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Das letzte Abendmahl: Prämonstratenser verlassen Fritzlar

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Volle Bänke zum Abschied: Bei der letzten Messe der Prämonstratenser in Fritzlar drängten sich die Gläubigen in der Krypta des Domes, viele mussten stehen. Hinten die Chorherren Simon Petrus (links) und Conrad. Foto: Dellit

Fritzlar. Der Abschied war kurz, schmerzlos war er nicht. Mit einer Messe in der Krypta des Domes beendeten die Chorherren vom Orden der Prämonstratenser am Freitag ihr Wirken in Fritzlar.

Mehr als 100 Menschen drängten sich in dem Gewölbe. Der Dom selbst wird zurzeit mit viel Aufwand saniert – man könnte das als Sinnbild für den Zustand der Gemeinde deuten. Nachdem einer der Prämonstratenser sexuellen Missbrauch in mehr als 30 Fällen gestanden hatte, war entschieden worden, den Orden aus Fritzlar abzuziehen.

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Der Priesterskandal und seine Folgen

Das letzte Abendmahl mit den Prämonstratensern fand am Tag des Heiligen Wigbert an dem Ort statt, wo Wigberts Schrein steht. Prior Conrad erinnerte daran, dass er und seine Brüder genau 21 Jahre zuvor, ebenfalls am 13. August, von ihrem Kloster in Österreich ausgesandt worden waren. Damals sei das in Form der Eucharistie erfolgt. Dieses Sakrament müsse der rote Faden, „eher ein Seil, das Halt gibt“, für die Gläubigen sein, auch in der Zukunft: „Und das soll bleiben.“

Außer in Conrads Worten wurde der Abschied in der Messe nicht angesprochen. Der Prior verwies jedoch auf einen Brief, der am Eingang ausgelegt war (siehe weiterer Artikel).

Eine wehmütige Stimmung war in der Krypta dennoch zu spüren, allenfalls zwischen den Zeilen vermochte man Anspielungen auf das Ende einer katholischen Ära in Fritzlar erkennen.

So las Herr Anselm aus dem Matthäus-Evangelium:

Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. [...]

Wer aber meine Worte hört und nicht danach handelt, ist wie ein unvernünftiger Mann, der sein Haus auf Sand baute.

Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es ein und wurde völlig zerstört.

Mit den berührenden Klängen von Johann Sebastian Bachs „Jesus bleibet meine Freude“ wurden die Gläubigen in den Abend entlassen, in das erste Wochenende seit zwei Jahrzehnten ohne die Prämonstratenser in der Domstadt.

„So, das war das letzte Mal“, sagte eine Kirchenbesucherin vor dem Dom. „Ja, die hauen noch heute Nacht ab“, antwortete ein anderer.

Der Wortlaut des Briefes in Auszügen:

Mit einem Brief haben sich die Prämonstratenser von der Gemeinde verabschiedet. Auszüge: • „Daher gehen auch jetzt beim Abschied unsere Gedanken zuerst zu denen, die Opfer geworden sind. (...) Wir bitten sie von Herzen um Vergebung für das, was ihnen angetan wurde.“ • „Dieser Skandal ist eine Katastrophe für die Opfer und die ganze Kirche, nicht nur am Ort, sondern weit darüber hinaus, ja für die Gesellschaft insgesamt. Es tut uns leid, dass so viele Menschen in ihrem christlichen Glauben, in ihrem menschlichen Vertrauen und in ihrer kirchlichen Bindung erschüttert wurden.“ • „Was gelungen ist und gut war, was die Gemeinde auferbaut hat und Menschen mit Freude erfüllt hat – auch das übergeben wir dem lebendigen Gott und seinem Urteil. Nicht wir ziehen Bilanz, sondern er, in dessen Dienst wir hier gestanden haben.“ • Wir vier Mitbrüder werden für die nächsten Monate getrennte Wege gehen, um Vergangenes zu verarbeiten und, so Gott will, neue Perspektiven zu finden. Bitte, begleiten Sie uns auch dabei mit Ihrem Gebet.“ • Unterzeichnet von den Herren Conrad, Marcus, Simon Petrus und Anselm o.praem.

Lesen Sie hier den ganzen Brief als PDF

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