Die alleinerziehende Mutter, die Stärke bezieht aus der positiven Entwicklung ihrer Kinder, findet sich ebenso, wie der Sohn mit türkischstämmigen Wurzeln, der zum ersten Mal mit seiner Mutter über die emotional belastende Trennung redet, als sie wegen der Arbeit dem Vater nach Deutschland folgte, während der kleine Junge bei Verwandten in der Türkei blieb, weil die Eltern doch zurückkehren wollten.
Die Vater-Mutter-Kind-Historie nach klassischem deutschen Verständnis spiegelt sich wider. Etwa in dem Mann, den das Ultimatum seiner Frau wegen seines Alkoholkonsums aufrüttelte. Er widmete sich seiner Familie, wechselte wegen besserer Bezahlung von Job zu Job, um die Existenz der Familie zu sichern. Im Umkehrschluss erzählt eine Frau von ihrem Leben, in dem sie sich fast immer den Wünschen ihres Mannes und dessen Eltern fügte bis hin zu der Zeit, in der sie die Pflege des Schwiegervaters im Alter übernahm, der das für selbstverständlich erachtete.
Eine Mutter erzählt ihrem Sohn, wie schwer es ihr fiel, wegen des Berufes des Vaters aufs Land umzuziehen. Ein Flüchtling, der als Jugendlicher ohne Familie vor einem Krieg nach Deutschland floh, schildert Erfahrungen von Rassismus wie Hilfsbereitschaft.
Der 93 Jahre alte Schwiegervater berichtet von seiner Zeit als 15-jähriger Flakhelfer im Zweiten Weltkrieg: „Ich war körperlich gesund und hatte Spaß daran, diese Tätigkeit auszuführen.“ Verführung, Verdrängung, Überzeugung? Die Schwiegertochter lässt die Frage offen. Die Familie habe ihm Geborgenheit gegeben, Krieg und Nachkriegszeit zu bestehen, sagt der alte Mann.
Dem steht die Geschichte einer Albanerin zur Seite. Als Siebenjährige verlor sie 1997 bei bürgerkriegsähnlichen Zuständen ihre Kindheit, als sie auf ihre kleine Schwester aufpassen und Stunden warten musste, ob die Mutter auf der Suche nach Essen heil aus den umkämpften Straßen zurückkehren würde. (Matthias Schuldt)
Buchtipp: Matthias Epperlein-Trümner: Fragen, die noch gestellt werden wollen, Norderstedt 2022, ISBN: 978-3-7562-6116-1