Im Korbacher Kreishaus standen 293 Schutzplätze in der Tiefgarage und in zahlreichen weiteren Keller-Räumen zur Verfügung. Auch eine Wasseraufbereitungsanlage und ein Notstromaggregat gab es, ebenso eine Poststelle, Küchen und Schlafräume sowie Notausstiege. Alles entstand im Zuge des Baus des Gebäudes Anfang der 1980er.
Deutlich mehr Platz gab es im ehemaligen Hilfskrankenhaus in Bad Wildungen. Unter der Wicker-Klinik befanden sich 939 Schutzplätze. Sie sind bereits 1964 entstanden.
Die Anlagen im Kreis seien bereits aus der Zivilschutzbindung entlassen, sagt Thorsten Grützner von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die mit der Abwicklung der noch vorhandenen Bunker beauftragt ist. Bei der seit vergangenem Jahr laufenden Überprüfung prüfe „fachkundiges Personal insbesondere den baulichen Zustand der Anlagen, die Funktionsfähigkeit der zivilschutztechnischen Einrichtungen sowie die Möglichkeit der Reaktivierung“. Bis März soll die Prüfung abgeschlossen sein. „Dann wird der Bund eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen treffen.“
Die Anlage unter dem Kreishaus sei ohnehin „nicht mehr reaktivierbar. Sie würde nicht mehr den Vorschriften entsprechen“, sagt Gerhard Biederbick, der als Kreisbrandinspektor auch für den Katastrophenschutz verantwortlich ist.
In Waldeck-Frankenberg gibt es nur wenige private Bunker. Einige Wohnhäuser aus den 50er- und 60er-Jahren würden über Schutzräume verfügen, sagt Landkreis-Sprecher Dr. Hartmut Wecker. In den vergangenen Jahrzehnten habe es jedoch keine Anträge mehr für neue private Bunker gegeben.
Sechs Feld-Operationstische, ein Knochenbohrgerät, drei manuelle Beatmungsgeräte und 15 Lachgas-Flaschen, außerdem 570 Paar Krankenpantoffeln, 1250 Becher mit Henkel und 576 Schwestern-Schürzen: Noch heute existieren die Listen mit alldem, was im sogenannten Hilfskrankenhaus zur Verfügung stand. Mittlerweile ist nichts davon mehr zu finden, doch zumindest teilweise sind die Schutzräume im Keller der Wicker Klinik an der Brunnenallee noch zu erkennen.
Weiß gefliest sind die Gänge, mit fluoreszierender Farbe markiert, damit die Wege auch im Fall eines Stromausfalls zu erkennen wären. Früher reihten sich riesige Kisten in den Gängen aneinander, bis zu 1,80 Meter lang, wie sich Horst-Georg Homm erinnert, Mitarbeiter der Haustechnik und bereits seit 1990 bei Wicker. In den Kisten steckte alles, was wichtig gewesen wäre für ein Not-Krankenhaus: Vom Röntgengerät über Operationsbesteck und Arztkittel bis hin zu Brechtüten und Fieberthermometern. Zudem gab es in mehreren Räumen Filteranlagen, Kühlaggregate, Kompressoren und Notstromaggregate. Gewartet wurde dies stets durch das sogenannte Warnamt 6, das damals dem Bundesamt für Zivilschutz unterstand.
Auch zwei Feldküchen gab es, die seien aber längst dem Technischen Hilfswerk gespendet worden, sagt Thomas Priester, Leiter der Haustechnik. Und schon Anfang der 2000er-Jahre sei die gesamte medizinische Ausrüstung in die Ukraine gespendet worden.
Erhalten geblieben sind jedoch einige Schutzräume, darunter einer, der Anfang der 70er entstand und der lediglich gut acht Quadratmeter misst. Drei Klappbetten hängen dort an der Wand, Plastikstühle mit Kopfstützen stehen daneben, darüber ein kleines Fenster. Für den Notfall hätten das die Menschen im Schutzraum mittels dicken Betonsteinen noch selbst verbarrikadieren können, sagt Priester. Auch eine Toilette und ein Waschbecken gibt es in dem kleinen Raum.
Ebenfalls erhalten: eine dicke Stahltür, gut zwei Tonnen schwer, die den Weg frei gibt zu einem Notausgang, der ins Freie führt.
Das Hilfskrankenhaus war bereits im Bauantrag enthalten, der 1963 gestellt wurde. Der Bau begann im Jahr darauf. Es gab eine Vereinbarung über die Nutzung zwischen Klinikgründer Werner Wicker und dem Land Hessen. Allerdings war das Not-Krankenhaus nie in Betrieb, es ist seit einigen Jahren entwidmet.
Direkt angrenzend an das Hilfskrankenhaus befindet sich ein Teil der heutigen Klinik. Lediglich manche mehrere Zentimeter dicke Wand weist noch auf den früher angedachten Nutzen hin.
Von Ruheräumen mit dreistöckigen Betten über WCs, Sanitätsraum und Büros bis hin zu Poststelle, Küche und Fernsprechvermittlung: Auf fast 600 Quadratmetern erstrecken sich unter dem Korbacher Kreishaus die früheren öffentlichen Schutzräume. Hinzu kommt noch die Tiefgarage als Teil des Bunkers. Diese kann durch ein 40 Tonnen schweres Rolltor von der Außenwelt abgeschnitten werden.
Als in den 80er-Jahren das Kreishaus gebaut wurde, habe es Zuschüsse vom Bund gegeben für den Bau von Bunkern, sagte Dr. Hartmut Wecker, Sprecher des Landkreises. Denn: Damals habe es viel zu wenig Schutzräume gegeben in Deutschland. Durch die Förderung sollten neue Schutzräume entstehen.
Gebraucht wurden sie tatsächlich nie. Schon vor Jahren wurde nicht nur der Schutzraum des Kreishauses aus der Zivilschutzbindung entlassen. Doch viele Hinweise auf die einstige Schutzfunktion sind noch heute zu sehen: So verlaufen noch immer Lüftungsrohre unter der Decke der Tiefgarage, mehrere abzweigende Türen tragen Beschriftungen wie Küche oder Schleuse. Auch einen Hinweis auf einen Notausstieg gibt es in der Garage. Hinter der dunkelgrünen Tür ist eine Leiter zu sehen, die den kurzen Aufstieg zu einem Kriechtunnel ermöglicht. Der führt, so sagt Wecker, unter der Straße neben dem Kreishaus hindurch bis auf den großen Parkplatz.
Abgesehen von der Tiefgarage gibt es noch zahllose weitere Räume, die damals für den Fall der Fälle entstanden sind, alle geschützt durch massive Betonwände, von einander getrennt durch Stahltüren. Zur Ausstattung gehörten nicht nur Büros und Stabsräume und solche für Fernmelder. Ein Raum beherbergt eine Anlage für die Wasseraufbereitung, einer ein Notstromaggregat. Per Kurbel ließen sich – im Fall eines Stromausfalls – auch Telefon und Frischluftzufuhr regeln.
Insgesamt hätten 293 Menschen im Angriffsfall unter dem Kreishaus Schutz gefunden. Doch wer hätte rein gedurft und wer hätte draußen bleiben müssen? Das hätten nicht der Landrat oder die Kreisverwaltung entschieden, sagt Hartmut Wecker, sondern die Stadt Korbach. Denn die sei die Standortkommune des Bunkers.
Jetzt allerdings könnte der Bunker nicht mehr genutzt werden. Er würde längst nicht mehr den Vorschriften entsprechen, sagt Gerhard Biederbick, verantwortlich auch für den Katastrophenschutz im Kreis. Zudem werden die Räume längst als Lager und Archiv genutzt. jj