Brunnenblick ohne Absturzgefahr: Verfallenes Bodendenkmal im Obersten Holz wird saniert

Ein verfallener Brunnen in einem Wald im Schwalm-Eder-Kreis wird saniert. Ein Grund dafür ist das jahrelange hartnäckige Engagement eines Heimatforschers.
Cappel/Obervorschütz/Niedervorschütz – Ein vom endgültigen Verfall bedrohtes Bodendenkmal im Staatswald Oberstes Holz, ein ungewöhnlicher Brunnen mitten im Wald, wird saniert und damit der Nachwelt erhalten.
Eine Hinweistafel am Waldweg soll über historische Hintergründe informieren, und der fast zugewachsene Brunnen soll über einen Pfad wieder erreichbar sein. Das hat im HNA-Gespräch das Forstamt Jesberg mitgeteilt. Die Bauarbeiten wurden an einen Natursteinbetrieb aus dem Altkreis Ziegenhain vergeben und sollen im Juni beginnen. Das Wasser aus diesem Brunnen versorgte einst die Bewohner und Besucher eines Fasanenhofes und es wurde auch für das Bierbrauen genutzt, was allgemein in Vergessenheit geraten ist.
„Absturzgefahr – Betreten verboten!“ Das steht unübersehbar auf einem Schild neben dem alten Brunnen. Der soll nach der Sanierung für alle erreichbar sein. Der Beton auf dem Brunnen ist zerbröckelt, in einem großen Loch steckt eine verrostete Felge.
Dass nun bald Fachleute eines Steinmetzbetriebes aus dem Schwälmer Land anrücken, ist der Initiative des Heimatforschers Heinz Freudenstein zu verdanken. Der 69-Jährige ist ein profunder Kenner der Heimatgeschichte. Er wurde in Gudensberg geboren, ist in Niedervorschütz aufgewachsen, lebte 40 Jahre in Gudensberg und wohnt heute in Kassel.
Er engagiert sich seit mehreren Jahren für die Sanierung des Brunnens. Dabei bewies er viel Hartnäckigkeit, bohrte immer wieder nach und hatte schließlich beim Landesamt für Denkmalpflege und Hessen-Forst Erfolg. Das Ergebnis fasst die Forstbehörde gegenüber der HNA so zusammen: Hessen-Forst plane in Zusammenarbeit mit Dr. Andreas Thiedmann vom Amt für Denkmalpflege, dem Ortsbeirat Cappel mit Ortsvorsteherin Julia Link und Heinz Freudenstein die Sanierung des 300 Jahre alten Brunnens im Obersten Holz.

Der Brunnen ist nach Freundensteins Recherchen das letzte Relikt eines ehemaligen Fasanenhofes am früheren Sälzer Weg. Dieser wurde etwa zu der Zeit errichtet, als der hessische Landgraf Karl in Wabern ein neues Jagdschloss errichten ließ, er wurde aber nach rund 100 Jahren wieder aufgegeben, als das Interesse an den prunkvollen Jagden in den Ederauen um Wabern nachgelassen hatte.
Heinz Freudenstein sagt dazu: „Bei dem heute noch vorhandenen Brunnenkopf, der 1971 mit einer Betonplatte gesichert wurde, handelt es sich um das letzte sichtbare Relikt, das von dieser Fasanerie im Obersten Holz zeugt. Deren Geschichte ist vor Ort weitestgehend unbekannt, denn das alles war schon wenige Jahrzehnte nach der Auflösung des Fasanenhofes in Vergessenheit geraten.“
In landgräflichen Zeiten gehörte das Oberste Holz zum Forstrevier Obervorschütz und damit zur Oberförsterei Cassel. Die zuständigen Revierförster lebten einst in Obervorschütz, erst in neuerer Zeit in Obermöllrich und Cappel. Heute gehört das Revier zum Forstamt Jesberg.
In Urkunden des Staatsarchivs Marburg wird 1718 erstmals die Besoldung eines eigenständigen Fasanenwärters Wolrad Grebe im Obersten Holz durch die Renterei Gudensberg angewiesen.
Aus einem königlichen Privileg vom 1. Februar 1732 über das Braurecht der Stadt Gudensberg geht laut Freudenstein hervor, dass dem „Förster von Obervorschütz… das Bierbrauen zur Consumtion zugestanden“, also ein Braurecht überlassen wurde. Der Förster von Obervorschütz besaß also ein eigenständiges Brau- und damit Schankrecht, das er am Fasanenhof ausübte. Der Fasanenhof hatte zeitweise den Charakter einer Herberge für die durchziehenden Salzhändler aus Sooden an der Werra.
Der Obervorschützer Bürgermeister Jonas Griesel (1857 – 1941) berichtet in seinen Aufzeichnungen, es habe einen Gutshof für die Sälzer gegeben, „in dem sich Burschen und junge Mädchen aus den umliegenden Dörfern alle 14 Tage zum Tanzvergnügen trafen“. 1790 wurde das Gebiet der Fasanerie wieder bepflanzt, die Fasanenzucht eingestellt.
„Der Historiker Georg Landau beschrieb 1849, dass die Fasanerie im Oberholze um das Jahr 1794 wieder niedergelegt wurde, dass die dazugehörigen Gebäude und Plankenwände denjenigen Einwohnern von Wabern überlassen wurden, welche durch das Auffliegen einiger preußischer Pulverwagen Schaden gelitten hatten“, sagt Freudenstein, der sich in den vergangenen Jahren für den Erhalt des Ortes und die Sanierung des Bodens stark gemacht hat.
Dieser vergessene Ort wurde vor einigen Jahren auch in das Historische Ortslexikon des Landes Hessen aufgenommen. Dass die Behörden jetzt reagieren, macht ihn glücklich: „Ein vergessenes Stück Heimatgeschichte wird wieder lebendig, das ist doch eine tolle Sache“, so Freudenstein. Sein Ziel sei gewesen, diesen Brunnen „aus der geschichtlichen Versenkung herauszuholen.“ Dass so etwas wie dieser Brunnen erhalten bleibe, sei doch im Interesse aller. Der alte Brunnen werde gesichert, „und er soll seiner historischen Bedeutung gerecht werden“, sagt Christian Hiestermann vom Forstamt Jesberg im HNA-Gespräch. Und Hiestermann ergänzt: „Es wird kein Schmuckaufbau, sondern eine Neugestaltung des Brunnenkopfes, die sich dem Historischen anlehnt.“ (Manfred Schaake)
Vergessener Ort wieder lebendig
„Auch die Mitglieder des Ortsbeirates Cappel haben gemeinsam mit Ortsvorsteherin Julia Link ihre Unterstützung bei der Umsetzung des Projektes zugesagt“, heißt es auf HNA-Anfrage vom Ortsbeirat. Die Freilegung und Erhaltung der historischen Anlage sowie der originalgetreue Wiederaufbau würden „sehr begrüßt“. Mit der zusätzlichen geschichtlichen Aufarbeitung dieser historischen Stätte im nahe gelegenen Erholungsgebiet werde dieser vergessene Ort in die Gegenwart transportiert. Julia Link sagt: „Es freut uns, dass für zahlreiche ortsansässige Spaziergänger und auch andere interessierte Waldbesucher mit der Umsetzung des Projektes ein Stück heimatlicher Geschichte erhalten und erlebbar wird.“