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Edertal: Ornithologin spürt Zugvögel in der Nacht mit neuer Technik auf

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Von: Cornelia Höhne

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Laute der Vögel bei Nacht: Natascha Schütze spürt sie mit der Technik „Noc Mig“ von ihrem Balkon aus auf. Rufe werden über einen Parabolspiegel konzentriert und auf einem Aufnahmegerät gespeichert.
Laute der Vögel bei Nacht: Natascha Schütze spürt sie mit der Technik „Noc Mig“ von ihrem Balkon aus auf. Rufe werden über einen Parabolspiegel konzentriert und auf einem Aufnahmegerät gespeichert. © Cornelia Höhne

Zigtausende von Zugvögeln ziehen in diesen Wochen in ihre Brutgebiete – meist in der Nacht. Die Ornithologin Natascha Schütze spürt sie in der Dunkelheit mit neuer Technik auf.

Häufiger Durchzügler: Das Rotkehlchen, einer der bekanntesten heimischen Gartenvögel. Archivfoto: Sielmann-Stiftung
Häufiger Durchzügler: Das Rotkehlchen, einer der bekanntesten heimischen Gartenvögel. Archivfoto: Sielmann-Stiftung © Archivfoto: Sielmann-Stiftung

Edertal – „Noc Mig“ – Nocturnal Migration – wird erst seit kurzem in Deutschland eingesetzt. Die Zugrufe werden über einen Parabolspiegel konzentriert und auf einem Aufnahmegerät gespeichert.

Löffel-, Krick- und Knäkenten rufen laut und vernehmlich in den letzten April-Nächten bei ihrem Durchzug über das Edertal, aber nur noch wenige Drosseln hat die Giflitzerin in diesen Tagen aufgezeichnet. Hinzu kommen Watvögel/Limokolen: Flussuferläufer, Waldwasserläufer und Flussregenpfeifer. Große Brachvögel und Regenbrachvögel sind schon durchgezogen.

Über 60 Arten festgestellt

„Der Vogelzug übt auf viele Menschen eine fesselnde Wirkung aus“, sagt Schütze. Die Blicke richten sich an den Himmel, wenn tausende Kraniche und Gänse unterwegs sind. Weil der Vogelzug zum größten Teil nachts stattfindet, werde seit Jahrzehnten versucht, ihn für Menschen sichtbar zu machen. „Mit Radar-Technologie, Satellitensendern und Geolokatoren konnte schon viel zum Erkenntnisgewinn beigetragen werden“, erläutert die stellvertretende Vorsitzende der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie (HGON).

„Noc Mig“ – eine neue Art des Monitorings – „ist bezahlbar und mit relativ wenig Aufwand flächendeckend möglich“. Seit Februar 2021 registriert die Giflitzerin im unteren Edertal den nächtlichen Vogelzug. Über 60 Arten hat sie festgestellt. Es waren Durchzügler sowie lokale Vögel wie Graureiher, die nur den Ort wechselten. Häufig waren Sing- und Rotdrosseln, Rotkehlchen und Amseln, selten dagegen Nachtreiher und Tüpfelsumpfhuhn. Bestimmt werden sie durch Akustik und ein Sonagramm.

Störgeräusche durch Verkehr erschweren die Bestimmung

„Das Sonagramm ist eine optische Aufzeichnung eines Lauts“, erläutert Schütze. Viele Zugrufe können schnell einer Art zugeordnet werden, so wie Waldwasserläufer und Sandregenpfeifer oder singende Wachteln. Andere Rufe sind nicht eindeutig.

Schwer macht es der Ortolan der Bestimmerin. Von ihm sind acht Ruftypen bekannt, und obendrein können einzelne Individuen auch weitere Unterschiede zeigen. Zudem erschweren Störgeräusche des Verkehrs die Bestimmung. „Ich komme aus dem Rhein-Main-Gebiet und war geschockt, wie laut es hier ist,“ sagt Schütze. Regelmäßig verewigen sich andere nächtliche Rufer wie Kühe, Füchse, Waschbären oder Rehe auf den Aufzeichnungen.

Aktuell auf dem Durchzug: Knäkenten; hier eine Ente bei Tageslicht auf einem Tümpel.
Aktuell auf dem Durchzug: Knäkenten; hier eine Ente bei Tageslicht auf einem Tümpel. © H. Knüwer/NABU/pr

Die Giflitzerin wertet das Material am PC aus und pflegt es in die ornithologische Datenbank www.ornitho.de ein. Bei starkem Vogelzug kommen bis zu 56 Stunden Aufnahmematerial in einer einzigen Woche zusammen. Die Auswertung dauert etwa zehn bis zwölf Stunden. Viele Vogelstimmen kennt die 35-Jährige aus dem Effeff. Unbekanntes wird archiviert. „Ich hoffe, dass irgendwann ein Programm mit künstlicher Intelligenz möglich ist, das diese Rufe bestimmen kann.“

Durch neueste Forschung, die Vogelstimmensammlung von xeno-canto.org und eine deutschlandweite Whats-App-Gruppe, die Austausch der „Noc-Mig“-Standorte gewährleistet, könne es in Zukunft gelingen, Arten besser zu bestimmen.

Auf Tonträgern findet sich auch manche Überraschung

„Noc-Mig“ zeigt, dass der in Hessen ausgestorbene Ortolan häufiger bei uns durchzieht, als angenommen und liefert auch andere Überraschungen. So wurden in Giflitz Rufe von Schleiereulen erfasst, die auf einen bisher unbekannten Brutplatz deuteten. Spannende Einblicke gewann die Giflitzerin auch in eine Kormoran-Kolonie im Naturschutzgebiet Krautwiese am Wesebach. In der Kolonie veränderte sich die plötzlich die nächtliche Kommunikation – Klagerufe wurden aufgezeichnet. Wenig später waren Kormorane offenbar Feinden zum Opfer gefallen.

„Mich reizt die neue Technik. Man kann so gute, neue Erkenntnisse erzielen, die vorher noch nicht möglich waren“, sagt die 35-Jährige, die beruflich als Schulsozialarbeiterin an der Bad Wildunger Ense-Schule arbeitet.

„Tolle Nachweise, die ich erbringen kann“

Die Beobachtung der nächtlichen Vogelzüge liefere stetig neue Erkenntnisse über Artenspektrum oder seltene Arten. „Das sind tolle Nachweise, die ich erbringen kann.“ Schütze ist in Groß Gerau geboren, ihre Heimat ist Wolfskehlen. Seit drei Jahren lebt sie im Edertal. Mit ihrem Lebensgefährten Bastian Meise verbindet sie die gemeinsame Leidenschaft für Ornithologie. Der Edertaler gilt deutschlandweit als ein Experte für Vogelbestimmung anhand von Fotos. (Cornelia Höhne)

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