Pandemie noch lange weitergehen, weiß man nicht, ob generell in Krankenhäusern ein Exodus an Angehörigen von Pflegeberufen stattfindet. Wir sind alle erschöpft, wir möchten gerne, dass die Pandemie endet, aber wir sind nicht am Maximallimit angelangt.
Dr. Elisabeth Pryss (63), Fachärztin für Innere Medizin mit Zusatzbezeichnung Kardiologie und Master of Health Business Administration, leitet seit 2013 die Fachklinik für Inneres am Kreiskrankenhaus Frankenberg. Zuvor lebte sie 30 Jahre in Berlin, wo sie Studium und Ausbildung absolvierte. Nach leitender Tätigkeit in Brandenburg kam sie nach Frankenberg. Gebürtig stammt sie aus Medebach.
Dr. Hannes Gabriel (53) ist Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Kreiskrankenhaus Frankenberg. Auf seiner Intensivstation werden auch schwer erkrankte Covid-Patienten versorgt. Sie werden zum Beispiel in künstliches Koma versetzt und invasiv beatmet. „Das bedeutet einen hohen Aufwand“, sagt der Chefarzt. Die Pflegekräfte müssen eine extrem anstrengende Arbeit leisten, zum Beispiel die Patienten mehrfach am Tag umlagern. Und dabei tragen sie immer die komplette Schutzmontur, was die Anstrengung noch verstärkt.
„Unser Pflegepersonal ist erschöpft. Aber die derzeitige Situation ist nicht zu vergleichen mit der am Anfang der Pandemie“, sagt er. „Wir haben aus dem ersten Jahr der Pandemie gelernt und Personal aus dem OP-Bereich umverteilt, damit auf der Intensivstation mehr Personal zur Verfügung steht und auch eine Rufbereitschaft in der Nacht möglich ist. Das alles hat aber auch seinen Preis. Dafür haben wir unseren Operationsbetrieb von drei auf zwei Säle runtergefahren. Somit müssen wir planbare Operationen verschieben. Allerdings hat dies nicht allein nur mit der Pandemie zu tun. Das allgemein hohe Patientenaufkommen erforderte diesen Schritt.“
Stolz ist Dr. Gabriel auf das Management und die Teamarbeit der beiden Station, die hauptsächlich mit den Corona-Patienten zu tun haben. Bereichsleiter Mario Müller (Intensivstation) und Stationsmanagerin Martina Holderith (Station 3) leisteten, neben allen anderen Pflegekräften auch, Unvorstellbares und gingen über ihre Grenzen hinaus, sagt er.
Auch Dr. Gabriel betont die „emotionale Belastung durch die Nichtgeimpften“ für Ärzte und Pflegekräfte. „Alle Covid-Patienten, die in den letzten Wochen bei uns auf der Intensivstation waren, waren ungeimpft. Es sind leider auch zwei ungeimpfte Patienten verstorben“, schildert der Mediziner.
Sehr hilfreich bei der Versorgung der Covid-Patienten auf der Intensivstation ist seinen Angaben die Kooperation der nordhessischen Kliniken, die im Versorgungsgebiet I zusammengefasst sind. Zum einen tauschen sich die Ärzte in regelmäßigen Videokonferenzen aus, zum anderen ist ein Netz der Teamarbeit entstanden mit festen Strukturen, zum Beispiel beim Verlegen von Patienten, die an die Herz-Lungen-Maschine (ECMO) angeschlossen werden müssen.
„Diese Art von Zusammenarbeit hat es vorher nicht gegeben. Als Einzelkämpfer kämen wir nicht weit“, sagt Dr. Gabriel. (Martina Biedenbach)