Für die Verwaltungen sind die „Spaziergänge“ aber oft ein Problem: Sie können keine Auflagen machen. „Spontaner Protest“ nennen es die Verantwortlichen, die so im Vorfeld keine Auflagen bekommen können. Das Hauptproblem: Meldet niemand den Corona-Spaziergang an, gibt es auch keinen verantwortlichen Leiter.
Die Versammlungs- und die Meinungsfreiheit seien hohe Güter, die vom Grundgesetz geschützt sind, sagt Dr. Philipp Rottwilm, SPD-Kreisvorsitzender und Neuentals Bürgermeister. In einer Demokratie müsse man andere Meinungen aushalten. „Wir dürfen aber nicht müde werden, um Solidarität zu werben“, sagt er. Allerdings seien die Spaziergänge sicher keine spontanen Treffen. Deshalb müssten sie angemeldet werden und es dafür Auflagen geben. „
„Masken und Abstand“, fordert Günter Rudolph, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion und Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion aus Edermünde. Er spricht von einem möglichen Missbrauch des Versammlungsrechts durch die Spaziergänger.
Rottwilm, Rudolph und der SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Edgar Franke (Gudensberg) betonen im HNA-Gespräch, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt wichtig sei. Das effektivste Mittel, den Corona-Beschränkungen zu entkommen, sei die Impfung, so Franke, der parlamentarischer Staatssekretär von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist.
Der SPD Unterbezirk Schwalm-Eder-Nord fordert die Kommunen auf, den Montagsspaziergängern Einhalt zu gebieten. Das trifft bei den Bürgermeistern der betroffenen Städte auf gemischte Gefühle. Denn so einfach, wie die Lage scheint, ist sie nicht.
„Wir stufen die Spaziergänge als Versammlungen ein“, sagt Fritzlars Bürgermeister Hartmut Spogat. In Abstimmung mit der Polizei werde vor Ort über das Vorgehen gesprochen. Bisher wurden keine Spaziergänge angemeldet.
Gemessen an der Bedeutung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit könnten Versammlungen nicht aufgelöst werden, wenn sich einzelne Teilnehmer nicht an Auflagen halten. „Diese Automatik gibt es nicht“, sagt Spogat.
Stattdessen würden die Teilnehmer aufgefordert, beispielsweise Abstände einzuhalten, was in der Vergangenheit dann auch beachtet worden sei. „Es wird versucht, deeskalierend auf das Einhalten der Regeln hinzuwirken.“ Die Regeln der Corona-Schutzverordnung, die etwa bei Veranstaltungen gelten, kämen bei Versammlungen nicht zur Anwendung. „Für sie gelten die Regeln des Versammlungsrechts“, so Spogat.
Während der Zeit der angeordneten Maskenpflicht in den Fußgängerzonen hätten dort keine Montagsspaziergänge stattgefunden. Die Teilnehmer, die den Marktplatz passierten, hätten Masken getragen. Seit vergangenem Montag bestünde die Maskenpflicht nicht mehr.
Die Spaziergänge in Homberg haben relativ wenig Zulauf. Sie werden von Polizei und Ordnungsamt begleitet. Eine Maskenpflicht auf dem Marktplatz etwa gibt es nicht. Gegen diese Pflicht kann also nicht verstoßen werden. Die Treffen stehen trotzdem auf der Agenda der Stadt.
„Man muss berücksichtigen, dass die Versammlungsfreiheit ein geschütztes Gut ist“, sagt Bürgermeister Dr. Nico Ritz. Er betont aber, dass mögliche Verstöße bei den Spaziergängen vom Ordnungsamt der Stadt festgehalten und anschließend auch geahndet werden.
In Niedenstein scheint sich währenddessen eine neue Gruppe zu bilden. Ein erster Spaziergang ist laut einer Mitteilung in dem Kurznachrichtendienst Telegram für Montag, 14. Februar, geplant. Das Motto: „Es reicht! Niedenstein steht auf!“ „Wenn wirklich etwas stattfinden sollte, sind wir vorbereitet“, sagt Bürgermeister Frank Grunewald. „Meine Kollegen haben alles im Blick. Von daher habe ich keine große Sorge.“ Falls der Spaziergang stattfinden sollte, sei eine Gegenpositionierung für 17.30 Uhr auf dem ehemaligen Festplatz an der Schulstraße in Niedenstein geplant. „Diese ist bereits angemeldet und wird unter den notwendigen Auflagen ablaufen“, sagt er.
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An der Gegenpositionierung würden neben Grunewald und den Parlamentsmitgliedern auch Vereine, Verbände und die Kirche aus Niedenstein teilnehmen. „Wir verzichten auf Symbolik in Form von Plakaten. Redebeiträge soll es aber geben.“ Nach Angaben aus dem Kreishaus liegen für Niedenstein zwei angemeldete Versammlungen vor. (Maja Yüce, Chantal Müller, Daniel Seeger und Cora Zinn)
Nicht nur Gegner der Corona-Maßnahmen gehen im Schwalm-Eder-Kreis auf die Straße, in Fritzlar gab es zuletzt Protest gegen die Spaziergänge.