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Mordprozess: Falsche Ärztin Meike S. zeigt „bislang nur wenige Gefühlsregungen“

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Von: Maja Yüce

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Vor Gericht: Carsten Drastik (vorne) ist im Prozess gegen Meike S. Verteidiger der Nebenklage.
Vor Gericht: Carsten Drastik (vorne) ist im Prozess gegen Meike S. Verteidiger der Nebenklage. © Dieter Schachtschneider

Meike S. soll sich laut Staatsanwaltschaft in Fritzlar als falsche Ärztin ausgegeben haben und für den Tod von drei Menschen verantwortlich sein.

Fritzlar/Kassel – Geht es nach der Staatsanwaltschaft Kassel und der Nebenklage, wird die falsche Ärztin Meike S., die im Hospital zum Heiligen Geist in Fritzlar gearbeitet hat und gegen die vor dem Kasseler Landgericht ein Mordprozess läuft, zu lebenslanger Haft mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verurteilt. Ganz anders sieht das vermutlich die Verteidigung von Meike S. deren Schlusswort am Mittwoch folgt. Fragen und Antworten zu dem Prozess.

Was wurde Meike S. vorgeworfen?

Die 51-Jährige muss sich laut Anklage wegen fünffachen Mordes verantworten, nachdem bei Operationen am Fritzlarer Hospital zum Heiligen Geist, bei denen die Angeklagte für die Narkose der Patienten zuständig war, fünf Menschen gestorben waren. Meike S. (früher Meike W.) hatte laut Anklage nie ein Medizinstudium abgeschlossen und sich unter Vorspiegelung falscher Angaben die Einstellung als Ärztin erschlichen.

Warum gehen Staatsanwaltschaft und Nebenklage nun von Mord in drei statt in fünf Fällen aus?

Bei zwei Fällen, die als Morde angeklagt waren, sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Tod der Patienten und Behandlungsfehlern nicht nachzuweisen, so die Staatsanwaltschaft. Sie gehe nun in drei Fällen von Mord in Tateinheit mit unerlaubter Verabreichung von Betäubungsmitteln aus (HNA berichtete). Die Liste der Vorwürfe ist noch länger: versuchter Mord in zehn Fällen, gefährliche Körperverletzung in drei Fällen, Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Missbrauchs von Berufsbezeichnungen und Titeln in vier Fällen.

Und was führt zu der Annahme, es könnte sich um Mord handeln?

Die Angeklagte habe aus Sicht der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage billigend in Kauf genommen, dass Menschen zu Tode kommen. „Gerade bei den schwer kranken Menschen, bei denen sie für die Narkose zuständig war“, so die Vorhaltung von Carsten Drastik, Anwalt der Nebenklage. Man habe aus seiner Sicht innerhalb des Verfahrens nachweisen können, dass die Behandlung durch Meike S. zu den Todesfällen geführt habe. „Sie ist keine Ärztin und verfügt auch nicht über die Eignung“, so Drastik. Dadurch, dass sie trotzdem Menschen behandelt habe, habe sie deren Tod billigend in Kauf genommen, schildert er seine Einschätzung. Man könne zudem von niederen Beweggründen ausgehen, da Meike S. aus seiner Sicht ihr Ansehen als Ärztin über das Wohl der Patienten gestellt habe. Die Verteidigung habe es trotz ihrer Beweisanträge und der vielen Zeugenvernehmungen nicht geschafft, die Tatvorwürfe auszuhebeln, so Drastiks Bewertung.

Was fordert die Staatsanwaltschaft?

Staatsanwaltschaft und auch der Verteidiger der Nebenklägerin plädierten übereinstimmend dafür, die Angeklagte Meike S. auf eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe zu verurteilen und die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Des Weiteren wurde die Anordnung eines lebenslangen Berufsverbots, bezogen auf alle Heilberufe, die Einziehung von über 162 000 Euro und die Einziehung von Computern und Urkunden als Tatmittel beantragt.

Wie hat Meike S. auf die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage reagiert?

Mehrere Stunden dauerte das Plädoyer der Staatsanwaltschaft. „Sie wirkte zwischendurch etwas angefasst“, schildert Carsten Drastik seinen Eindruck von der Angeklagten während de nicht öffentlichen Verhandlung. Gefühlsregungen habe Meike S. im Prozess bislang nur sehr wenige gezeigt, fügt er an.

Was hat während des Prozesses bislang für die Angeklagte gesprochen?

„Eigentlich nur, dass sie bislang strafrechtlich nicht erscheinung getreten ist“, sagt Rechtsanwalt Carsten Drastik, der nahezu bei allen Verhandlungstagen als Verteidiger der Nebenklage anwesend war.

Wie geht es jetzt in dem Prozess weiter?

Die Hauptverhandlung wird am Mittwoch, 11. Mai, ab 9 Uhr mit dem Schlussvortrag der Verteidigung fortgesetzt. Dann werden die Verteidiger von Meike S., Dr. Sven Schoeller und Thomas Hammer das Wort haben. Beim Prozessauftakt im Januar 2021 gingen auch die Verteidiger davon aus, dass am Ende der Beweisaufnahme „mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, dass unsere Mandantin als falsche Ärztin am Hospital zum Heiligen Geist in Fritzlar tätig gewesen ist“, so Schoeller. Man gehe aber mit gleicher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Anklage, Meike S. habe mit Vorsatz als Assistenzärztin in der Anästhesie Menschen getötet, von der Kammer nicht festgestellt werden könne. Denn: In der Annahme, dass Meike S. mit Vorsatz getötet habe, liege der wunde Punkt der Anklage, so Schoeller damals.

Wird das Schlusswort der Verteidigung auch in nicht öffentlicher Verhandlung stattfinden?

Ja, auch beim Plädoyer der Verteidigung wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Grund dafür: In dem langwierigen und aufwendigen Prozess wurde zeitweise die Öffentlichkeit ausgeschlossen, deshalb müssen nach der Strafprozessordnung auch die Plädoyers unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehalten werden. Erst die Urteilsverkündung kann wieder in Gegenwart von Besuchern stattfinden.

Kommt Meike S. in dem Prozess auch zu Wort?

Die Angeklagte hat sich bislang im Prozess nicht zu Wort gemeldet. Nach dem Gesetz hat sie die Möglichkeit, Ausführungen zu ihrer Verteidigung zu machen, auch wenn ihre Verteidiger ihre Schlussvorträge gehalten haben. Das letzte Wort der Angeklagten würde erst im Anschluss daran erfolgen.

Wann ist mit einem Urteil zu rechnen?

Nach dem Schlusswort der Verteidigung in der nächsten Woche, könnte dann in der folgenden Woche, also am Mittwoch, 18. Mai, das Urteil gegen Meike S. gesprochen werden. Geleitet wird der Prozess von Richter Volker Mütze. (Maja Yüce)

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