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Landwirte fordern „mehr gesunden Menschenverstand“

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Von: Susanna Battefeld

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Neujahrsempfang der Kreisbauernverbände Waldeck und Frankenberg: (von links) Landrat Jürgen van der Horst, der Vorsitzende des KBV Frankenberg, Olaf Fackiner, Bauernpräsident Karsten Schmal, der Vorsitzende des KBV Waldeck, Heiko Kieweg sowie die Geschäftsführer Matthias Eckel (Frankenberg) und Andrea Bohle (Korbach).
Neujahrsempfang der Kreisbauernverbände Waldeck und Frankenberg: (von links) Landrat Jürgen van der Horst, der Vorsitzende des KBV Frankenberg, Olaf Fackiner, Bauernpräsident Karsten Schmal, der Vorsitzende des KBV Waldeck, Heiko Kieweg sowie die Geschäftsführer Matthias Eckel (Frankenberg) und Andrea Bohle (Korbach). © Susanna Battefeld

Corona-Krise, Krieg in der Ukraine, Auswirkungen des Klimawandels und hohe Inflation: Olaf Fackiner sprach beim Neujahrsempfang der Kreisbauernverbände (KBV) Waldeck und Frankenberg die prägenden Themen des vergangenen Jahres an.

Altenlotheim – „Nicht zu vergessen, eine neue Regierung, welche versucht, unser Land – zugegeben in schwierigen Zeiten – in geordneten Bahnen zu regieren“, sagte der Vorsitzende des KBV Frankenberg vor mehr als 100 Gästen aus Landwirtschaft, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft im Dorfgemeinschaftshaus Altenlotheim.

In vielen Bereichen forderte der Vorsitzende des KBV Frankenberg nur eines: den Einsatz von gesundem Menschenverstand. So habe der GMV – abgekürzt für gesunden Menschenverstand – die meisten Landwirte beispielsweise veranlasst, sich impfen zu lassen, weil sie die Wirksamkeit einer Impfung schon aus Erfahrungen im Kälberstall kannten, wenn dort Grippe- oder Corona-Viren grassierten, zeigte er Parallelen auf. Der Krieg in der Ukraine sei eines der schlimmsten Beispiele, wo der gesunde Menschenverstand kläglich versagt habe. „Unsere Politik ist in dieser Phase des Weltgeschehens sicher nicht zu beneiden“, räumte er ein.

Der gesunde Menschenverstand sage ihm auch, dass es nicht gut sein könne, dass sich die Anzahl der Schweinehalter im Kreis, wegen immer weiter ansteigender Anforderungen am Tierwohl und fehlender Verlässlichkeit der Politik hinsichtlich neuer Rahmenbedingungen, inzwischen an einer Hand abzählen lasse. „Das Schweinefleisch an der Ladentheke kann ja nicht regional sein, wenn keine Schweine mehr da sind“, gab er zu bedenken.

Sorge bereite ihm die ständig wachsende Weltbevölkerung und der gleichzeitige Rückgang von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, wodurch die Ernährungssicherheit gefährdet sei. „Bei uns sollte es auch in Zukunft noch Ackerbau und Viehzucht geben“, sagte Fackiner. Die politischen Rahmenbedingungen gäben jedoch eine andere Marschrichtung vor. „Immer höhere Auflagen und Gesetze machen eine zukünftige Landwirtschaft unberechenbar“, kritisierte er. Fackiner plädierte zudem für die Förderung und Genehmigung von dezentralen Biogasanlagen. „Mein GMV sagt mir: „Warum muss man nach Saudi-Arabien reisen und um Gas betteln, wenn hier Ressourcen ungenutzt auf dem Acker landen?“

„Lasst uns alle für eine vernünftige Zukunft kämpfen, räumt dem gesunden Menschenverstand viel Platz in euren Entscheidungen ein“, plädierte er.

Bauernpräsident Karsten Schmal hatte sich im Zug auf der Rückfahrt von der Grünen Woche in Berlin „ein paar Gedanken“ aufgeschrieben für seine Ansprache, wie er sagte. Positiv seien die Milchpreise im Landkreis zu bewerten, die bei über 55 Cent liegen. Dies werde aber relativiert durch die hohen Energie- und Futterkosten. „Milch und Ackerbau gut – Schweine eine Katastrophe“, lautete seine knappe Bilanz zur aktuellen Situation.

„Vieles aus Brüssel, was die Landwirtschaft betrifft, ist den Landwirten nur schwer zu erklären“, sagte Schmal. So sei beispielsweise die Düngeverordnung ein „Riesenproblem“. Kritisch äußerte sich der Bauernpräsident auch zum Naturschutzgesetz und zu anderen neuen Richtlinien: „Man hat das Gefühl, man will die Tierhaltung nicht umbauen, sondern abschaffen“, sagte er.

„Krisen führen zu Impulsen und neuen Chancen“

Landrat Jürgen van der Horst, der sich bei Olaf Fackiner für den „herzlichen, aber strengen Empfang“ bedankte, wollte nach vielen „Moll-Tönen“ in den Ansprachen seiner Vorredner versuchen, auch wieder einige „Dur-Töne“ einzubringen, wie er formulierte.

Der Druck für die Landwirtschaft sei unverändert hoch, bestätigte van der Horst und sprach von außergewöhnlichen Szenarien, die sich derzeit überlappten.

Die Landwirtschaft sei prägend für den Landkreis, sagte van der Horst, der in seinem Gastvortrag über Chancen zur Entwicklung im ländlichen Raum informierte. Unter anderem ging er auf das Thema Klimaschutz ein. „Wir müssen und Gedanken machen, wie wir weg vom Gas und hin zu anderen Energiequellen kommen.“ Hierzu müsste Ressourcen gebündelt und schnell Ideen entwickelt werden, wie die Wärmeversorgung sichergestellt werden könne. „Das wird erhebliche Millionenbeträge fordern, die investiert werden müssen“, kündigte er an.

Als weiteres Themenfeld nannte er Freiflächen für Fotovoltaik, ohne die es nicht gehen werde, auch wenn dadurch der Flächendruck erhöht werde. „Wir empfehlen den Städten und Gemeinden, ganzheitlich zu planen und nicht auf nur einen Investor zu setzen.“ Van der Horst sprach auch die digitale Infrastruktur an, bei der Deutschland bekannterweise nicht die Speerspitze bilde. Auch der Landkreis solle digitaler werden. Die gute Nachricht sei, dass sich auch die Mobilfunkversorgung verbessern werde. Die spannende Frage sei zudem, ob alle ein Breitbandanschluss ans Haus bekommen könnten.

„Ich freue mich, zu hören, dass die Zusammenarbeit mit dem Fachdienst Landwirtschaft so gut funktioniere“, kommentierte der Landrat Äußerungen seiner Vorredner Fackiner und Schmal. Auch in dem Bereich wolle der Landkreis immer digitaler werden und smartere Formate entwickeln.

Auch die Regionalität der Produkte solle gestärkt werden, betonte van der Horst und ging in dem Zusammenhang auf das „herausfordernde Projekt Schlachthof“ ein. „Wir müssen mit Partnern ein gemeinsames Verständnis entwickeln – das braucht aber auch Zeit.“ Zum Thema Landschaftspflege sagte er: „Der politische Wille ist da, dass wir da besser werden wollen. Es seien noch Hausaufgaben zu erledigen, aber er sei guter Dinge, dass das zu schaffen sei.

Zur Umsetzung des Digitalpaktes sagte der Landrat, es gebe mittlerweile gute Versorgungsqualität an den Schulen. Zusätzlich zu Neubauten seien aber auch moderne pädagogische Konzepte notwendig. „Wir dürfen nicht vormittags unterrichten und nachmittags verwahren.“

Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels stünden insbesondere die beruflichen Schulen vor großen Herausforderungen. „Wir haben es leider versäumt, die Diversifizierung der Berufsfelder zu verhindern“. Im Saldo verliere der Landkreis mehr als 300 Auszubildende an andere Ausbildungsorte. Ein neues Konzept sehe hier größere Fachklassen vor.

„Krisen führen immer zu Impulsen. Und Impulse können, wenn sie klug eingesetzt werden, zu Chancen werden“, schloss der Landrat.

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