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Mord in fünf Fällen? Falsche Ärztin arbeitete im Klinikum Fritzlar

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Von: Daria Neu

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Hier soll sie fünf Menschen ermordet haben: Die mutmaßlich falsche Ärztin Meike W. war zwischen 2015 und 2018 am Fritzlarer Hospital zum Heiligen Geist tätig.
Hier soll sie fünf Menschen ermordet haben: Die mutmaßlich falsche Ärztin Meike W. war zwischen 2015 und 2018 am Fritzlarer Hospital zum Heiligen Geist tätig. © Daria Neu

Eine Frau gab sich im Klinikum Fritzlar als Ärztin aus. Vor Gericht muss sie sich jetzt unter anderem wegen mutmaßlichem Mord in mehreren Fällen verantworten. 

Fritzlar – Schon fast zwei Jahre ist es her, dass die ersten Hinweise auf die Tätigkeit einer falschen Ärztin am Fritzlarer Hospital ans Licht kamen. Zu Beginn ging kaum jemand von einem allzu großen Schaden aus. Seither hat sich die Situation dramatisch verändert. Nun steht Meike W. vor Gericht und ist unter anderem wegen Mordes in fünf Fällen angeklagt.

Mordprozess um falsche Ärztin: 13 Verhandlungstage

Mehrfacher Mord – dies ist der schwerwiegendste Vorwurf, für den sich die mutmaßlich falsche Ärztin Meike W. heute erstmals vor der sechsten Strafkammer des Landgerichts Kassel verantworten muss. Es ist der erste von insgesamt 13 Verhandlungstagen, der vor allem in einer Frage Licht ins Dunkel bringen soll: Hat Meike W. den Tod von fünf Menschen und schwere gesundheitliche Schäden weiterer Patienten aus eigensüchtigen Motiven in Kauf genommen?

Im Saal D 130 will man heute ab 9 Uhr mit der Suche nach einer Antwort beginnen. Laut Landgericht wird der Vorsitzende Richter der sechsten großen Strafkammer, Volker Mütze, den Prozess an allen Verhandlungstagen führen. Zum heutigen Prozessauftakt sind außerdem ein Zeuge und ein Sachverständiger geladen. Nach HNA-Informationen handelt es sich bei dem Zeugen um einen Polizeibeamten. Auf Seiten der Verteidigung von Meike W. sollen die Kasseler Rechtsanwälte Dr. Sven Schoeller und Thomas Hammer im Gericht anwesend sein.

Mordprozess zur mutmaßlich falschen Ärztin am Fritzlarer Hospital: Es gibt Nebenkläger

An jedem Tag ist außerdem ein Nebenkläger anwesend, heißt es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Kassel. Laut Pressesprecher Dr. Stephan Schwirzer wird diese „die Hauptverhandlung voraussichtlich mit zwei Sitzungsvertretern wahrnehmen“. Namen nenne er im Vorfeld nicht.

Erste Hinweise auf die mutmaßlichen Taten der falschen Ärztin kamen erstmals im Oktober 2019 an die Öffentlichkeit. Seit ihrer Verhaftung ist Meike W., die sich im Fritzlarer Hospital zum Heiligen Geist unter anderem eine Anstellung als Assistenzärztin erschlichen haben soll, in Untersuchungshaft. Von 2015 bis 2018 soll sie in der Klinik gearbeitet haben.

Mordprozess um falsche Ärztin: Sachverständiger geladen

Dem heutigen Prozessauftakt folgt gleich morgen ein weiterer Verhandlungstag. Dabei sind laut Staatsanwaltschaft vier Zeugen und ein Sachverständiger geladen. Alle Verhandlungstage sind öffentlich. Allerdings gibt es laut Landgericht aufgrund der geltenden Corona-Schutzmaßnahmen nur ein eingeschränktes Platzangebot. Im Gebäude gelten sowohl die Abstandsregeln als auch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung.

Liste der Anklagepunkte ist lang 

Die Liste der Anklagepunkte im Fall der falschen Ärztin ist lang: Mord in fünf Fällen, versuchter Mord in elf Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung – in all diesen Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Ausübung der Heilkunde. Hinzu kommt Urkundenfälschung in fünf Fällen. Der Missbrauch von Berufsbezeichnungen und Titeln sowie Betrug sind weitere Vorwürfe. In zwei Kliniken soll sie sich eine Anstellung als approbierte Ärztin erschlichen haben.

Mordprozess um falsche Ärztin Fritzlar: Eine Chronologie

- 13. Februar 2019: Erstmals berichtet die HNA über die mutmaßlich falsche Ärztin am Fritzlarer Hospital. Auch zu diesem Zeitpunkt wurde die Frau bereits verdächtigt, sich als Ärztin ausgegeben zu haben und nicht über eine Approbation zu verfügen. Sorgen über den Gesundheitszustand der Patienten gab es nach der ersten Durchsuchung im Januar aber noch nicht. Anfang des Jahres schrieb die Staatsanwaltschaft, es gäbe keine Hinweise, dass jemand zu Schaden gekommen ist.

- 29. Oktober 2019: Gegen Meike W. wird Haftbefehl erlassen. Der Vorwurf lautet zu diesem Zeitpunkt: Durch fehlerhafte Anästhesien soll es in der Fritzlarer Klinik in vier Fällen zum Tod von Patienten gekommen sein. Acht weitere Menschen sollen gesundheitlich geschädigt worden sein. 52 Polizeibeamte durchsuchen das Hospital. Durchsuchungen finden auch im Landkreis Uckermark statt.

- 2. November 2019: Zur Aufnahme von Hinweisen und für Anfragen von Angehörigen oder Betroffenen hat die Kriminalpolizei ab sofort ein Hinweistelefon eingerichtet.

- 4. November 2019: Jetzt ist klar: Die mutmaßlich falsche Ärztin ist keine Unbekannte in Nordhessen. Die 48-Jährige wollte 2012 Bürgermeisterin in Bad Emstal werden, scheiterte aber. Die Frau soll aus Kassel stammen.

Mordprozess um falsche Ärztin Fritzlar: Hospital wirbt um Vertrauen

- 9. November 2019: Das Fritzlarer Hospital wendet sich an die Öffentlichkeit, um um Vertrauen zu werben. Man habe sämtliche Approbationen der Ärzte lückenlos auf ihre Echtheit überprüfen lassen und uns diese von den zuständigen Kammern bestätigen lassen, heißt es seitens der Geschäftsführung. Im Fall der falschen Ärztin sei deren Zulassung von der Kammer mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar bestätigt worden, denn der Landesärztekammer ist einer Sprecherin zufolge erst im Oktober 2018 aufgefallen, dass die angeblich in Rheinland-Pfalz ausgestellte Zulassungsurkunde der 48-Jährigen nicht echt sein konnte.

- 11. November 2019: Noch etwas kommt ans Tageslicht: Meike W. erhielt 2007 die Doktorwürde im Fachgebiet Biochemie. Doch womöglich trägt sie auch diesen Titel zu Unrecht. Viele Passagen ihrer Dissertation sind offenbar abgeschrieben. Schon mit einer einfachen Google-Recherche finden sich im Handumdrehen eindeutige Plagiate.

- 15. November 2019: Auf dem Friedhof in Gensungen wird der Sarg eines 2016 verstorbenen 80-jährigen Mannes ausgegraben und in ein gerichtsmedizinisches Institut nach Kassel gebracht. Die Exhumierung soll der Aufklärung der Todesursache sowie der Frage dienen, inwieweit die Fehlbehandlung, die Meike W. zur Last gelegt wird, den Tod herbeigeführt haben könnte.

Mordprozess um falsche Ärztin am Fritzlarer Hospital: Staatsanwaltschaft Kassel erhebt Anklage

- 13. Dezember 2019: Das Fritzlarer Hospital setzt Ombutsmann Roland Hoyer ein, der als Wegweiser für Patienten und Angehörige zur Verfügung stehen soll. Er gibt Infos zum Thema Schadensersatz oder zu Anlaufstellen für ärztliche, rechtliche und psychologische Beratung.

- 19. Mai 2020: Die Staatsanwaltschaft Kassel erhebt Anklage gegen Meike W. Die Rede ist von Mord in fünf Fällen, gefährlicher Körperverletzung in elf Fällen und von zahlreichen weiteren Punkten. Auch das Hospital hatte im Vorfeld Anzeige wegen Betrugs erstattet. Wann ein Hauptverfahren beginnen könnte, ist noch unklar.

- 16. Januar 2021: Jetzt steht es fest: Meike W. muss sich vor dem Landgericht verantworten. 13 Verhandlungstage sind angesetzt. Los geht es am 27. Januar um 9 Uhr vor der sechsten großen Strafkammer. Bislang ist der letzte Verhandlungstag Ende März angesetzt.  may/rud/chm/neu

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