Gemündener Michael Stehl hilft im Erdbebengebiet in der Türkei

Nach dem schweren Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion ist die Solidarität weltweit groß. Schon wenige Stunden nach der Katastrophe am Montag machten sich Hilfsorganisationen aus vielen Ländern auf den Weg in das Erdbebengebiet.
Gemünden – Zu den unzähligen Helfern gehört auch Michael Stehl aus Gemünden. Der 34-jährige ehrenamtliche Feuerwehrmann ist Mitglied der gemeinnützigen Hilfsorganisation ISAR Germany. Sie wurde im Jahr 2003 in Duisburg gegründet und kommt weltweit zum Einsatz.
Der Name ISAR steht für „International Search-and-Rescue“ und ist ein Zusammenschluss aus Spezialisten verschiedener Hilfsorganisationen und dem Bundesverband Rettungshunde.
Bereits seit Dienstag befindet sich Stehl in der türkischen Stadt Kirikhan in der Provinz Hatay nahe der Grenze zu Syrien. In der in vielen Teilen zerstörten 120 000-Einwohner-Stadt sucht der 34-Jährige zusammen mit Kolleginnen und Kollegen in betroffenen Bereichen fieberhaft nach Überlebenden. Mit Trümmerkameras, Bio-Radaren und sieben Spürhunden kämpfen sie sich durch bergeweise Schutt. Inmitten von Trümmern herrschen Not und Leid. Die Lage ist gefährlich und kompliziert.
Erste Erfolge gab es schnell. Kurz nach der Ankunft wurden drei Menschen aus einem riesigen Schuttberg befreit. Zwei waren 50 Stunden unter den Trümmern eingeschlossen. „Das spricht sich hier schnell herum“, schilderte Stehl in einem Interview mit dem deutschen Fernseh-Nachrichtensender n-tv. Entsprechend intensiv seien die Hilfsanfragen an die Retter.
„Wir können aber nicht an mehreren Orten gleichzeitig sein“, bedauert der Retter aus der Wohrastadt. So gern sie dies auch tun würden. „Wir machen eine Sache fertig und gehen dann zur nächsten.“
Michael Stehl gräbt im Schichtsystem mit. Darüber hinaus kann er aber auch bei der Versorgung von Verletzten mithelfen. Denn er ist im Hauptberuf Notfallsanitäter beim Kreisverband Frankenberg des Deutschen Roten Kreuzes.
Eile ist grundsätzlich geboten, auch wegen der Minustemperaturen nachts. Die Überlebenschancen von Verschütteten sind in einem Zeitfenster von 72 Stunden am höchsten, heißt es. Aber auch Behutsamkeit ist gefragt. Denn jede falsche Bewegung in den Trümmern ist für die lebendig Verschütteten wie auch für die Retter lebensgefährlich.
Groß ist die Freude, wenn zwischen Schutt und Steinen ein Mensch gerettet wurde. Genauso groß ist aber auch die Trauer, wenn nach stundenlangem, gefährlichem Einsatz ein anderer Verschütteter, mit dem man dabei sehr lange in Kontakt stand, nur noch tot geborgen werden konnte. In solch einem Fall ist der Frust der Retter riesengroß. Dramatische Szenen spielen sich dann unter den Angehörigen ab.
Doch die Helfer geben nicht auf. Sie arbeiten bis zur Erschöpfung, um Opfer der Erdbebenkatastrophe zu bergen. Sie kämpfen mit Hammer, Sägen und anderen Werkzeugen durch Beton, Stahl, durch Möbel und andere Gegenstände. Sie trotzen dem Wind und den eiskalten Temperaturen. Für die Helfer zählt jede Minute.
Dieser unermüdliche Einsatz ist selbst dann nicht vergebens, wenn jede Hoffnung bereits geschwunden ist. So wurde am Freitag sogar nach mehr 100 Stunden eine Frau aus den Trümmern eines eingestürzten Hauses gerettet. Die Teams von ISAR Germany, ISAR Turkey und dem Bundesverband Rettungshunde hatten fieberhaft daran gearbeitet, die Verschüttete lebend aus den Trümmern zu befreien.
Die Retter werden voraussichtlich 14 Tage in dem Erdbebengebiet bleiben. Dies berichtete Michael Stehls Vater Harald am Freitag gegenüber der HNA. Untergebracht seien die Helfer in Zelten. Er wolle versuchen, telefonischen Kontakt zu seinem Sohn zu bekommen. Dies sei wegen der schlechten technischen Verbindung aber nicht einfach.
Harald Stehl: „Ich mache mir natürlich Sorgen um meinen Sohn, denn dieser Einsatz kann auch für die Helfer lebensgefährlich sein. Angst habe ich aber nicht, denn Michael weiß, was er macht. Er ist sehr umsichtig, verantwortungsbewusst und realistisch in der Einschätzung einer Gefahrenlage. Er brennt dafür, Menschen in Not zu helfen.“