„Es gibt rund 1400 Jagdscheininhaber im Landkreis. Ihre Zahl hat in den vergangenen zehn Jahren um zirka 25 Prozent zugenommen“, sagt Heinrich Engelhard, der Kreisjagdberater für den Südkreis und Vorsitzender der Jägervereinigung Frankenberg ist.
In der Waldeckischen Jägerschaft (WJS) gehen nach Angaben der 2. Vorsitzenden Anna-Maria Hausmann die Mitgliederzahlen seit Jahren stetig nach oben – und liegen nun bei über 500. Die Mitgliederzahl in der Jägervereinigung Frankenberg liegt laut Vorsitzendem Engelhard zwar seit 25 Jahren in etwa konstant bei rund 400, wobei der Altersdurchschnitt „recht hoch“ sei, aber die Jägervereinigung bilde jährlich 12 bis 15 neue Jäger aus. Etwa 25 Prozent seien Frauen und zwei Drittel der Anwärter seien jünger als 30 Jahre.
Auch bei der Waldeckischen Jägerschaft besuchen jährlich 12 bis 15 Jungjäger den Ausbildungslehrgang, erläutert Anna-Maria Hausmann, Leiterin der Kurse. Jeder dritte Teilnehmende sei mittlerweile eine Frau. Das Durchschnittsalter bei den Frauen liegt bei 30, das der Männer bei 38 Jahren“, erläutert sie. Gründe für den Trend zur Jagd sehen Hausmann und Engelhard im steigenden Interesse an der Natur. Als Jäger habe man die Möglichkeit, die Natur intensiv zu erleben. Natürlich gehe es auch um das „ureigenste Ziel der Jagd, die Gewinnung von wertvollem Wildfleisch“, sagt Hausmann.
Neben der Freude der Jäger an dieser Freizeitbeschäftigung habe die Jagd wichtige gesellschaftliche Funktionen: Jäger reduzierten das Risiko von Wildkrankheiten (Stichwort Afrikanische Schweinepest), betrieben Arten- und Naturschutz und dämmten Wildschäden in Wald und Feld ein, unterstützten damit die Wiederbewaldung.
Traditionell kommen laut Engelhard viele Jäger aus Nachbar-Bundesländern, vor allem dem bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen, auch aus Holland und Dänemark in den Landkreis, um zu jagen. Die jagdlichen Bedingungen und die schöne Natur machten den Kreis für Jäger attraktiv.
Zwei junge Frauen berichten über ihren Weg zum Jagdschein
Eva Gerhard (32), Krankenschwester aus Meineringhausen, und Wiebke Kalhöfer (31), Landwirtin aus Dehringhausen, strahlen über das ganze Gesicht. Sie haben gerade die Jungjägerprüfung bestanden, das „Grüne Abitur“. Das ist die Voraussetzung für den Erwerb des Jagdscheins.
Die vergangenen sieben Monate haben die beiden Frauen neben ihren anstrengenden Berufen den Jagdscheinkurs bei der Waldeckischen Jägerschaft absolviert. Sie haben im Durchschnitt wöchentlich zweimal die Schulbank gedrückt. Anfang des Jahres kam das Schießtraining als dritter wöchentlicher Termin hinzu.
„Die Ausbildung ist unglaublich vielseitig“, sagt Eva Gerhard. Wild und Wald, Natur- und Tierschutz, Waffenkunde und Hundewesen sind nur einige Themengebiete. „Hinzu kommen viele rechtliche Fragen“, ergänzt Wiebke Kalhöfer.
Das alles mündet in einer dreiteiligen Prüfung: der schriftlichen mit 100 Fragen, der praktisch-mündlichen und zuletzt der Schießprüfung, die jetzt am Schießstand der Jägervereinigung Frankenberg An der Meiserburg erfolgte.
Die zwei Frauen hatten bisher keine Schießerfahrung, haben im Training auf der Schießanlage gelernt, aus verschiedenen Entfernungen auf Wildscheiben zu schießen – unter anderem auf eine sich über das Schießfeld bewegende Scheibe, den „laufenden Keiler“.
„Es kommen viele angehende Jäger zu uns, die vorher noch nie geschossen haben. Auch über 60-Jährige. Wir bringen allen das Schießen bei“, sagt Sven Nord, Schießausbilder der Waldeckischen Jägerschaft. Die Kugeln müssen im Herz-Lungen-Bereich der Tiere landen. Die beiden Frauen haben auch diesen Prüfungsteil gemeistert. Sie werden – wie es für Jäger vorgeschrieben ist – auch in den nächsten Jahren Schießtrainings auf Übungsanlagen absolvieren müssen, wenn sie an Bewegungsjagden teilnehmen wollen.
Was hat die jungen Frauen veranlasst, den Jagdschein zu machen? Das Draußensein in der Natur nennen beide als erstes. Hinzu kommen individuelle Gründe. Landwirtin Wiebke Kalhöfer sagt: „Mein Großvater war Jäger, durch ihn kenne ich die Jagd von Kindheit an.“ Ihre Familie besitze Wald. Sie wisse, wie wichtig es für dessen Erhalt ist, dass die Wildpopulation nicht überhand nehme.
Krankenschwester Eva Gerhard ist Mitglieder der Jagdhornbläsergruppe Waldeck und hat dadurch Kontakt zu Jägern. Sie teilt ihr Interesse auch mit ihrem Lebensgefährten Corvin Neuschröer, der mit ihr den Jägerlehrgang absolvierte. Ob und wo sie nach bestandener Prüfung jagen geht, das stehe noch nicht fest. Wiebke Kalhöfer will einen Begehungsschein in einem Jagdrevier der Region erwerben.
Dass Frauen Jägerinnen werden, sei anders als noch vor 10, 20 Jahren mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, sagt Anna-Maria Hausmann, die Jungjäger-Lehrgänge leitet. Als „gutes Miteinander“ zwischen Männern und Frauen beschreiben die beiden Jungjägerinnen die Atmosphäre im Kurs.
Verhalten sich Frauen bei der Jagd anders als Männer? Dazu meint Anna-Maria Hausmann: „Frauen warten länger ab. Sie wollen den perfekten Schuss abgeben, den perfekten Treffer landen.“ (Von Martina Biedenbach)