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Rundgang an Korbacher Stadtmauer zeigt die große Vielfalt der Vogelstimmen

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Von: Wilhelm Figge

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Mit ihrem Gesang bereichern etwa Buchfink, Haussperling, Blaumeise und Amsel die Stadt.  Ralf Enderlein führte eine Gruppe entlang der Stadtmauer zu ihnen allen.
Mit ihrem Gesang bereichern etwa Buchfink, Haussperling, Blaumeise und Amsel die Stadt. Ralf Enderlein führte eine Gruppe entlang der Stadtmauer zu ihnen allen. © Wilhelm Figge

Der „quietschende Kinderwagen“ ist deutlich zu hören: ein sich in kurzen Abständen wiederholendes Geräusch, als bräuchte jemand etwas Öl. Doch es ist gerade einmal 9 Uhr an diesem trüben Sonntagmorgen.

Korbach- Es ist niemand zu sehen, der ein Kind spazieren schiebt – nur eine kleine Gruppe um den NABU-Vogelschutzbeauftragten Ralf Enderlein, der einigen Interessierten bei einer Tour entlang der Korbacher Stadtmauer die Vielfalt der heimischen Singvögel zeigt – was der Vogelexperte als „quietschenden Kinderwagen“ umschreibt, ist übrigens der Ruf des Girlitzes.Nie muss die Gruppe weit gehen, um einer weiteren Art zu begegnen. Der melodische Gesang der Amseln ist ein steter Begleiter, auch das Trillern der Meisen – bei der Kohlmeise noch mal deutlich länger als bei der Blaumeise. Mistel- und Singdrosseln sind auch zu hören. Die Amsel sei seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts in der Stadt häufig: Freie Flächen zur Nahrungssuche sowie Sträucher und Bäume zum Nisten kommen vielen Arten zupass. Reine Bodenbrüter seien seltener, an Felsen nistende Vögel wie der Hausrotschwanz kommen auch mit Häusern gut zurecht. Was genau eine Art anziehe oder wieder gehen lasse, sei schwierig zu sagen, so Enderlein – so kommt es auch zu besonderen Sichtungen wie der des Grünlaubsingers vor drei Jahren. Bundesweit gab es kaum Nachweise, Ornithologen reisten von weit her an.

Richtung Bleiche und Stadtpark kommt mehr Musik dazu: der härtere, abfallende Gesang des Buchfinks, die gequetschten Töne des Rotkehlchens. Die Mönchsgrasmücke ist melodisch wie die Amsel, singt aber länger. Und der Zaunkönig erweist sich für einen 9,5 Zentimeter großen Vogel als ziemlich stimmgewaltig. Enderlein erklärt, wie sich manche Gesänge erkennen lassen: Die Türkische Taube etwa gurrt mit drei Silben, die Ringeltaube mit fünf. Auch gut zu merken: Manche Vögel „singen ihren Namen“, etwa Zilpzalp und Stieglitz.

Der Gruppe begegnet ein Haussperling auf der Suche nach Nistmaterial. „Neubauten sind hermetisch abgeriegelt, er findet wenige Dachspalten zum Nisten“, erklärt Enderlein. Auch offene Futterstellen aus der Kleintierhaltung würden selten. Das führt zur Frage, ob das Vogelfüttern im Sommer gut oder schlecht ist: „Ich halte es für vertretbar, wenn die Futterstellen gut sauber gehalten werden.“ Durch unhygienische Zustände verbreiten sich Viren, wie sie vor wenigen Jahren die Grünfinken stark trafen.

Bei einem Abstecher in die Fußgängerzone übernehmen Haussperlinge kurz die Geräuschkulisse, an der Nikolaikirche geben die Dohlen den Ton an: Die kleinen Verwandten der Rabenkrähe gehören wie diese zur Unterordnung der Singvögel – besonders musikalisch zeigen sie sich freilich nicht. Dafür umso kämpferischer, wenn sie die Krähen vom Kirchturm vertreiben. 18 Nistkästen haben sie dort, zusammen mit je vier an Kilians- und Marienkirche. So kamen in den vergangenen Jahren je über 80 Jungtiere zusammen. Es ist eine Rückkehr: „Die Korbacher wurden Dohlen genannt. Das deutet darauf hin, dass die Dohle hier ein Charaktervogel war“, sagt Enderlein. Das galt wohl bis in die 1950er oder 60er Jahre.

Nicht leicht mit den Lebensbedingungen hat es der Kleiber, berichtet der Experte im Totenhagen: Grobborkige Bäume braucht der Vogel, der die von Spechten geschaffenen Löcher bezieht und für sich passend zuklebt: „Da blutet einem das Herz, wenn alte Bäume rausgenommen werden. Die sind nicht schnell zu ersetzen.“ In einem Nadelgehölz raschelt der kleinste Vogel Europas, das Sommergoldhähnchen. Bloß der steuert zum Konzert nicht viel mehr als ein „Tstststs“ bei: „Er will wohl noch nicht“, so Enderlein.

Die Tour endet an der Kilianskirche unter dem wachsamen Blick des Wanderfalken. Der war, nachdem das Pflanzenschutzmittel DDT Eierschalen brüchig werden ließ, fast ausgestorben. 2010 installierten Kirche und NABU einen Nistkasten. Das trug dazu bei, die Population des Wanderfalken aufzufangen – und macht ihn zu einem weiteren der gefiederten Bewohner der Hansestadt.

Von Wilhelm Figge

Mit ihrem Gesang bereichern etwa Buchfink, Haussperling, Blaumeise und Amsel die Stadt.  Ralf Enderlein führte eine Gruppe entlang der Stadtmauer zu ihnen allen.
Mit ihrem Gesang bereichern etwa Buchfink, Haussperling, Blaumeise und Amsel die Stadt. Ralf Enderlein führte eine Gruppe entlang der Stadtmauer zu ihnen allen. © Wilhelm Figge

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