Erinnerungen an das Kriegsende
Zeitzeuge Heinz Peter aus Hatzfeld kam 1945 als 16-Jähriger zu Fuß nach Hause
Im Oktober 1944 wurde Heinz Peter noch als 15-Jähriger eingezogen, musste mit anderen Jugendlichen am Westwall Panzergräben ausheben, im zerbombten Kassel als Meldeläufer Schreckensnachrichten überbringen, am Edersee eine Vierlingsflak bedienen, bevor endlich im Frühjahr 1945 die Amerikaner einmarschierten und den grausamen Krieg beendeten.
Hatzfeld – Solche Bilder stehen dem 1928 in Hatzfeld geborenen ehemaligen Eisenbahner Heinz Peter vor Augen, wenn er von seinem sechswöchigen Fußmarsch zurück in die Heimat berichtet, jeden Tag 40 Kilometer, bis er erschöpft, aber glücklich sein Elternhaus erreichte. „Unsere Kühe waren noch im Stall, ich durfte wieder mit aufs Feld.“
Noch ein paar Tage zuvor, am 28. März 1945, hatten englische Flugzeuge Hatzfeld bombardiert, fünf Menschen waren umgekommen. „Dem Hatzfelder Bahnhof war nichts passiert. Ich traf ihn so an, wie ich ihn verlassen hatte“, berichtet der 92-Jährige. Er kann sich an jedes Detail vor 75 Jahren erinnern. Heinz Peter, von 1970 bis 1983 Bahnhofsvorsteher in Hatzfeld, hatte dort während des Krieges seine Ausbildung bei der Deutschen Reichsbahn begonnen. Er ist in Deutschland einer der letzten Zeitzeugen, die mit Hitlers „Vergeltungswaffe 2“, kurz: „V2“, in Berührung kamen.
Er arbeitete zunächst als „Jungwerker“ in der Rotte bei der Bahnmeisterei Berleburg, dann im Hatzfelder Bahnhof und erlebte dort streng geheime, nächtliche Verladeaktionen: Er half beim Rangieren mit, wenn die langen Eisenbahnzüge mit 120 Achsen in Holzhausen geteilt und nach Hatzfeld geschoben wurden. Auf den Güterwagen bedeckten Zeltplane die langen V2-Raketenkörper.
Außerhalb der Stadt in Richtung Beddelhausen lagerten im Wald die Sprengköpfe für diese Raketen, die mit Flaschenzügen und einem Verladekran jeweils auf frei gehaltene Flächen zu den Raketenkörpern auf den Zug geladen wurden. „Der Zug musste mit Lichtsignalen punktgenau unter diesen Kran rangiert werden“, erzählt Peter.
Etwa 60 Wehrmachtssoldaten waren in Hatzfeld an dieser „Komplettierungsstelle“ mit dem Decknamen „Carmen“ stationiert. Von hier aus rollten die von der Nazi-Propaganda als „Wunderwaffe“ gepriesenen Fernlenk-Geschosse in Richtung Westen. Die letzten V2-Raketen, so hat die AG Luftkrieg Ederbergland ermittelt, wurden aus dem Westerwald verschossen. In Hatzfeld diente der pensionierte Bahnbeamte Heinz Peter der Forschergruppe als ortskundiger Augenzeuge.
Als der inzwischen 16-Jährige bei Kriegsende 1945 seine Heimatstadt erreichte, fand er im Dodenauer Tunnel noch Reste der letzten V2-Transportzüge vor, die von den Amerikanern wenige Tage zuvor bei ihrem Einmarsch im April erbeutet hatten. Ein solcher Raketenzug hatte auch am 29. April 1945 am Bahnhof Bromskirchen angehalten, weil eine Dampflok Wasser fassen musste. Auch hier wurde der Zug geteilt.
Sein erster Teil erreichte zwar unbeschadet den Tunnel bei Brilon-Wald, wurde aber dort später festgesetzt. Panzer der 3. US-Panzerdivision tauchten an diesem Aprilmorgen bei Bromskirchen auf, feuerten auf die Lok, und die Wachmannschaften flohen. Auf diese Weise, so erfuhr Heinz Peter später, erbeuteten die Amerikaner zehn Güterwaggons mit etwa neun V2-Raketen – begehrte Technik, die über Antwerpen nach Amerika transportiert und dort für die Raketenentwicklung ausgewertet wurde.
Am Bahntunnel bei Bromskirchen, beliebter Teil des Ruhr-Eder-Radweges, erinnert eine Infotafel an die Aufbringung des V2-Zuges kurz vor Kriegsende 1945.