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Waldeck-Frankenberg: Landkreis kann ab sofort 56 neue Stellen schaffen

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Von: Philipp Daum

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Herzlich willkommen heißt es auf einem Schild vor dem Kreishaus in Korbach. Das gilt natürlich auch für neue Mitarbeiter, die nach dem Verzicht auf den Sperrvermerk nun wieder eingestellt werden können.
Herzlich willkommen heißt es auf einem Schild vor dem Kreishaus in Korbach. Das gilt natürlich auch für neue Mitarbeiter, die nach dem Verzicht auf den Sperrvermerk nun wieder eingestellt werden können. © PR

Der Landkreis Waldeck-Frankenberg kann ab sofort neue Stellen schaffen. Die Regierungskoalition aus CDU und SPD zog in der Kreistagssitzung in Korbach den Sperrvermerk für Personalausgaben in Höhe von zwei Millionen Euro zurück.

Stattdessen wird der Kreisausschuss mit dem am Montag mehrheitlich verabschiedeten Haushalt aufgefordert, die Personalsituation zu analysieren – mit dem Ziel, die Organisations- und Aufgabenstruktur in der Kreisverwaltung zu überprüfen.

Wie berichtet, war der Stopp für neue Stellen wegen des starken Aufgabenzuwachses beim Landkreis nicht nur von Landrat Jürgen van der Horst, sondern auch von Grünen, Freien Wählern, der FDP und den Linken im Kreistag heftig kritisiert worden.

Nun die 180-Grad-Wende bei der Großen Koalition, deren Fraktionschefs sich zum Teil unterschiedlich zu den Gründen äußerten. „Wer sich den Ergebnishaushalt anschaut, dem fällt auf, dass der Landrat mit 56 zusätzlichen Stellen aufhorchen lässt. Das verursacht mit fast sechs Millionen Euro Mehraufwand eine Steigerung der Personalkosten auf stolze 56 Millionen Euro“, sagte Timo Hartmann (CDU). Rechne man dies auf die Mitarbeiterzahl in der Kreisverwaltung herunter, gebe es einen Stellenzuwachs von satten 13 Prozent in diesem Jahr. Das habe es noch nie gegeben.

Timo Hartmann, CDU-Fraktionsvorsitzender im Kreistag
Timo Hartmann, CDU-Fraktionsvorsitzender im Kreistag © PR

Hartmann betonte, dass die Debatte um den Sperrvermerk „zu einem Aufwachen beim Landrat“ geführt habe. „Es ist wichtig, dass wir gute Mitarbeiter in der Verwaltung haben und dass die Verwaltung ihren Aufgaben gerecht werden kann“, sagte er. Mit dem Verzicht auf den Sperrvermerk hätten sich CDU und SPD einen großen Schritt auf den Landrat zubewegt.

Bei den Zahlen hatte SPD-Fraktionschef Karl-Heinz Kalhöfer-Köchling weniger den Landrat, sondern mehr die Notwendigkeit neuer Stellen im Blick – und mancher in der Korbacher Stadthalle wunderte sich darüber, dass sich Kalhöfer-Köchling und Timo Hartmann vorige Woche noch einmütig für den Sperrvermerk ausgesprochen hatten.

Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion
Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion © PR

„Es sind Stellenmehrungen notwendig, um die vielfältigen Aufgaben des Landkreises quantitativ und qualitativ zu erfüllen“, sagte Kalhöfer-Köchling. Die Pandemie werde vermutlich über den Haushalt 2023 hinaus Auswirkungen auf Personalausstattung und -etat haben. Entscheidend bei der Beurteilung, ob es zu wenig oder zu viel Personal beim Kreis gebe, sei zudem die Personalaufwandsquote – hier liege der Kreis trotz Stellenzuwachs weiter im Mittelfeld der hessischen Landkreise. „Wir sind daher angemessen unterwegs. Die Steigerung und der Stellenplan in diesem Jahr finden die volle Unterstützung der SPD-Fraktion“, sagte Kalhöfer-Köchling.

„Der Landrat kann viel, aber nicht zaubern“ 

Doppelstrukturen vermeiden, Arbeitsabläufe in der Kreisverwaltung effektiver gestalten: Die Hauptziele von CDU und SPD, die anstelle eines Sperrvermerks nun auf eine intensive Analyse setzen, die parallel zur Schaffung neuer Stellen in der Kreisverwaltung stattfinden soll, wurden in der Haushaltsdebatte am Montag im Kreistag ebenfalls schnell klar: Auch die übrigen Fraktionen tragen die Forderung nach einer Überprüfung mit, die jetzt auch Bestandteil des verabschiedeten Haushalts 2023 ist. Der Kreisausschuss soll dem Kreistag in der Sitzung am 11. September 2023 einen ersten Sachstand zur Analyse im Bereich Personal vorlegen.

Die Opposition erinnerte aber auch noch einmal daran, dass Landrat Jürgen van der Horst ohnehin ein umfangreiches Personalmanagement für die Kreisverwaltung angekündigt habe und der Sperrvermerk daher weder nachvollziehbar noch notwendig gewesen sei. „Jürgen van der Horst hat das gehalten, was er versprochen hat. Eine neue, modernere Verwaltungsstruktur und -kultur ist auf den Weg gebracht. In manchen Bereich vielleicht noch in kleinen Anfangsschritten. Aber die Richtung stimmt“, sagte Jochen Rube, Vorsitzender FDP-Kreistagsfraktion. „Sich hier hinzustellen, einen auf staatsmännisch zu machen und sich dafür feiern zu lassen, dass man den Antrag mit dem Sperrvermerk nun zurückgezogen hat, ist doch eine fragwürdige Herangehensweise“, fügte Rube in Richtung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Timo Hartmann hinzu.

„Der Sperrvermerk in Höhe von zwei Millionen Euro beim Personalbudget war aus unserer Sicht falsch“, sagte Sandra Deutschendorf, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen. Es sei daher gut, dass der Antrag der Großen Koalition zurückgezogen wurde. „Die Erhöhung der Personalkosten kommt nicht nur durch neue Stellen, sondern auch durch den kommenden Tarifabschluss zustande“, sagte Deutschendorf. Das sei eine große Herausforderung für die kommunalen Haushalte, zugleich aber auch ein wichtiges Zeichen an die Mitarbeitenden, die hervorragende Arbeit leisteten und die in Zeiten von Inflation auch ein gutes Gehalt haben müssten.

„Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder ein qualifiziertes Personalentwicklungskonzept gefordert“, sagte Uwe Steuber, Fraktionschef der Freien Wähler. Die Große Koalition von CDU und SPD habe dieses Thema nun für sich entdeckt und erkannt, dass ein schmales Personalentwicklungskonzept, wie es in der Vergangenheit aufgestellt gewesen sei, eben nicht ausreiche, um den Landkreis in die Zukunft zu führen.

„Wir sind froh, dass der Landrat jetzt nicht mehr die Fesseln angelegt bekommt und dass wieder mit den Stellenausschreibungen begonnen werden kann“, so Steuber. Jürgen van der Horst erhalte somit das notwendige Handwerkszeug, um seine Arbeit weiterzuführen. Der Landrat könne zwar viel, aber zaubern könne er nicht. Er benötige auf seinem Weg die Unterstützung des Kreistags.

Die AfD äußerte sich nicht explizit zum Sperrvermerk, sondern zeigte sich lediglich verwundert über die Entwicklungen der vergangenen Tage. „Ich stelle mir die Frage: Welche Rückschlüsse lässt das zu in puncto Reaktionszeit der Fraktionen“, fragte Fraktionschef Stefan Ginder.

„Wir stellen fest, dass der neue Haushaltsansatz das Personal effektiver nutzt, als der alte“, sagte Regina Preysing (Linke). Entscheidend sei zudem, dass für die gedeihliche Arbeit in den Kommunen und beim Kreis das Lohn- und Gehaltsniveau stimme.

Unverständnis zeigt Wirkung

Ein Kommentar von WLZ-Redakteur Philipp Daum

Philipp Daum, WLZ-Redakteur
Philipp Daum, WLZ-Redakteur © Artur Worobiow

Eines vorweg: Der Verzicht von CDU und SPD auf den Sperrvermerk bei den Personalausgaben in Höhe von zwei Millionen Euro ist der einzig richtige Schritt gewesen. Eine Blockade für die notwendige Schaffung von Stellen in der Kreisverwaltung ist somit nicht mehr vorhanden – Landrat Jürgen van der Horst kann seine geplante Neustrukturierung beim Personal somit unverzüglich angehen und sie mit zusätzlichen Stellen unterfüttern. Angesichts des Aufgabenzuwachses beim Landkreis in den Bereichen Flüchtlingshilfe, Soziales und Gesundheit ist dies auch notwendig.

Das Bild, was die Regierungskoalition im Kreistag in den vergangenen Tagen allerdings abgegeben hat, wirft folgende Frage auf: Ist die Zusammenarbeit zwischen CDU und SPD noch von uneingeschränktem Vertrauen gekennzeichnet?

Wer sich die Haushaltsreden der beiden Fraktionschefs genau angehört hat, konnte feststellen, dass sich CDU-Fraktionschef Timo Hartman lieber dafür abklatschen ließ, dem Landrat mal beim „Aufwachen“ geholfen zu haben, während sich Karl-Heinz Kalhöfer-Köchling für das Vorgehen seiner SPD-Fraktion beinahe entschuldigt hat. Die Dankesworte des SPD-Fraktionsvorsitzenden an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreisverwaltung für deren „herausragende Arbeit“ wollten gar nicht mehr enden. Von einem Einsatz „über das normale Maß hinaus für die Bürgerinnen und Bürger in Waldeck-Frankenberg“ war die Rede.

Kalhöfer-Köchling liegt damit natürlich nicht falsch. Aber die Worte sind wohl auch eine Antwort auf das große Unverständnis über den Sperrvermerk, das sich unter den Beschäftigten des Landkreises breit gemacht hatte.

Doch warum ist die SPD den Weg des Stellen-Stopps anfangs überhaupt so konsequent mitgegangen? Aus der SPD ist zu hören, dass die CDU mit dem Sperrvermerk vorgeprescht sei und sich Kalhöfer-Köchling nur deswegen darauf eingelassen habe, um die Koalition nicht zu gefährden. Das ist aber eher keine Basis für eine gute, inhaltliche Zusammenarbeit.

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