Immer öfter richtet sich Gewalt gegen Einsatzkräfte

Deeskalation und Prävention sind Schlüsselbegriffe, wenn es um Angriffe auf Helfer geht. Die DRK Schwalm-Eder schult die Mitarbeiter für den Einsatz.
Homberg – Immer wieder sorgen Angriffe auf Einsatz- und Rettungskräfte bundesweit für Aufsehen und Fassungslosigkeit. Erst am Donnerstag wurden mehrere Polizisten und Feuerwehrleute bei einem Routineeinsatz in Ratingen Opfer eines Explosionsanschlags und dabei schwer verletzt.
Auch wenn Gewalt gegen Mitarbeiter von Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienst kein neues Phänomen ist, hat die Gewaltbereitschaft in den vergangenen Jahren zugenommen, davon ist Mark Lesch aus Homberg überzeugt. Der 52-Jährige ist seit 30 Jahren im Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes tätig. „Das Thema ist eigentlich immer aktuell.“
Warum Rettungskräfte vermehrt Aggressionen erfahren, kann sich Lesch nicht erklären. Oft seien es junge Täter, die unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stehen würden. Dadurch sinke die Hemmschwelle und es könne bei Großveranstaltungen wie dem Homberger Weinfest eine unberechenbare Gruppendynamik entstehen, erzählt der erfahrene Notfallsanitäter. „Aber auch alltägliche Situationen im Dienst können kippen.“
Steigende Gewalt und sinkende Hilfsbereitschaft
Kollege Holger Schwalm aus Frielendorf hat genau das erlebt. Bei einem Patiententransport wurde er von einem Angehörigen überraschend angegriffen und ins Gesicht geschlagen. Er musste im Krankenhaus behandelt werden. Seitdem ist er auch bei Routineeinsätzen sehr vorsichtig. „Ich habe jetzt ein noch wachsameres Auge“, sagt der 60-Jährige. „Das Schamgefühl der Leute und auch die Hilfsbereitschaft nimmt generell ab“, ergänzt er. So käme es häufig vor, dass Menschen bei einem Einsatz erst mal ihr Smartphone herausholen und das Geschehen filmen und fotografieren.
Das bestätigt auch Jonas Meier. Der 21-Jährige arbeitet seit einem Jahr als Rettungssanitäter. Den Umgang mit Aggressionen und Konflikten in Einsatz hat er während der dreijährigen Ausbildung gelernt. Aber: Jede Situation ist anders. Bei einigen Einsätzen begleite sie von vornherein die Polizei. „Auf der einen Seite wollen wir helfen, auf der anderen Seite begeben wir uns selber in Gefahr“, so Lesch.

In einer Fortbildung für Praxisanleiter der Homberger Rettungsdienstschule wurde das Thema intensiv behandelt. „Es geht darum potenzielle Gefahrenmomente besser zu erkennen und die Mitarbeiter dafür zu sensibilisieren“, sagt Mark Lesch, der neben seiner Arbeit als Sanitäter, auch Fortbildungsleiter vom DRK Schwalm-Eder ist. Sven Seeger, Trainer für Deeskalation und Eigensicherung im Rettungsdienst, spielte mit den Teilnehmern verschiedene Szenarien durch. An verbale Angriffe hätten sich inzwischen viele Kollegen gewöhnt, sagt Seeger. Erschreckend sei es, dass es nicht bei Beschimpfungen bleibe, sondern die Gewalt vermehrt körperlich werde. Einen Grund dafür sieht er in der veränderten Wahrnehmung: „Der Rettungsdienst wird zunehmend als lästiger Dienstleister und Störfaktor gesehen.“ (Josefin Schröder)