Weltfrauentag: Interview mit Mentaltrainerin Antje Nienkemper-Janke

Heute ist der Weltfrauentag. Am 8. März begehen Frauen in aller Welt den Internationalen Frauentag. Seit mehr als 100 Jahren gibt es ihn.
Homberg – Antje Nienkemper-Janke ist Mentaltrainerin und Business-Coach in Homberg. Sie beschäftigt sich mit Frauen in Führungspositionen. Ihrer Meinung nach gibt es immer noch zu wenige weibliche Führungskräfte.
Frau Nienkemper-Janke, was bedeutet der Weltfrauentag für Sie?
Er ist sehr wichtig. Es geht darum, die Möglichkeiten und die Rechte einer Frau wieder mehr in den Fokus zu bringen. Frauen sind hoch qualifizierte Fach- und Führungskräfte.
Als Mentaltrainerin begleiten Sie Frauen in ihrer Rolle als Führungspersönlichkeiten, was fällt Ihnen bei den Frauen auf?
Sie sind alle hoch qualifizierte Frauen und das in unterschiedlichen beruflichen Bereichen, ob das im medizinischen Bereich ist, in der Politik oder im wirtschaftlichen Bereich. Was allerdings ein Problem ist, ist das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen. Frauen sind eher die Zweifler an ihren eigenen Fähigkeiten. Führungskräfte sind Menschen, die ein besonderes Wertesystem brauchen. Sie sind für die Mannschaft, die sie führen, verantwortlich und dazu gehört ein gesundes Selbstvertrauen.
Warum ist das Selbstvertrauen bei Frauen nicht so gegeben?
Ich denke, das hängt noch mit unserer Erziehung zusammen. Also ich habe mit Frauen gesprochen, die sind heute zwischen 70 und 80 Jahre alt und mir wurde von den Damen berichtet, dass ihnen gesagt wurde, ein Hauptschulabschluss reicht, wichtig ist man heiratet und ist dann zu Hause wegen der Kinder. Und das ist eine Denkstruktur, die sehr veraltet ist – zum Glück. Aber es stecken noch Spuren von diesem Denken in vielen von uns. Und da sind wir auf dem besten Weg, das zu verändern. Denn wir haben in der heutigen Zeit viele tolle Frauen, die eine Führungsposition begleiten und das sind wundervolle Vorbilder. Dass diese Denkstruktur veraltet ist, daran sollte man sich orientieren. Und deshalb ist dieser Weltfrauentag so wichtig.
Wagen denn mittlerweile mehr Frauen den Schritt zu Führungskräften?
Es gibt immer mehr weibliche Führungskräfte, aber insgesamt betrachtet sind es immer noch zu wenige.
Woran liegt das?
Es liegt nicht an der Qualifikation. Denn wir haben in den vergangenen Jahren mindestens 50 Prozent Hochschulabsolventinnen gehabt. Was ich immer wieder mitbekomme, sind Selbstzweifel, fehlendes Werkzeug, der fehlende Umgang mit Problemen als Führungskraft. Man muss einen authentischen Führungsstil haben, Mitarbeiter motivieren, und Durchsetzungsvermögen haben.
Wie helfen Sie den Frauen in ihrer Position als Führungskraft?
Wir machen zunächst eine individuelle Standortbestimmung mit Zuhilfenahme unterstützender Persönlichkeitstests. Die bestimmen die Ziele und setzen Entwicklungsschwerpunkte fest. Daraufhin erarbeite ich einen individuellen Coachingplan. Zunächst muss eine Basis geschaffen werden, auf der den Frauen bewusst wird, welche wertvollen Stärken und Ressourcen sie in sich tragen. Und dann kommt es auf jedes individuelle Anliegen der Frau an. Die einen sagen, sie möchten noch mal ein Coaching im Bereich Mitarbeiterführung beziehungsweise Mitarbeitermotivation haben und die anderen wollen sich im Bereich Konfliktmanagement weiterqualifizieren.
Kommen auch Männer zu Ihnen?
Ja, natürlich. Für Frauen schlägt allerdings mein Herz, da ich selbst auch eine Frau bin. Und es ist mir wichtig, da ich weiß, dass es da draußen ganz viele tolle junge Frauen gibt, die ihre Chancen nicht ergreifen. Frauen haben eine ganze Menge zu bieten. Ich habe aber auch ganz viele tolle Männer, die helfend und unterstützend Frauen oder Kolleginnen gegenüber auftreten. Ich merke auch, dass ein Umdenken stattgefunden hat. Es gibt immer mehr Väter oder Großväter, die in Führungspositionen sind und alles dafür tun, damit die eigene Tochter oder Enkeltochter auch einen sehr guten qualifizierten beruflichen Weg geht. Und dass da jetzt schon der Gedanke kommt, sein eigenes Unternehmen an die Tochter oder Enkeltochter weiterzugeben, zeigt, dass dort ein Wandel stattgefunden hat.
Zur Person
Antje Nienkemper-Janke (56) stammt aus Schwalmstadt. Sie arbeitete zehn Jahre als Finanzwirtin in Frankfurt. Danach sattelte sie um zur Erzieherin. Anschließend bildete sie sich bei der IHK in Kassel zum Business-Coach und zur Mentaltrainerin aus. Seit 2022 hat sie ihr Büro in der Fachwerkerei Homberg. Sie wohnt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Fritzlar.
Sie sind selbst eine Führungskraft, da Sie selbstständig sind. Wie war der Weg für Sie?
Es war nicht einfach. Also wenn ich sagen würde, mir wurden alle Türen geöffnet, wäre das falsch. Ich habe die ein oder andere Tür selber öffnen müssen. Ich kenne weder Frauen noch Männer, die an der Startlinie standen und bis zu ihrem Ziel ohne Hindernisse durchgegangen sind.
Beim Vorentscheid des Eurovision-Song-Contests wurde eine Hymne an die Frauen gesungen mit dem Lied „Alle Frauen in mir sind müde“. Sind Frauen „müder“ als Männer?
Nein. Frauen müssen wesentlich mehr leisten, gerade wenn ich mir eine Frau vorstelle, die eine Führungsposition innehat und Familie hat. Ich weiß nicht, woher wir Frauen diese Energie nehmen, aber wir haben sie. Vielleicht hängt es mit unserem enorm hohen Willen zusammen. Wir möchten, dass der Beruf, die Ehe, die Familie, das Zuhause und das Umfeld stimmen. Aber mir ist dabei wichtig, den Frauen die Botschaft zu vermitteln, es geht nicht um Perfektion, man muss auch mal Atempausen machen.
Wo muss aus Ihrer Sicht für mehr Gleichberechtigung angesetzt werden?
Die Frauenquote für Vorstände von börsennotierten Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten wurde 2016 wirksam. Da war die Zahl der weiblichen Führungskräfte noch sehr reduziert. Es hat ein Wandel stattgefunden, aber er ist noch zu gering. Das war ein sehr zäher Start und es ist auch ein sehr schleppender Prozess. Und deshalb ist der Weltfrauentag auch so wichtig. Es darf der Wunsch nach einer Familie nicht mehr dafür verantwortlich sein, dass die Frauen einen Karriereknick erleben. Langfristig muss sich das verändern. Die Kinderbetreuung muss gewährleistet sein. Denn es ist immer noch der Fall, dass Führungskräfte keine Teilzeitkräfte sind – zumindest kenne ich keine. Und Frauen müssen wissen, wenn sie ihre Frau stehen, dass die Kinder gut versorgt sind. Damit sie ihren Kopf im Unternehmen haben und sich keine Sorgen um die Kinder machen müssen. Das sind Dinge, die positiv verändert werden müssen.
Was wollen Sie den Frauen mit auf den Weg geben?
Den Glauben an sich und ihre Fähigkeiten. Den Glauben, dass aus Wünschen, wenn man daran arbeitet, konkrete Ziele werden, die man umsetzen kann. Vom Wünschen alleine wird man keine Führungskraft. Man muss ins aktive Tun kommen, strategisch Denken und aus seiner Komfortzone herauskommen.
(Lea Beckmann)