+++ 17.13 Uhr: Dr. Sven Schoeller, Verteidiger der Angeklagten, äußerte sich nach der Urteilsverkündung öffentlich. „Das Verfahren steht und fällt mit der Frage nach dem Tötungsvorsatz“, sagte er. Die Bewertung der Strafkammer unterscheide sich diesbezüglich von der Bewertung der Verteidigung.
Auch wenn sie keine echte Anästhesistin gewesen sei, so habe Meike S. am Fritzlarer Hospital typische Anfängerfehler gemacht, die auch bei tatsächlich approbierten Assistenzärzten aufgefallen seien. Außerdem sagte Schoeller, dass es im Hospital offenbar interne Dosierungsempfehlungen bei Narkosemedikamenten gegeben habe, die nicht den Standards anderer Kliniken entsprächen.
Fachärzte hätten in unmittelbarer Nähe sein müssen, um das Handeln ihrer Kollegin zu kontrollieren. „Dies hat bei der Vorsatzfrage eine große Bedeutung“, sagte Schoeller. Die Verteidigung lege deshalb Revision ein. „Das Ganze wird jetzt den Weg zum Bundesgerichtshof finden.“
+++ 15.41 Uhr: In einer Mitteilung hat sich das Hospital zum Heiligen Geist in Fritzlar zur Urteil gegen Meike S. geäußert, die dort von 2015 bis 2018 beschäftigt war. Sprecher Dirk Metz erklärt, dass die Vorgänge um die falsche Ärztin bei Geschäftsführung und Mitarbeitern große Betroffenheit ausgelöst hätten. Die Geschäftsführung habe bereits mehrfach tiefes Bedauern bekundet und Betroffenen öffentlich Mitgefühl ausgesprochen. Man sei froh, dass das für Betroffene, Angehörige und Angestellte des Hospitals belastende Verfahren nun zum Abschluss gekommen sei.
„Wir hoffen und wünschen insbesondere den Angehörigen der Opfer und jenen, die durch das Tun der falschen Ärztin geschädigt worden sind, dass sie das traurige Kapitel durch das heutige harte Urteil persönlich besser verarbeiten können“, so Metz weiter. Mit dem Urteil würden Taten bestraft, die auf eine hohe kriminelle Energie der Angeklagten zurückzuführen seien. Meike S. habe nicht nur die Klinik, ihre damaligen Kollegen und die Landesärztekammer getäuscht, sondern vor allem die Patienten in Lebensgefahr und - nach Feststellung des Gerichts - zu Tode gebracht. Sie habe weder ihre Schuld eingestanden noch Reue gezeigt oder um Vergebung gebeten.
Als Klinik unterstütze man die Forderung der Deutschen Stiftung Patientenschutz nach einem Zentralregister für Approbationen bei der Bundesärztekammer. Ebenso wichtig sei der Appell der Landesärztekammer Hessen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Dokumente fälschungssicher sein müssen.
+++ 14.01 Uhr: Die Verteidigung will gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen und in Revision gehen. Sie hob insbesondere die Rolle des Hospitals zum Heiligen Geist in Fritzlar hervor. So hätten die damaligen Chefärzte eine Überwachungspflicht gehabt und sicherstellen müssen, dass die Assistenzärztin Meike S. die Narkosen nicht unbeaufsichtigt verabreicht.
Der Vorsitzende Richter Volker Mütze hob in der Begründung des Urteils am Landgericht Kassel immer wieder die narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung von Meike S. hervor. Es sei S. in ihrem Handeln ausschließlich um sich selbst gegangen.
Update vom Mittwoch, 25. Mai, 12.40 Uhr: Die Verkündung des Urteils im Landgericht Kassel dauert nach wie vor an. Meike S., die unter anderem wegen dreifachen Mordes verurteilt wurde, sitzt schluchzend auf der Anklagebank. In der Vergangenheit hatte Meike S. während des Prozesses nahezu keine Gefühlsregungen gezeigt.
Erstmeldung vom Mittwoch, 25. Mai: Kassel/Fritzlar - Nach rund eineinhalb Jahren Mordprozess ist am Mittwoch (25. Mai) in Kassel das Urteil im Fall der falschen Ärztin Meike S. gefallen. Die 52-Jährige, die zwischen 2015 und 2018 im Fritzlarer Hospital als Narkoseärztin tätig war, wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe unter anderem wegen Mordes in drei Fällen verurteilt. Außerdem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest. Das erschwert es Meike S. möglicherweise, nach der Verbüßung ihrer Haftstrafe wieder auf freien Fuß zu kommen.
Diese Entscheidung verkündete der Vorsitzende Richter der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Kassel, Volker Mütze, gegen 10.30 Uhr Uhr. Außerdem wurde Meike S. wegen versuchten Mordes in zehn Fällen, in drei Fällen von gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Missbrauchs von Titeln in vier Fällen und wegen zweifachen Betrugs schuldig gesprochen.
Damit kommt das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft Kassel nach. Die hatte zuvor die Höchststrafe für die Angeklagte gefordert: lebenslange Haft und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Die Staatsanwaltschaft war davon überzeugt, dass Meike S. aufgrund eines übersteigerten Geltungsbedürfnisses gehandelt hat. Die Verteidiger Dr. Sven Schoeller und Thomas Hammer hingegen hatten eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung in 16 Fällen und weiteren Anklagepunkten gefordert.
Das Mordverfahren um die falsche Ärztin ist eines der größten in der Kasseler Justizgeschichte. Dem ersten Verhandlungstag am 27. Januar 2021 folgten rund 50 weitere Prozesstage. Der ursprüngliche Vorwurf lautete seinerzeit: Meike S. soll am Hospital zum Heiligen Geist fünf Menschen getötet haben, bei deren Operationen sie für die Narkose zuständig war. Sie hat laut Anklage nie ein Medizinstudium abgeschlossen und sich mit falschen Angaben die Einstellung als Ärztin erschlichen.
Vorsatzfrage spielte stets eine Rolle
Im Fall der falschen Ärztin ging es über Monate um die Frage, ob Meike S. eine Mörderin ist. Stundenlang beschäftigte sich das Landgericht Kassel an den Prozesstagen mit der Vorsatzfrage, also um die Frage, ob die Angeklagte den Tod der jeweiligen Patienten billigend in Kauf genommen hat. Schon damals erklärte Carsten Drastik, Anwalt der Nebenklägerin, dass Vorsatz nicht immer eine originäre böse Absicht enthalten müsse. Man spreche von einem Eventualvorsatz.
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