Geplantes Forum rechter Esoteriker am Edersee gestoppt

„Im Lichtstrahl von Anastasia Deutschland“ ist das Festival-Forum überschrieben, das Ende August am Edersee stattfinden sollte. Veranstalter ist der „Freundeskreis Anastasia“. Die Anastasia-Bewegung steht in der Kritik. Sie gilt als rassistische und antisemitische Gruppe.
Aktualisiert um 23 Uhr. Drei Tage lang sollte es bei dem Treffen um die „Relevanz der Verbreitung und Umsetzung von Anastasias Ideen“ gehen, der Wunsch von Familiensitzen in Deutschland diskutiert und das „Interesse seitens der Öffentlichkeit und der Politik“ thematisiert werden. So steht es im Programm auf der Internetseite des Anastasia-Freundeskreises.
Die Inhalte scheinen auf den ersten Blick harmlos. Ein Leser, der auch den Hinweis auf die Veranstaltung gab, machte die WLZ auf die fragwürdigen Hintergründe der Bewegung aufmerksam. In einigen Fernsehbeiträgen und Berichten für Onlinemedien wurden diese bereits dokumentiert.
Auch Oliver Koch kennt die Anastasia-Bewegung. Der Pfarrer ist Referent für Weltanschauungen der beiden Evangelischen Kirchen Kurhessen-Waldeck und Hessen-Nassau. Seit gut anderthalb Jahren verfolge er die Aktivitäten der Bewegung. Die Gruppe habe einen „hochesoterischen Hintergrund“, auch ein Anteil Verschwörungstheorie gehöre dazu.
"Völlig antidemokratisch und fundamentalistisch"
Angelockt würden Interessenten durch das ökologische Denken. Was tatsächlich dahinter steckt, merke man erst später. Zwei bis drei Gespräche mit Menschen, die der Gruppe angehörten, führt Oliver Koch etwa pro Jahr. Dabei gehe es meist „um das Erschrecken wegen des Gedankenguts“. Die Bewegung sei „völlig antidemokratisch und fundamentalistisch“, so Koch. Der Pfarrer hat selbst bereits einen der sogenannten Familienlandsitze besucht. In Nentershausen (Hersfeld-Rotenburg) sei er mit einem Kollegen bei einer öffentlichen Besichtigung dabei gewesen. Da sei durch Gespräche mit dem Esoteriker Konstantin Kirsch klar geworden: „Die Gruppe strebt eine tief greifende politische Veränderung an.“
Einmieten wollte sich das Anastasia-Festival-Forum in der Jugendherberge Hohe Fahrt am Edersee – "unter falschem Namen", wie Knut Stolle sagt, Pressesprecher des Landesverbands der Jugendherbergen. Eine Privatperson aus dem Landkreis nahm laut WLZ-Recherchen die Buchung vor.
Anfangs habe man nicht gewusst, wer sich hinter der Buchung verberge. Als klar war, um wen es sich handelt, habe man sich mit anwaltlicher Unterstützung an die Gruppe gewandt „und die Unwirksamkeit des Vertrags festgestellt beziehungsweise den Belegungsvertrag hilfsweise gekündigt“.
„Jugendherbergen sind kein Ort für Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung. Wir sind annehmend, nicht ablehnend. Wer diese, unsere grundlegenden Werte missachtet, ist bei uns nicht willkommen,“ betont Timo Neumann, Vorsitzender der hessischen Jugendherbergen.
Immer mal wieder gebe es Versuche von Gruppen, die diese Werte nicht teilen, sich einzumieten. Oftmals werde auch versucht, Räume privat zu mieten. „Dank einer aufmerksamen Netz-Community kam dieser Schwindel jetzt heraus“. Um ein Zeichen gegen Rassisten zu setzen, werde man im Herbst ein Seminar zum Thema Rechtsextremismus in der Hohen Fahrt anbieten. Trotz mehrfacher Anfrage hat sich die Bewegung zu der Kritik und den Vorwürfen nicht geäußert.
Das sagt der Verfassungsschutz
Die Bewegung habe sich einer „esoterisch grundierten Rückbesinnung auf die Natur verschrieben“, heißt es auf Nachfrage beim Hessischen Verfassungsschutz. Sie wende sich einem „landwirtschaftlich und traditionell geprägten Leben“ zu, sei fokussiert auf „strukturschwache, ländliche Regionen“ und habe ein „sehr konservativen Gesellschaftsverständnis“.
Ob die Anastasia-Bewegung beobachtet wird, dazu macht die Behörde aus „grundsätzlichen Erwägungen“ keine Aussage. „Nur in Ausnahmefällen“ äußere man sich abseits des Jahresberichts zu der Frage, welche Gruppen beobachtet würden. Äußere sich der Verfassungsschutz nicht, „ist dies weder als Bestätigung noch als Verneinung einer Beobachtung zu verstehen“.
Basierend auf einer Buchreihe
Die Anastasia-Bewegung, die ihren Ursprung in Russland hat, basiert auf einer zehnbändigen Buchreihe von Wladimir Megre.
Der Autor will in den 90er-Jahren eine Frau namens Anastasia in Sibirien getroffen haben, die dort allein im Wald lebte und ein angeblich höher entwickeltes Wesen war. Megre schrieb von ihrem großen Wissen und besonderen Fähigkeiten. Die zehn Bücher, die entstanden sind, sollen den Lesern Lebensweisheiten vermitteln. Unter anderem geht es um Kindererziehung, Bräuche der Liebe und eine „neue Zivilisation“.
Unter anderem, so zeigen Fernsehreportagen, wird darin auch behauptet, Juden hätten die Kontrolle über die Geldflüsse der Welt und kontrollierten die Presse.
In Deutschland gilt ein Ehepaar als Symbolfigur der Bewegung, das in Brandenburg lebt. In Dokumentationen sind Ausschnitte der beiden zu sehen, wie sie über den „Zusammenbruch der Bundesrepublik“ sprechen oder wie sie 2015, als viele Flüchtlinge kamen, vor zu vielen ausländischen Männern in Deutschland warnen. Dort rufen sie auch zu Bürgerwehren auf, man wolle „Mut machen, das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen“.
Ein Ziel der Bewegung sind sogenannte Familienlandsitze, auf denen sich jede Familie – bestehend aus Frau, Mann, Kind – selbst versorgen soll. Nach außen präsentiert sich die Bewegung als esoterische Ökolandbau-Hippie-Bewegung.