Und sie betonen, dass diese mit dem Brief nicht nur Stellung beziehen, sondern fordern auch Konsequenzen – und zwar nicht weniger als die Fortsetzung einer Neuausrichtung der Kirche. „Konsequente und zügige Aufarbeitung aller Missbrauchsfälle, transparent und nachvollziehbar“, heißt es weiter. Dazu gehöre auch die juristische Verfolgung der Täter.
„In unseren Gemeinden in Borken und Homberg achten wir auf ein gutes und wertschätzendes Miteinander“, so Kirchhofs und Fischer. Bei jeglicher Form des Missbrauchs, die man in den Gemeinden wahrnehme, würde sofort sensibel reagiert. In dem Brief rufen sie auch zur Beendigung von Diskriminierung von Menschen durch die Kirche und eine zügige Umsetzung von Veränderungen des kirchlichen Arbeitsrechts auf Diözesanebene auf. Dabei gehe es insbesondere um die Aufhebung des Pflichtzölibates und die Öffnung der Weiheämter für Frauen. Grundsätzlich seien sie gegen die Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund ihres Geschlechtes, ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihrer sexuellen Orientierung.
„Schweigen ist Zustimmung“, es ist dieser Gedanke, den sie so nicht stehen lassen konnten. Denn alles andere als einverstanden sind die über 110 Mitglieder der römisch-katholischen Kirchengemeinden Christus-Epheta Homberg und Christkönig Borken mit dem, was in der katholischen Kirche vor sich ging und geht: Machtmissbrauch an Menschen. Und das auf ganz unterschiedlichen Ebenen.
Doch was tun, um zu zeigen, wo man steht und dass man die Dinge nicht auf sich beruhen lassen will? „Wir haben uns dazu entschieden, einen Brief an den Fuldaer Bischof zu schreiben“, sagt Thomas Kirchhofs aus Homberg. Diese Idee sei in den vergangenen Monaten nach und nach bei mehreren Videokonferenzen einiger Gemeindemitglieder entstanden, schildern er und Gottfried Fischer aus Borken. „Weil wir bestürzt über die Vorgänge sind und es uns auch verletzt. Wir wollen nicht tatenlos zusehen und fühlten uns auch hilflos“, sagt Kirchhofs. Er und Fischer sind auch Sprecher des Pfarrgemeinderates. „Wenn es Anfeindungen gegen die Kirche gibt, dann betrifft uns das auch persönlich“, sagt Kirchhofs. Deshalb sei es ihnen auch wichtig, Stellung zu beziehen. Zu zeigen, dass sie nicht einverstanden sind. Und mehr noch: „Wir sind nicht nur empört, wir wollen, dass sich etwas tut“, sagt Fischer.
Doch wollten die rund 25 Teilnehmer der Konferenzen, die in der Coronazeit online stattfanden, nicht ohne die Unterstützung der Kirchengemeinden handeln. „Deshalb haben wir nach den Gottesdiensten und im Kirchencafé davon berichtet und unseren Brief sowie eine Unterschriftenliste ausgelegt“, sagt Fischer. Um ihr Anliegen in die Gemeinden hineinzutragen und um Unterstützung dafür zu werben. Was dann folgte, überraschte sie: „Es haben sehr viele ohne zu zögern unterschrieben.“ Bislang sind über 110 Unterschriften zusammengekommen – „vom jungen Messdiener bis zur über 90-Jährigen“, erklärt Fischer. „Das ist ein gutes Zeichen“, sagt Pfarrer Peter Göb, der die Aktion ebenso wie die Präventionsbeauftragte Beate Lippert, unterstützt. „Wir sind dankbar, dass sie sich so engagieren, dabei auch konstruktiv sind und gemeinsam gestalten wollen“, sagt Göb. „Wir sind keine kleine Gruppe, wir sind viele“, bestärkt Fischer die Worte des Pfarrers.
Gemeinsam hoffen sie, dass sie nicht nur bei den Verantwortlichen der Kirche etwas bewegen. „Es wäre schön, wenn sich auch Menschen, die nicht oder nicht mehr aktiv in der Kirche sind, durch uns bestärkt fühlen.“ Denn man sehe die Fehler und benenne sie. Das sei auch die Grundlage für Vertrauen, sagt Lippert. Und dann räumt Thomas Kirchhofs ein, dass er sich auch schon Gedanken darüber gemacht habe, ob er aus der Kirche austreten solle – wie es so viele getan haben. „Aber das wäre ein Weglaufen und hätten nichts besser gemacht. Mit war es wichtig, einen Weg aus meiner Erstarrtheit zu finden“, sagt er. Für ihn und die Unterzeichner des Schreibens scheint klar: „Es gibt andere Lösungen als nur die des Austritts.“ Schließlich laufe es in der katholischen Kirche auch an vielen Stellen richtig gut, betonen sie. „Das macht Hoffnung“, sagt Kirchhofs. Und Mut mache auch die große Beteiligung an der Unterschriftenaktion. „Es ist nicht einfach, aber es tut sich etwas.“ (Maja Yüce)