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Korbach: „Wir müssen gegen Gleichgültigkeit kämpfen“

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Von: Marianne Dämmer

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Barrierefreie Zukunft: Wie sie zu gestalten ist, dazu hatten (von links) Martina Karl, Josefine Rohe, Anja Vogt und Dietmar Hillesheim viele Vorschläge.
Barrierefreie Zukunft: Wie sie zu gestalten ist, dazu hatten (von links) Martina Karl, Josefine Rohe, Anja Vogt und Dietmar Hillesheim viele Vorschläge. © Marianne Dämmer

Wie steht es um die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen im Alltag, in Ausbildung, Beruf und Gesellschaft? Wo läuft es, wo wird gebremst? Diesen Fragen gingen drei Expertinnen und Experten bei der Podiumsdiskussion „Barrierefreie Zukunft mitgestalten“ nach, die im Bürgerhaus veranstaltet wurde. Anlass war der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai.

Korbach – Eingeladen hatte die Beratungsstelle „Blick-Punkt-Auge“ (BPA) des Blinden- und Sehbehindertenbundes mit Unterstützung der Beratungsstelle EUTB (Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung, Korbach). Kenntnisreich Auskunft gaben Josefine Rohe und Anja Vogt vom Integrationsfachdienst des Kreisverbands der Treffpunkte Waldeck-Frankenberg und der ehrenamtliche Berater Dietmar Hillesheim, Leiter der Blick-Punkt-Auge Beratungsstelle Kassel-Nordhessen.

„Eine Kluft zwischen Anspruch auf Gleichberechtigung und Wirklichkeit“ stellte Martina Karl vom EUTB in ihrer Begrüßung fest, die auch Moderator Jürgen Damm, Präsident der Aktion für behinderte Menschen Hessen, sah: „Es gibt noch viel zu tun. Auf viele Behinderungen muss immer wieder hingewiesen werden, wir müssen gegen Gleichgültigkeit kämpfen“.

Josefine Rohe arbeitet in der 2022 bundesweit geschaffenen „Einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber“ (EAA), die Arbeitgebern Rat und Unterstützung bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung bieten, initiiert von Arbeitgeberverband und Sozialministerium. Das sei ein Fortschritt. Es gebe noch Betriebe in Waldeck-Frankenberg, die keine behinderten Menschen eingestellt hätten. Die geplante Erhöhung der Ausgleichsabgabe auf 720 Euro pro Monat werde das wohl ändern; dabei sei wichtig, dass es menschlich und arbeitsfachlich passe. Das bestätigte Anja Vogt, die seit 26 Jahren im Integrationsfachdienst Menschen mit Behinderungen dabei begleitet, sich (wieder) in den Arbeitsmarkt zu integrieren und langfristig den Arbeitsplatz zu sichern: „Wenn es dem Betrieb nur darauf ankommt, die Quote zu erfüllen, nützt das niemandem.“ Oft mangele es an passender technischer Ausstattung, erklärte Dietmar Hillesheim, der vollständig erblindet ist, bei der Justiz tätig war und seit vielen Jahren Blinde und Sehbehinderte berät.

Ein Beschleuniger auf dem Weg der Gleichstellung sei der hohe Fachkräftemangel, erklärte Josefine Rohe. Beschleuniger seien zudem alle, die am gleichen Strang ziehen für angepasste Strukturen und passgenaue Arbeitsplätze, sagte Anja Vogt. Für Blinde und Sehbehinderte seien Beschleuniger korrekt verlegte Bodenindikatoren, Aufzüge mit Sprachausgabe, markierte Treppenstufen, akustische Ampeln und vieles mehr, zählte Hillesheim auf. Verwaltungen und Bauherren sollten sich unbedingt vor einer Ausführung von Betroffenen beraten lassen.

Bremser seien Barrieren in den Köpfen, die Personalschlüssel in Pflege- und Erziehungsberufen – Menschen mit Behinderung sollten nicht unter den Schlüssel fallen. Für Jugendliche, bei denen das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) diagnostiziert wurde, sollte es in Handwerksberufen eine theorie-reduzierte Ausbildung geben. Die Bearbeitung von Förderungen wie die Anerkennung von Behinderungen dauere viel zu lange, zählten die Experten auf.

Die Beratungsstellen BPA und EUTB in Korbach, Tränkestraße 15, sind unter Tel. 05631/5048728 erreichbar.

Von Marianne Dämmer

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