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Lipödem mit Fettabsaugung lindern: Betroffene aus der Region ist unheilbar krank

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Von: Chantal Müller

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Schmerzfrei zu leben ist ihr großer Wunsch: Dagmar Scholling leidet an einem Lipödem. Die Kasselerin leitet die Lipödem-Selbsthilfegruppe in Fritzlar.
Schmerzfrei zu leben ist ihr großer Wunsch: Dagmar Scholling leidet an einem Lipödem. Die Kasselerin leitet die Lipödem-Selbsthilfegruppe in Fritzlar. © Foto: Chantal Müller

Hinter diesem Übergewicht steckt eine schlimme Krankheit, die nicht heilbar ist: Dagmar Scholling leidet an einem Lipödem. Der Kasselerin könnte jetzt aber vielleicht bald geholfen werden.

Aktualisiert um 9.07 Uhr - Gegen Fettverteilungsstörungen kann eine operative Fettabsaugung helfen. Krankenkassen zahlen den Eingriff bisher nicht. Ein Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn gibt einer Betroffenen aus Fritzlar Hoffnung.

Es fing in der Pubertät an. Die Oberschenkel wurden dicker, der Po veränderte sich. Nach der Schwangerschaft kamen die Schmerzen hinzu. Dagmar Scholling war sportlich, spielte Handball, konnte sich die Veränderungen ihres Körpers nicht erklären, machte Diäten und noch mehr Sport. Sie sei einfach zu dick, hörte sie einen Arzt nach dem anderen sagen. Bis sie eine Lungenembolie hatte. 

In der sich anschließenden Reha erhielt sie die Diagnose Lipödem – und das mit 41 Jahren.

Ernährung spielt bei Lipödem keine Rolle

„Ich dachte immer, ich muss nur weniger essen“, erzählt die 50-Jährige. Gewicht habe sie dadurch aber nie verloren. Sie habe viele Diäten ausprobiert, mehr als zehn Kilo aber nie abgenommen. „Die Beine blieben immer dick“, sagt die Kasselerin. Die Arme so hoch zu heben, um sich die Haare zu föhnen – für die 50-Jährige zeitweise unmöglich. Irgendwann habe sie sich mit Schmerzen und Gewicht abgefunden.

Bis zum Jahr 2009. Einer Lungenembolie folgten Krankenhaus- und Rehaaufenthalte, eine Therapeutin fiel auf, dass mit Scholling etwas nicht stimmen konnte. „Dort wurde ich richtig versorgt“, sagt sie.

Dagmar Scholling leitet die „Selbsthilfegruppe bei Lip-Lymphödem LiLy-Belles Nordhessen“ aus Fritzlar, die im August 2018 entstanden ist. Nach ihrer Diagnose habe sie eine Möglichkeit gesucht, um auf ihre Krankheit aufmerksam zu machen und sich auszutauschen. 41 Teilnehmer gibt es, etwa 15 von ihnen treffen sich regelmäßig im Sanitätshaus Thiel.

Mehreren Rehaaufenthalten folgten Operationen. Dagmar Scholling entschied sich schließlich für die Liposuktion. Der Vorstoß von Jens Spahn, die Liposuktion zur Kassenleistung zu machen, gibt ihr Hoffnung. 25 000 Euro hat Scholling bisher investiert, um wieder schmerzfrei zu werden, steht vor ihrer siebten Operation. Ohne die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern sei das alles nicht möglich gewesen, berichtet die 50-Jährige. 33 Liter Fett wurden ihr bisher abgesaugt.

Lesen Sie dazu auch diesen Artikel: Nach Lipödem-Drama - Warum zahlt die Krankenkasse keine OP?

Lipödem ist nicht heilbar

Ein Lipödem ist nicht heilbar. Die Eingriffe ermöglichen den Patienten aber, wieder schmerzfrei zu sein. „Man kann sich wieder bewegen. Das Gewebe wird viel weicher“, sagt Scholling. Trotzdem könne sie sich nicht darauf ausruhen. „Ohne Sport und eine gesunde Ernährung geht es nicht.“ Deshalb geht Scholling einmal wöchentlich zum Wassersport und zur Fitness, zwei Mal wöchentlich zum Funktionstraining, Yoga und Faszientraining stehen ebenfalls auf ihrem Sportprogramm. Zeit für die Lymphdrainage, die zur konservativen Therapieform gehört, muss sie ebenfalls einplanen.

Viel anstrengender als das straffe Sportprogramm seien aber die Blicke und Sprüche wie „Mein Gott, hat die einen Arsch“ von anderen Menschen. „Das beschäftigt einen psychisch.“ Umso wichtiger sei es, dass man mit sich selbst im Reinen ist, sagt Scholling.

Ihr Ziel sei es nicht, jemals 60 Kilo zu wiegen. „Mein großer Wunsch ist, dass ich mich irgendwann nicht mehr operieren lassen muss. Ich möchte schmerzfrei leben.“

Kontakt: E-Mail lily-belles@web.de oder bei Facebook unter dem Namen LiLy-Belles Nordhessen.

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Dr. Jochen Röthele gibt Antworten auf Fragen zu Lipödem

Von Lipödemen sind fast ausschließlich Frauen betroffen. Mit gesunder Ernährung und Sport kann man der Krankheit vorbeugen. Dr. Jochen Röthele aus Fritzlar beantwortet die wichtigsten Fragen zum Lipödem. 

Was ist ein Lipödem? 

Es handelt sich um eine Fettgewebsvermehrungs- und Verteilungsstörung. Patienten setzen speziell an Gesäß und Oberschenkel vermehrt Gewebe an. In einigen Fällen können auch Arme und Unterschenkel betroffen sein. Im Gegensatz zu reinem Übergewicht haben die Patienten eine Neigung zu Blutergüssen und klagen über eine gesteigerte Druckempfindlichkeit und Schmerzen. 

Warum ist ein Lipödem so schmerzhaft? 

Das Gewebe ist gereizt und druckempfindlich, dies wird vermutlich durch entzündungsähnliche Prozesse verursacht. Bewegung wie Treppen steigen und Sport können wehtun. 

Warum tritt die Erkrankung fast ausschließlich bei Frauen auf?

 „Die Hormone spielen eine Rolle“, erklärt Dr. Jochen Röthele. Es gibt einen Zusammenhang zwischen den Erkrankungen und den weiblichen Geschlechtshormonen. Es kann aber nicht ein einzelnes Hormon dafür verantwortlich gemacht werden.

 In welchem Alter erkranken die meisten Frauen?

 Erkrankungen treten ab der ersten großen Hormonumstellung in der Pubertät auf. Auch nach Schwangerschaften oder in den Wechseljahren können Frauen erkranken.

Wie kann ein Lipödem behandelt werden? 

Bei einem Lipödem ist der Schmerz meist das Hauptproblem. Er lässt sich laut Röthele mit einer maßgefertigten flachgestrickten Kompression deutlich lindern. Sie wirkt durch Druck auf das erkrankte Gewebe. Einen ähnlich positiven Effekt auf den Gewebsschmerz hat eine Lymphdrainage. Die Wirkung hält allerdings nur kurz an. Die Lymphdrainage ist daher keine empfohlene Dauerbehandlung. Auch Bewegung ist wichtig. Sie fördert den Lymphfluss und erleichtert das Abnehmen. Hinzu kommt eine bewusste Ernährung. Der Verzicht auf Kohlenhydrate soll die Schmerzen verringern.

 Wie funktioniert eine Liposuktion?

 Das ist ein operativer Eingriff. Dabei werden Flüssigkeit und Betäubungsmittel in das Gewebe gespritzt. Dadurch verflüssigt sich das Fett und kann mit Sonden abgesaugt werden. Pro Behandlung sind dies fünf bis sieben Liter. Da die meisten Patienten einen deutlich größeren Gewebeüberschuss haben, sind oft mehrere Eingriffe nötig. Durch das Absaugen entstehen unter der Haut große Wunden, die verheilen müssen.

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