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Sachsenberg: Beratungsteam klärt über „Rechte Strategien im ländlichen Raum“ auf

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Sie haben den Informationsabend organisiert: (von links) Ursula Müller, Claudia Schmidt, Gerwin Meinke und Mona Schwarz (MBT).
Sie haben den Informationsabend organisiert: (von links) Ursula Müller, Claudia Schmidt, Gerwin Meinke und Mona Schwarz (MBT). © Hans Peter Osterhold

Die Lichtenfelser Grünen haben in Sachsenberg einen Informationsabend zu Thema „Rechte Strategien im ländlichen Raum“ organisiert.

Lichtenfels – Rechtsextreme Bewegungen suchen sich nach Erkenntnissen von Verfassungsschutzorganen offenbar gerne ländliche Räume aus, um dort politisch aktiv zu werden, Veranstaltungen zu organisieren oder sich dort häuslich niederzulassen. Und das mit steigender Tendenz.Informationen gab es vom mobilen Beratungsteam (MBT) gegen Rechtsextremismus Nord- und Osthessen. Im Gegensatz zu dem Trend mancher, nach vorne zu preschen und aufzufallen, würden die neuen Rechtsextremen nicht mehr auffallen wollen als nötig, versuchten eher, im „vorpolitischen Raum“ aktiv zu werden, indem sie Vereine und verschiedene soziale Umfelde unterwanderten. Das solle dann von „innen“ wirken und letztlich zu einem Systemumschwung führen. Die „Kulturrevolution von rechts“ wecke Sehnsüchte und Ängste bei anderen Menschen oder nutze deren Unzufriedenheit. Oft gebe es gerade im ländlichen Raum einen guten Resonanzboden.

Zu erkennen seien solche Menschen meist an deutlicher Fremden- oder Frauenfeindlichkeit und völkischer Gesinnung. Heimatschutz werde häufig herausgestellt, die „natürliche“ Nation als homogenes, organisches Volk.

Die „Anastasia“-Bewegung, eine neureligiöse Bewegung basiere auf einer Romanreihe, predige Antisemitismus und übersinnliche Fähigkeiten, Demokratiefeindlichkeit und Rassismus. Dazu komme Medienfeindlichkeit und Wissenschaftsfeindlichkeit. Praktiziert werde ein naturnahes Leben auf sogenannten „Landsitzen“, Häuser und Gehöfte auf dem Land würden dazu aufgekauft oder angemietet. In Deutschland werde eine zunehmende Zahl solcher Einrichtungen registriert.

„Anastasia“-Bewegung: „Demokratiefeindlich, rassistisch, frauenfeindlich“

Die demokratiefeindliche „Anastasia“-Bewegung, hatte 2019 versucht, auch in Waldeck-Frankenberg eine dreitägige Veranstaltung durchzuführen: Einmieten wollte sich ein Festival-Forum in der Jugendherberge Hohe Fahrt am Edersee – unter falschem Namen. Eine Privatperson aus dem Landkreis nahm laut WLZ-Recherchen die Buchung vor. Anfangs sei nicht bekannt gewesen, welche Gruppe sich hinter der Anmeldung verberge. Als das aber klar wurde, kündigte die Jugendherberge den Belegungsvertrag.

Nach Informationen, die dieser Zeitung vorliegen, gibt es in Waldeck-Frankenberg nach wie vor Sympathisantinnen und Sympathisanten, die versuchen, die Bewegung vor Ort bekannter zu machen und Mitstreiter zu finden.

Die Bewegung, die ihren Ursprung in Russland hat, basiert auf einer zehnbändigen Buchreihe von Wladimir Megre. Der Autor will in den 90er Jahren eine Frau namens Anastasia in Sibirien getroffen haben, die dort im Wald lebte und ein angeblich höher entwickeltes Wesen war. Megre schrieb von ihrem großen Wissen und besonderen Fähigkeiten. Die sollen den Lesern Lebensweisheiten vermitteln. Dabei geht es auch um Kindererziehung, Bräuche der Liebe und eine „neue Zivilisation“. Unter anderem, so zeigen Fernsehreportagen, wird darin auch behauptet, Juden hätten die Kontrolle über die Geldflüsse der Welt und kontrollierten die Presse.

In Deutschland gilt ein Ehepaar, das in Brandenburg lebt, als Symbolfigur der Bewegung. In Dokumentationen sind Ausschnitte der beiden zu sehen, wie sie über den „Zusammenbruch der Bundesrepublik“ sprechen oder wie sie zu Bürgerwehren aufrufen, man wolle „Mut machen, das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen“. jj/md

Der Verein „Ur Europa“ befasse sich mit Heimat und Geschichte, führe entsprechende Veranstaltungen durch und verfasse Schriften. Eine eigene Rassenkunde werde vertreten, pseudowissenschaftliche Erkenntnisse verbreitet. Der Verein gelte als rassistisch, faschistisch und antisemitisch und habe seine geistigen Wurzeln im Gedankengut der SS.

Als Handlungsempfehlungen gaben die Mitarbeiterinnen des MBT den Rat, bei Auffälligkeiten zunächst zu recherchieren und Mitstreiter zu suchen. Häufig hätten Menschen mit rechtsextremem Hintergrund auch eine Vorgeschichte. Welchen Umgang pflegen sie? Oft helfe ein Blick auf Bücherregal oder sonstige Lektüren. Auch im Gespräch käme manches heraus. In einigen Dörfern, auch in Hessen, sei durch Wachsamkeit manch rechte Gruppierung aufgefallen und mit solidarischen Gegenmaßnahmen in die Schranken gewiesen worden, oder seien wieder weggezogen.

Mobile Beratungsteam (MBT) Hessen

Das Mobile Beratungsteam (MBT) Hessen berät alle, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren oder dies vorhaben und dabei vor Unsicherheiten oder offenen Fragen stehen. Dies können Bündnisse, Vereine oder Parteien sein, aber auch Lokalpolitiker und -politikerinnen, Mitarbeitende in Verwaltungen, Bildungseinrichtungen sowie Einzelpersonen. Gerne kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort, beraten und erstellen im Bedarfsfall Strategien und Handlungskonzepte. (Von Hans Peter Osterhold)

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