Aus Fritzlar waren es ein Sattelzug und ein Lkw mit Anhänger, die vollgepackt mit Hilfsgütern in Richtung Türkei starteten. Die zweite Hilfslieferung, die über den Land- und Seeweg erfolgt, ist derzeit noch unterwegs. Zwei ehrenamtliche Fahrer pro Lkw sorgen dafür, dass die Hilfsgüter auch bei denen ankommen, die sie dringend brauchen.
„Wir nehmen die Fähre ab Italien, weil wir so eine Menge Zeit sparen können“, sagt Reinhard Kremser, der als Schirrmeister der Landesverstärkung in Fritzlar für Fahrzeuge und Gerät zuständig ist. Denn: Die Wartezeiten für Laster an Grenzübergängen könne sehr lang sein. So geht es für die Lkw des DRK aus Fritzlar und aus Berlin-Schönefeld von Venedig oder Ancona direkt nach Griechenland. Die Standorte in Fritzlar und Berlin dienen als Logistikstützpunkte.
In die Krisenregion gebracht wurden unter anderem Decken und Zelte (Hintergrund). Bei den Zelten handelt es sich nicht um einfache Camping-Zelte, erklärt Reinhard Kremser. Der Boden besteht aus Aluminium und ist isoliert, außerdem sind Heizung und Licht mit dabei.
Bei diesen Hilfslieferungen gehe es nicht um die erste Nothilfe, sondern darum, den Menschen in den betroffenen Gebieten wieder einen halbwegs geregelten Alltag zu ermöglichen, erklärt Kremser. Zuvor wurden bereits Hilfsgüter aus Fritzlar mit dem Flugzeug transportiert. Dafür wurden Container per Lkw ins Niedersächsische Wunstorf gebracht. Dort übernahm dann die Luftwaffe.
Allein im ersten Kontingent, das sich aus dem Schwalm-Eder-Kreis in die Provinz Hatay aufgemacht hatte, war eine Vielzahl an Hilfsgütern an Bord. Unter anderem transportierten die Ehrenamtlichen laut Rotem Kreuz 4625 Decken, zwei Waschmaschinen, insgesamt 17 Zeltheizungen mit unterschiedlicher Heizleistung, 17 Stromerzeuger (3 kVA), Kraftstoffkanister und zwei Duschcontainer. Für die Vorbereitung waren über 20 DRK-Helfer im Einsatz. (see)
Wenn Hilfe gebraucht wird, dann muss es bei der DRK-Landesverstärkung in Fritzlar richtig schnell gehen. Bei der Landesverstärkung gibt es eine Vorlaufzeit von nur sechs bis acht Stunden – so war es auch bei Alexander Weigel. Der 26-jährige Gudensberger war einer von vier Ehrenamtlichen, die mit zwei Lkw Hilfsgüter in die Türkei gebracht haben. Abends klingelte das Handy, am nächsten Tag ging es los, erinnert sich Weigel.
Zwölf Tage waren sie unterwegs: Ihre Route führte zunächst von Fritzlar in die italienische Lagunenstadt Venedig. Von dort aus ging es per Schiff nach Griechenland, wo die Lkw wieder auf der Straße bis in die Türkei rollten. „Wir sind jeden Tag im Schnitt 1000 bis 1200 Kilometer gefahren“, sagt Weigel. Die reine Fahrtstrecke sei 6600 Kilometer gewesen – dazu kommt noch der mit der Fähre zurückgelegte Weg. „Der Landweg in die Türkei ist zu lang und zu verstopft“, ergänzt Reinhard Kremser, Schirrmeister der DRK-Landesverstärkung in Fritzlar. Man müsse zu viele Grenzen passieren und die Wartezeit dort war sehr lang.
Ein zweiter DRK-Convoy aus Berlin-Schönefeld sei von Ancona aus nach Griechenland übergesetzt. Bis in die stark vom Beben betroffene Provinz Hatay führte es einen Teil der Rotkreuzler. „Damit wir sicher ankommen und alle ihre Fahrzeiten einhalten, haben wir alle zwei bis drei Stunden den Fahrer gewechselt“, erinnert sich Weigel. Hotels und Verpflegung organisierten sich die vier Lkw-Fahrer selbst. An der türkisch-griechischen Grenze war die Wartezeit kurz. Dort wurden die Helfer sehr freundlich empfangen. „Die Leute wollten sogar Fotos mit uns machen“, sagt Weigel. Für die schnelle Abfertigung sorgte auch ein hauptamtlicher DRK-Kollege aus Berlin. „Deren Convoy war schon früher über die Grenze gefahren, er ist dann am Grenzübergang geblieben, um alles für uns zu regeln.“
„Wir waren schon ein wirklich gutes Team“, so der Gudensberger. „Abends haben wir zusammengesessen und uns über den Tag besprochen.“ Das helfe auch, die Erlebnisse zu verarbeiten. Die Schäden in der Region sind teilweise sehr unterschiedlich. „Als wir durch einige Bergdörfer gefahren sind, sah es aus, als ob nur wenig passiert wäre – teilweise war nur der Putz abgebröckelt“, sagt Weigel. Doch einige Kilometer weiter im Tal wurde das Ausmaß deutlich. „Da sah man dann auch die typischen zusammengestürzten Hochhäuser.“ Schreckliche Bilder, die die meisten nur aus den Nachrichten kennen.
Als die Fritzlarer im Krisengebiet ankamen, waren die Aufbauarbeiten schon im vollen Gange. „Es waren unglaublich viele Bagger da, die den Schutt weggeräumt haben“, sagt Weigel. Die DRK-Helfer aus dem Schwalm-Eder-Kreis sind nicht bei der Rettung von Menschen beteiligt. Ihr Job: Nach der Katastrophe mit Zelten, Aggregaten und Container für etwas mehr Infrastruktur zu sorgen.
„Die Menschen vor Ort waren unglaublich freundlich und dankbar.“ An Tankstellen bekamen die Helfer Tee angeboten und viele Autofahrer grüßten per Hupe oder Warnblinker. „Auch die gegenseitige Hilfsbereitschaft in der Türkei war riesig“, etliche Angebote seien nicht zentral gesteuert. Einige Not-Unterkünfte standen auch in privaten Gärten, außerdem gab es Zelte und Unterkünfte von der türkischen Zivilschutzbehörde AFAD.
Doch woher wissen die Fritzlarer Helfer eigentlich, was in den Katastrophengebieten gebraucht wird? Koordiniert wird alles vom DRK in Berlin, die in engem Kontakt mit den türkischen Kollegen vom Roten Halbmond stehen. Das Pendant zum Roten Kreuz in muslimischen Ländern. „Es ist ein anderes Symbol, aber der gleiche Grundgedanke“, sagt der Gudensberger. „Die Helfer vom Roten Halbmond sind vor Ort und wissen, was dort gebraucht wird.“ Im Gepäck hatten sie winterfeste Zelte, Decken, aber auch Stromerzeuger und Heizungen.
Nicht weniges, was nun in die Türkei gebracht wurde, war bereits im Einsatz. Zum Beispiel als im Jahr 2015 viele Geflüchtete nach Deutschland kamen oder aber bei der Flutkatastrophe im Ahrtal, wo die DRK-Helfer unter anderem Container oder Stromerzeuger im Einsatz hatten. Auch dort war Alexander Weigel zusammen mit vielen anderen ehrenamtlichen Helfern des DRK aus dem Kreis vor Ort. „Alles, was mal im Einsatz war, wird natürlich aufbereitet und getestet“, betont Schirrmeister Reinhard Kremser. Derzeit ist ein zweiter Konvoi unterwegs, um Hilfsgüter in die Türkei zu bringen. Ob weitere folgen, hängt vor allem davon ab, ob weiteres Material angefordert ist. Kommt die Meldung, sind die Ehrenamtlichen vom Roten Kreuz wieder im Einsatz. (Daniel Seeger)