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Soldaten dienen als „Staatsbürger in Uniform“

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© Bundesarchiv

Frankenberg - Vor 50 Jahren wurde Frankenberg Garnisonsstadt, seit zwei Jahrzehnten besteht die Patenschaft zwischen der Stadt und dem Bataillon. Diese beiden Ereignisse nimmt die FZ zum Anlass, in einer mehrteiligen Serie die Geschichte der Bundeswehr, der Burgwald-Kaserne sowie des Bataillons für Elektronische Kampfführung 932 zu beleuchten.

„Nie wieder!“ So lautete der Schwur, nachdem die deutsche Wehrmacht am 8. Mai 1945 bedingungslos kapituliert hatte. Europa lag in Trümmern, Millionen Tote waren zu beklagen - das Ergebnis des Zweiten Weltkrieges, den Adolf Hitler 1939 angezettelt hatte. Nie wieder wollten viele Deutsche eine Uniform anziehen und ein Gewehr in die Hand nehmen. Doch der Schwur hielt nicht lange: Nur zehn Jahre nach dem Ende des Krieges, am 5. Mai 1955, gründete die noch junge Bundesrepublik die Bundeswehr.Und vor 50 Jahren wurde auch Frankenberg Garnisonstadt.

Es waren scharfe Diskussionen damals, die SPD griff die CDU-geführte Bundesregierung von Kanzler Konrad Adenauer frontal an, der Bundestag lehnte im November 1949 eine Wiederbewaffnung mehrheitlich ab, auch friedensbewegte Demonstranten verurteilten sie bei großen Kundgebungen: Sollte der gerade erst blutig niedergeschlagene Geist des Militarismus wieder entfesselt werden? Und drohte mit ihm auch die Wiederauferstehung des Faschismus, wie die Propaganda der DDR-Machthaber um Walter Ulbricht unablässig unterstellte?

Im „Kalten Krieg“

Der deutsche Verteidigungsbeitrag müsse sein, befanden die Westalliierten, die eben noch die Entmilitarisierung Deutschlands betrieben hatten. Denn nur Monate nach der Kapitulation der Wehrmacht brach der Streit zwischen ihnen und der Sowjetunion des skrupellosen Diktators Josef Stalin offen aus.

In diesem „Kalten Krieg“ um Ideologien und die Vormacht in der Welt standen die westlichen Demokratien dem Warschauer Pakt gegenüber, den Stalin im Namen des Kommunismus zusammengepresst hatte - er hatte einen Kordon von Satelliten-Staaten um sein rotes Reich gelegt und Europa geteilt durch einen „eisernen Vorhang“, wie es der britische Kriegspremierminister Winston Churchill nannte - er hatte dieser Teilung übrigens zugestimmt.

Und der Koreakrieg 1950 bis 1953 zeigte, wie offensiv die angeblich kommunistischen Diktaturen in Moskau und Peking vorzugehen bereit waren. Der Einmarsch der von beiden unterstützten nordkoreanischen Kommunisten im Süden war für den Westen ein Schock - drohte auch Westeuropa von „roten Horden“ überrannt zu werden? Ein dritter Weltkrieg schien denkbar. Und längs durch das geteilte Deutschland würde die Front verlaufen.

Um den Sowjets mit ihrer relativ großen Truppenstärke und den offensiv einsetzbaren Panzerarmeen etwas entgegenstellen zu können, drängten die Alliierten auf einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag. Schon 1950 führten die Amerikaner deshalb Geheimverhandlungen mit Adenauer.

Sie stießen auf offene Ohren. Auch Adenauer war nicht eben ein Freund „Sowjetrusslands“ - und schon gar nicht „des Ulbricht-Regimes in Pankow“, das sich mit Moskaus Hilfe die Macht in der „Sowjetzone“ gesichert hatte - die Bezeichnung DDR war in jener Zeit ebenso unerwünscht wie ihre Anerkennung als eigenständiger Staat.

Souveränität angestrebt

Vor allem sah der strategisch denkende Kanzler in der Bundeswehr ein Mittel, um über den Verteidigungsbeitrag mehr Souveränitätsrechte für seine Bundesrepublik zu erhalten. Mit Erfolg: Am 5. Mai 1955 traten die Pariser Verträge in Kraft, die das Besatzungsstatut von 1949 aufhoben, die Bonner Republik war damit nahezu souverän.

Zweiter Aspekt war die Sicherheit der Bundesrepublik. Adenauer war daran gelegen, sie unter den Schutz eines starkes Bündnisses zu stellen. Und er forderte energisch die „Vorneverteidigung“ ein: Ein Angriff aus dem Osten sollte möglichst nah an der innerdeutschen Grenze gestoppt und zurückgeschlagen werden. Nur: Wenn Amerikaner, Briten, Belgier oder Franzosen bereit sein sollten, Westdeutschland zu verteidigen, musste das Land auch einen eigenen militärischen Anteil übernehmen.

Und Adenauer wollte zumindest den westlichen Teil der durch Krieg und Verbrechen weltweit moralisch diskreditierten Deutschen wieder in die Völkergemeinschaft zurückführen - und zugleich fest einbinden in den Westen und dessen demokratischen Wertekanon.

Bei den westlichen Nachbarn gab es durchaus Vorbehalte gegen ein neues, militärisch starkes Deutschland, deshalb sollten seine Truppen fest eingegliedert sein in ein Bündnis. Als 1954 an Frankreich die schon beschlossene Europäische Verteidigungsgemeinschaft als eine Lösung für den Kontinent scheiterte, kam nur die 1949 gegründete nordatlantische Verteidigungsorganisation Nato infrage. Der Beitritt war auch das erklärte Ziel Adenauers.

Amt Blank gegründet

Schon im Oktober 1950 richtete er im Kanzleramt das Amt Blank ein, den Vorläufer des Verteidigungsministeriums. 1951 entstand als Vorstufe einer neuen Armee der Bundesgrenzschutz mit 10000 Mann. Die DDR antwortete 1952 mit der Bildung einer „Kasernierten Volkspolizei, die 70000 Mann umfassen sollte. Sie griff auf „Bereitschaften“ der Polizei zurück, deren Aufstellung die sowjetische Militäradministration bereits 1948 verfügt hatte.

Adenauer und sein Parteifreund Theodor Blank beriefen ehemalige Offiziere der Wehrmacht, die eine andere Armee schaffen sollten als die des Kaisers oder gar Hitlers. Um eine Legitimation zu haben, sollte sie eine breite Akzeptanz finden, fest in die demokratische Gesellschaft der Bundesrepublik eingebunden sein und der strikten Kontrolle des Bundestages unterliegen.

Diese Armee sollte nicht mehr einen „Staat im Staate“ bilden wie die Reichswehr in der Weimarer Republik. In ihr sollte nicht mehr der „Kadavergehorsam“ der Nazis herrschen: Die demokratische Republik wollte an die alten preußischen Tugenden und an die freiheitsliebenden Reformer im frühen 19. Jahrhundert anknüpfen - frei nach dem Feldmarschall Moltke zugeschriebenen Ausspruch: „Gehorsam ist Prinzip, aber der Mann steht über dem Prinzip.“

Der Soldat der Bundeswehr sollte zum Mitdenken verpflichtet sein und sich mitverantwortlich fühlen - was auch der modernen Auftragstaktik entgegenkommt. Diese neue Armee sollte „Teil und Spiegelbild der staatlichen und sozialen Ordnung“ sein, hält Blank 1955 fest. Der „Primat der Politik“ müsse unbedingt gesichert sein.

So entstand das Konzept der „Inneren Führung“. Zu den Vordenkern gehörten die ehemaligen Offiziere Hans Speidel und Adolf Heusinger, Johann Adolf Graf von Kielmansegg, der Vater des heutigen Verteidigungsministers Thomas de Maizière, Ulrich de Maizière - und vor allem Wolf Graf von Baudissin, der Blanks Referent für die „Innere Führung“ war.

Er prägte 1953 den Begriff des „Staatsbürgers in Uniform“. Danach sollte der moderne Soldat ein „vollwertiger Kämpfer“ sein, aber als freier Mann auch hinter der Kasernenmauer seine Grund- und Bürgerrechte­ behalten. Er sollte sich „bewusst und willig“ für den neuen demokratischen Staat einsetzen und sich in der Bundeswehr als Teil einer ans Gesetz gebundenen und politischen wie moralischen Idealen verpflichteten Armee sehen - kurz: Der Soldat sollte wissen, was er verteidigt, daraus Motivation schöpfen für seinen Dienst an der Waffe.

„Innere Führung“ verankern

Problem war, dieses Menschenbild in der Truppenpraxis umzusetzen. Zum einen musste der Soldat durch Erziehung und Schulung an dieses Ideal herangeführt werden, und es erforderte von den Offizieren ein drastisches Umdenken bei der Menschenführung.

Und das Konzept musste in den Institutionen verankert werden, es musste in die „Grundsätze der Führung, Behandlung und Betreuung“ der Soldaten einfließen und in Truppenschulen und in der täglichen Ausbildung zum Tragen kommen.

Doch Theorie und Praxis klafften zuweilen auseinander. Die Bundesrepublik hatte sich verpflichtet, bis 1958 rund 100000 und bis 1962 gar 250000 Mann aufzustellen, was große organisatorische Herausforderungen mit sich brachte. Kasernen fehlten, Material und eben Ausbilder, die konsequent nach den neuen Vorgaben vorgingen.

So entsprach die Ausbildung nicht immer den Vorgaben, wie 1963/63 das Beispiel des „Schleifers von Nagold“ zeigte - das Paradebeispiel für Kommiss statt „Innerer Führung“. Mitte der 1960er-Jahre kamen neue Diskussionen über die Verinnerlichung des Konzepts auf.

Der Weg zur Bundeswehr war aber auch von heftigen politischen Diskussionen begleitet. Gegen die Stimmen der SPD wurde am 26. Februar 1954 per Grundgesetzänderung die Wehrhoheit verankert. Am 12. November 1955 erhielten die ersten Soldaten ihre Ernennungsurkunden, zum 1. Januar 1956 wurden die ersten 1000 Freiwilligen einberufen.

Am 18. Januar 1956 verabschiedete die DDR-Volkskammer das Gesetz „über die Schaffung der Nationalen Volksarmee und des Ministeriums für Nationale Verteidigung“. Schon zehn Tage später war sie Mitglied des Warschauer Paktes.

Wehrpflicht eingeführt

Der Bundestag beschloss am 6. Februar 1956 eine weitere Änderung des Grundgesetzes, ein Teil der SPD stimmte zu. Kurz darauf wurden auch das Wehrpflichtgesetz und das Soldatengesetz verabschiedet. Rechtlich war damit der Weg zur neuen Wehrpflicht-Armee geebnet. Sie musste aber erst aufgebaut werden, ebenso die Wehrverwaltung. Die Erstausstattung der Truppe übernahmen die Alliierten, erst allmählich durfte die deutsche Industrie wieder in die Waffenproduktion einsteigen. - So wie die Bundeswehr fest in Nato-Strukturen eingebunden war, diente die Wiederbewaffnung strategischen Zielen der USA. Sie versuchten in den 1950er-Jahren weltweit, Pakte gegen die Sowjetunion zu schließen. Ziel dieser „Eindämmungspolitik“ war, die Sowjets von einem Krieg abzuhalten.

Die Nato-Staaten verfolgten die Strategie der Abschreckung: Der Warschauer Pakt sollte gar nicht erst versuchen, einen Bündnispartner anzugreifen. Um das zu untermauern, sollten die Mitgliedsländer schon in Friedenszeiten militärische Stärke und Präsenz zeigen - was aber an politische wie wirtschaftliche Grenzen stieß.

Da die Sowjets mit ihren Landstreitkräften überlegen waren, drohten die USA auch mit ihren Atomwaffen. Nach dem 1952 beschlossenen Konzept der „massiven Vergeltung“ hatte ein Angreifer letztlich mit einem nuklearen Gegenschlag zu rechnen, die Nato setzte darauf, dass dieses Risiko niemand eingehen würde. Als die Sowjetunion 1954 ihre erste Atombombe zündete, relativierte sich zwar die US-Überlegenheit, aber das Drohpotenzial blieb: mit ihrer Doktrin „Schild und Schwert“ sollten taktische Atomwaffen auch auf dem Schlachtfeld eingesetzt werden. Neue Diskussionen setzten ein, ob auch die Bundesrepublik Atomwaffen haben sollte.Fortsetzung folgt.

Literatur: Militärgeschichtliches Forschungsamt (Herausgeber), Verteidigung im Bündnis. Planung, Aufbau und Bewährung der Bundeswehr 1950 - 1972, München 1975.

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