Kellerwald-Edersee: Schutz der Weidetiere vorm Wolf ist schwierig

Rund 400 Gäste besuchten die Info-Veranstaltungen von Nationalpark und Kreisbauernverbänden (KBV) zur Ausbreitung des Wolfes im Kellerwald am Edersee.
Das Publikum setzte sich zum größten Teil aus Reihen der heimischen Weidetierhaltung und der Landwirtschaft allgemein zusammen. Die Referate drehten sich schwerpunktmäßig um Elektrozäune und Herdenschutzhunde sowie Fragen der Entschädigung.
„Der wolfsabweisende Elektrozaun wird Standard“, zeigte sich Herdenschutzberaterin Elke Steinbach von der niedersächsischen Landwirtschaftskammer überzeugt. Denn Zäune ohne Strom erkunde der Wolf so lange, bis er irgendwann irgendwo eine Schwachstelle entdecke.
„Der erste Schlag muss sitzen“ bei Elektrozäunen gegen Wölfe
Geeignete Elektrozäune müssen dabei gehobenen Anforderungen gerecht werden im Vergleich zu dem, was bislang gang und gäbe ist; stationär wie mobil. „Der Wolf sucht sich leichte Beute, ob Wild oder Haustier“, sagte Arnd Ritter vom Landesbetrieb Landwirtschaft. Deshalb müsse „der erste Schlag sitzen.“ Und das immer, sobald der Wolf einem Elektrozaun zu nahe komme: „Der Zaun muss unten dicht sein, damit der Wolf ihn nicht untergräbt.“
2000 bis 5000 Volt muss der Zaun führen, um dem Wolf über den Schmerz beizubringen: „Hier droht Gefahr“. Täglich rund um die Uhr muss die Spannung reichen, auch bei zu trockenem, zu feuchtem und zu kaltem Wetter. Zu hohes Gras am Zaun senkt die Spannung ebenfalls. Er müsse also ständig überwacht und gewartet werden, mahnte Elke Steinbach.
Elektrozäune gegen Wölfe bedeuten beträchtlichen Mehraufwand für Weidetierhaltung
Aus all diesen Gründen stellen solche Elektrozäune bereits einen beträchtlichen Mehraufwand dar – erst recht für die in Waldeck-Frankenberg verbreiteten, kleinen Weidetierhaltungen. Hügeliges Gelände mit vielen Hecken, Säumen, Bächen und einem schwer zu bearbeitenden Boden „machen den Zaunbau allgemein zu einer echten Quälerei“, beschrieb Karlfried Kuckuck vom Fachdienst Landwirtschaft des Kreises aus eigener Erfahrung. Im unwegsamen Gelände sei Einsatz von Geräten schwierig und Handarbeit gefordert.
Elektrozäune gegen Wölfe schützen, aber Effekt schwächer als erwartet
Welchen Effekt erzielen wolfsabweisende Elektrozäune? „Die Zäune schützen“, sagte Elke Steinbach. Zwei Drittel der Wolfsrisse entfielen in Niedersachsen auf unzureichend gesicherte Herden. Als Teil der Wahrheit benannte sie allerdings auch diesen Umstand: Praktisch nicht geschrumpft ist die absolute Zahl belegter Wolfsattacken mit Verlusten an Weidetieren, denn parallel habe sich der Wolf in Niedersachsen exponentiell vermehrt.
„Niedersachsen ist uns bei der Entwicklung des Wolfes und der damit verbundenen Probleme um zehn Jahre voraus“, unterstrich Matthias Eckel, Geschäftsführer des KBV Frankenberg dazu. Aktuell 44 Rudel und damit etwa 400 Tiere leben und jagen im Nachbarbundesland.
Elektrozäune gegen Wölfe: Mehraufwand in Archeregion Kellerwald schwer zu stemmen
Für die vielen Halter und Züchter mit geringen Tierzahlen in der Arche-Region münden die Anforderungen in schwer zu stemmenden Aufwand. Die Mehrzahl von ihnen nennt ihre Tiere beim Namen, geht einem Hauptberuf nach, und die Haltung ist schon jetzt finanziell sehr auf Kante genäht.
Der Ziegen- und Schafzüchter Thomas Scheerer aus Frankenau hat vor einigen Jahren im kleineren Umfang einen Vorgeschmack erhalten. „Anfangs hatte ich einen Luchs in Verdacht“, erzählt er, doch dann stellte sich heraus, dass in einer Saison ein großer Fuchs mehrere Lämmer von der Weide holte. Schon damals rüstete Scheerer daher seinen Elektro-Zaun auf.
Herdenschutzhunde als Alternative zur Abwehr von Wölfen?
Gibt es Alternativen? „Wer Herdenschutzhunde einsetzen möchte, kann das tun, muss sich aber über den hohen Aufwand in der Anschaffung und im Unterhalt im Klaren sein“, erläuterte Elke Steinbach. An Herdenschutzhunde als Alternative oder zusätzliche Sicherheit ist für die kleinen Halter vor diesem Hintergrund kaum zu denken. Der hauptberufliche Schäfer und Vorsitzende des Schafzuchtverbandes Kurhessen, Matthias Bauch, setzt die Hunde ein und erklärt an einem Detail, wie viel zu beachten ist:
„Ich muss sie getrennt von den Hütehunden in einem gesonderten Hänger zum Standort der Herde bringen.“ Die Herdenschutzhunde wollten sonst die Schafe auch vor den Hütehunden beschützen. Die Ausbildung der Herdenschutzhunde ist anspruchsvoll. Der Umgang mit ihnen erfordert den Erwerb spezieller Sachkunde. „Weil der Kauf der Hunde gefördert wird, sind die Kaufpreise inzwischen stark gestiegen“, berichtet Arnd Ritter.
Regierungspräsidium wirbt dafür, Anträge auf Förderung der Elektrozäune zu stellen
Bislang wurden durchziehende Jungwölfe in der Region gesichtet, und im Februar gab es bei Bad Arolsen einen ersten, nachgewiesenen Riss. Richard Rust vom Regierungspräsidium wirbt dafür, nicht zu warten, bis der Druck wächst, sondern die Förderanträge etwa für Elektrozäune jetzt einzureichen. 80 Prozent beträgt die Zuschussquote. Zugleich stützten die Antragsteller das Absichern solcher Mittel für künftige Etatberatungen im Land.
Ab 1. April können Schaf- und Ziegenhalter in ganz Hessen Anträge stellen. Der überwiegende Anteil der Wolfsangriffe richtet sich gegen ihre Herden, zeigen die Erfahrungen aus Niedersachsen & Co. Rinder- und Pferdehalter und -züchter profitieren vom Zuschuss nur in Regionen, in denen Wölfe die großen Tiere oder deren Junge schon getötet haben. (Matthias Schuldt)