Lidl habe Interesse an 15 Hektar, um ein Distributionslager samt Verwaltungskomplex zu bauen. Das Investitionsvolumen umfasse 80 Millionen Euro. „Es würde also nicht nur Logistik entstehen. Ein Drittel Verwaltung, zwei Drittel Distribution“, erläutert er mit Marcel Pritsch, Vorsitzender Zweckverband Schwalm-Eder-West. 70 Prozent der Fläche würde Lidl bebauen. „30 Prozent sollen Grünfläche werden.“ Insgesamt sollen 350 Arbeitsplätze entstehen. „Es würde also keine leere Halle dort stehen, sondern ein Verwaltungs- und Distributionszentrum mit 350 Ausbildungs- und Arbeitsplätzen.“ Im Verwaltungsgebäude wolle Lidl das Management von Nordhessen und Südniedersachsen zentralisieren. Zugesichert worden sei in der Lidl-Anfrage, dass der Sitz vor Ort wäre. Die Folge: Die Gewerbesteuer fließe an die beteiligten Schwalm-Eder-West-Kommunen. Auf HNA-Anfrage teilte Lidl mit, dass man erst Mitte des Jahres mehr sagen könne. Lidl hatte eine neue Halle an seinem Standort in Edermünde geplant. Es scheiterte am Flächenkauf.
Termin: Heute, 19 Uhr , Bürgerinformationsveranstaltung unter anderem zum Interkommunalen Gewerbegebiet im Bürgerhaus Zimmersrode.
Fünf Kommunen planen ein Interkommunales Gewerbegebiet bei Neuental. Als Standort dafür haben sie Flächen an der A 49 ausgemacht. An den Plänen dafür arbeiten Bad Zwesten, Jesberg, Neuental, Borken und Wabern. Neuentals Bürgermeister Dr. Philipp Rottwilm spricht im HNA-Interview über den Stand der Dinge.
Herr Dr. Rottwilm, es wird aktuell viel über das Interkommunale Gewerbegebiet an der A 49 diskutiert. Wann beginnt der Bau?
Wir sind weit davon entfernt, dass gebaut werden kann. In diesen Größenordnungen wäre ein Bau auch nicht vor 2026 möglich. Wir planen langfristig und so nachhaltig wie möglich. Die Bagger rollen nicht morgen an.
Und was genau planen die Kommunen an der A 49?
Wir wollen 17 Hektar Interkommunales Gewerbegebiet an der A 49 bei Neuental entwickeln.
Wo soll das Gewerbegebiet konkret entstehen?
Wir sind derzeit noch nicht so weit, dass wir sagen könnten, diese konkrete Fläche wird es. Aktuell sind wir in einer Machbarkeitsprüfung. Wir prüfen, im Sinne aller fünf Schwalm-Eder-West Kommunen, was wir an der A 49 ansiedeln wollen. Und es gibt eine erste Standortidee, aber da kann es noch zu Verschiebungen kommen, da sehr viel berücksichtigt werden muss. Und wir müssten die 25 Hektar, die wir im Interkommunalen Gewerbegebiet Wabern Tannenhöhe schon haben, zu landwirtschaftlicher Fläche umwandeln.
Warum nutzen Sie denn nicht einfach das bestehende Gewerbegebiet Tannenhöhe bei Wabern?
Dort gibt es seit Jahren so gut wie keine Anfragen, was auch daran liegt, dass wir dort relativ weit weg sind von der Autobahntrasse. Je näher man an der Autobahn ist, desto besser – für den Verkehr in der Region und die sich ansiedelnden Firmen. Für das Gelände an der A 49 bei Neuental erhalten wir ständig – alle vier Wochen – Anfragen. Allerdings läuft davon auch ein Großteil ins Leere. Fest steht aber, dass die Lage in Neuental Vorteile mit sich bringt.
Welche Vorteile sind das?
Es gibt dort keine direkten Anwohner. Außerdem ist der Standort sehr nah an der Autobahnabfahrt gelegen. Er ist für Firmen viel attraktiver. Und das Gewerbegebiet bei Neuental hat den Vorteil, dass kein Lkw durch die Orte fahren muss.
Kein Lkw-Verkehr in den Dörfern. Wie wollen Sie das sicherstellen?
Die Verkehrslenkung wird vertraglich geregelt. Die Fahrzeuge dürfen nur von der A 49 runterfahren, um ihren Ziel-Standort zu erreichen. Danach müssen sie auf die Autobahn auffahren. Sie dürfen keine anderen Wege, etwa durch Bischhausen oder Zimmersrode, nehmen. Zudem muss jeder Investor, für die Anzahl an Lkw, die er braucht, auch die Stellplätze auf seinen Flächen zur Verfügung stellen. Wir wollen nicht, dass die Orte zugestellt werden.
Wenn es schon so viele Anfragen gibt, liegen schon Pläne für ein noch größeres Gewerbegebiet in der Schublade?
Nein! Daran denken wir nicht. Versiegelung hat auch ein Limit. Wir wollen nicht 80 Hektar planieren. Wir sehen uns auch als Partner der Landwirte. Das bedeutet nicht, dass keine Flächen versiegelt werden, aber unsere Landwirte sind uns wichtig. Deshalb versuchen wir, die Flächen, die sie einbringen, ihnen an anderer Stelle zur Verfügung zu stellen. Es geht uns darum, Lösungen zu finden, mit denen am Ende alle Menschen zufrieden sind.
Alle Menschen werden wohl nicht zufrieden sein.
Es gibt natürlich auch Menschen, die generell gegen jede Versiegelung sind. Aber unsere Aufgabe ist eben auch, uns als Kommunen weiterzuentwickeln und die besten Lösungen für unsere Kommunen zu entwickeln und dazu benötigt man auch Flächen. Aktuell sind dies 17 Hektar interkommunale Flächen. Und: Es wird kein Baum platt gemacht. Naturschutzrechtlich ist das Areal unproblematisch – das haben wir prüfen lassen.
Dennoch geht es auch um 17 Hektar gutes Land.
Stimmt. Leider ist der Boden an all unseren Anschlussstellen gut. Das ist ein großer Kritikpunkt, das ist für uns auch nicht einfach. Wir können solch ein Gewerbegebiet aber faktisch nur an bestimmten Stellen umsetzen. Es gilt Flora, Fauna und Hochwasserschutz zu beachten.
Was sagen denn die Landwirte, mit denen Sie Gespräche geführt haben?
Wir haben 2019 mit Landwirten gesprochen, die betroffen sein könnten. Wir haben sie gefragt, ob sie bereit wären, mit uns in die Verhandlung zu gehen. Der Tenor war, dass sie einer Entwicklung vor Ort nicht entgegenstehen wollen. Sie wollen aber auch kein Land verlieren. Dies ist auch für uns eine Grundvoraussetzung.
Lidl hat Interesse an 15 der 17 Hektar signalisiert. Damit wäre das Interkommunale Gewerbegebiet ja schnell ausgereizt.
Tatsächlich wäre das so. Dann wären nur noch zwei Hektar übrig. Daher ist es auch keine einfache Entscheidung. Wir haben einen Kriterienkatalog aufgestellt, was Unternehmen liefern müssen, um mit uns Projekte zu machen. Er gilt auch für Lidl.
Wer hat noch angefragt?
Es gibt viele Investoren, die gerade auf dem Markt unterwegs sind. Wir wollen da niemanden nennen, da wir aktuell auch nicht mit allen in engeren Gesprächen sind. Es ist aber deutlich, dass alle Investoren nicht in die Ortskerne wollen, sondern an die A 49. Die Anfragen versprechen sich einen Vorteil durch die gute Mobilität an der Auf- und Abfahrt.
Es gibt Sorge in der Bevölkerung, was die Ansiedelung von großen Konzernen betrifft.
Es geht nicht um ein Industriegebiet, sondern um ein Gewerbegebiet. Es muss sich keiner Sorgen machen, dass da jetzt ein Chemiekonzern entstehen könnte. Wir werden auch kein zweites Kraftwerk Borken bauen. Es geht um gewerbliche Ansiedlungen an der A 49. Es soll eine Wertschöpfungskette entstehen, die der Region zugutekommt. Die gewählten Kommunalpolitiker müssen dann die Entscheidung treffen.
Stichwort: Kriterienkatalog. Welche gilt es für Investoren zu erfüllen?
Ein Kriterium umfasst zum Beispiel die Arbeitsplätze: Wir wollen keine leeren Hallen, für uns war es immer wichtig, dass Ausbildungs- und Arbeitsplätze entstehen. Die müssen zugesichert werden. Es wurden in den vergangenen Jahren Hallen in der Region gebaut, in denen letztlich nur zwei Menschen arbeiten. Das wird es in unserem Gewerbegebiet auf keinen Fall geben, dann lassen wir es lieber.
Wie wollen Sie denn darauf Einfluss nehmen?
Der Investor muss es uns zusichern. Wir machen städtebauliche Verträge. Und wir bleiben, was unsere Bedingungen angeht, hart mit den Investoren. Schließlich kann man eine Fläche nur einmal verbauen, das ist uns sehr bewusst.
Also geht es nicht nur um Arbeitsplätze?
Sie sind ein wesentlicher Punkt. Wir haben uns aber grundsätzlich überlegt, was in die heutige Zeit passt. Alle fünf Schwalm-Eder West Kommunen sind Klimakommunen. Wir hinterfragen auch, was das Projekt für Auswirkungen auf den Klimawandel haben wird. Diese Frage stellen wir bei allen Bauprojekten – auch beim Gewerbe. Wir wollen nur langfristige Planungen, haben da einen Horizont von 25 Jahren angesetzt. Da schluckt mancher Investor erst mal.
Warum eine so lange Zeit?
Weil wir nicht wollen, dass das Risiko besteht, dass in fünf Jahren leere Hallen im Gewerbegebiet stehen. Deshalb muss uns ein seriöses Konzept vorgelegt werden, aus dem sich ein langfristiges Investment ableiten lässt.
Sie können aber nicht in betriebswirtschaftliche Konzepte eingreifen.
Richtig, aber wir können ein konkretes Konzept verlangen: Was sind das zum Beispiel für Ausbildungs- und Arbeitsplätze, und wie werden sie bezahlt. Bei Lidl zum Beispiel werden alle nach einem Tarif bezahlt – der liegt für alle Mitarbeiter deutlich über dem Mindestlohn.
Gibt es weitere Kriterien?
Ein weiterer Punkt ist die nachhaltige Bauweise. Wir werden ganz genau festlegen, was die Investoren da liefern müssen – das geht bis zu Zertifizierung des Baus. Wichtig sind uns zudem ein klimagerechter Bebauungsplan und die Energiegewinnung von grünem Strom. Ziel ist es, mit diesem dann das Gewerbegebiet zu versorgen.
Oft landet die Gewerbesteuer nicht vor Ort. Wie wollen Sie gegensteuern?
Es soll nur Projekte geben, bei denen die Gewerbesteuer auch vor Ort bei uns gezahlt wird. Wenn das nicht zugesichert wird, machen wir es nicht. Wir wollen, dass die Kommunen vor Ort davon profitieren. Das ist eine Grundvoraussetzung. Es müssen daher Gesellschaften vor Ort gegründet werden. Die Gewerbesteuer wird dann anteilig auf die Kommunen aufgeteilt. So, wie auch unsere Investitionen verteilt werden. Jede der fünf Kommunen hat die Möglichkeit, sich zu beteiligen – muss aber nicht.
Kritiker sagen, Sie würden ein Verwirrspiel treiben.
Kritik ist völlig in Ordnung. Da es die Idee für ein Gewerbegebiet an der A 49 bei Neuental schon gibt, seit über den Weiterbau der Autobahn diskutiert wird, ist die Kritik aber schwierig nachzuvollziehen. Wir haben nichts zu verheimlichen, es gibt also auch kein Verwirrspiel. Wir lernen aus der Kritik, dass wir die Menschen noch mehr mitnehmen müssen. Dann kommt es auch nicht zu Spekulationen oder gar falschen Annahmen. Die Komplexität eines solchen Projektes wird dabei aber auch oft unterschätzt. Es gibt enorm viel zu bedenken. Wir haben oft informiert und doch noch nicht alle Menschen erreicht.
Ist denn trotz des Interkommunalen Gewerbegebiets auch noch die Planung kommunaler Gewerbegebiete möglich?
Natürlich! Wir haben als Schwalm-Eder-West einen größeren gewerblichen Schwerpunkt, den wir mit fünf Kommunen an der A 49 bei Neuental umsetzen wollen. Das heißt aber nicht, dass dann keine Gewerbegebiete mehr innerhalb der eigenen Kommune entwickelt werden können. Interkommunal wollen wir einfach größere Projekte ermöglichen. Jede Kommune kann innerhalb von zehn Jahren mindestens fünf Hektar gewerblich entwickeln.
Dann aber mit eher kleinteiligem Gewerbe?
Das ist das Ziel, es ist jedoch nicht darauf beschränkt. Kleinteiliges Gewerbe wie Handwerksbetriebe sind nicht die Zielgruppe für die Großflächen im Interkommunalen Gewerbegebiet. Sie sollen möglichst in den einzelnen Orten bleiben oder sich dort ansiedeln. Die Idee ist: größere Projekte gemeinsam im Interkommunalen Gewerbegebiet umsetzen. Wenn wir z. B. ein Logistik-Projekt dieser Größenordnung machen, dann machen wir eines und dann war es das.
Ein Interkommunales Gewerbegebiet bezeichnet die Zusammenarbeit mehrerer Kommunen bei der Planung, Realisierung und Vermarktung von Gewerbegebieten. Der Zweckverband Interkommunale Zusammenarbeit Schwalm-Eder-West setzt sich aus Bad Zwesten, Borken, Jesberg, Neuental und Wabern zusammen.
(Maja Yüce und Lea Beckmann)